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Nanotechnik lernt von der Natur Haften wie der Gecko

publish-industry Verlag GmbH

Das künstlich hergestellte Gecko-Tape soll die gleichen Hafteigenschaften besitzen wie die Füße der Vorbilder aus der Natur.

28.03.2017

Sie kleben sogar auf feuchten und rutschigen Untergründen, lassen sich immer wieder verwenden und rückstandsfrei wieder ablösen: CAU-Forscher haben mikroskopisch kleine Haftelemente entwickelt, die den Füßen von Geckos und Blattkäfern nachempfunden sind.

Haftung ist ein extrem wichtiger Effekt in der Natur. Damit können Gegocks, Spinnen und Insekten Wände hoch laufen. Im Laufe der Evolution haben sich bei vielen von ihnen pilzkopfförmige Füße und Organe mit herausragenden Hafteigenschaften herausgebildet. Wissenschaftler um Lars Heepe an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) haben nun herausgefunden, warum diese spezielle Form die natürlichen Haftorgane so erfolgreich macht: Sie sorgt für eine gleichmäßige Spannungsverteilung zwischen Oberfläche und Haftelement.

Der Pilzkopf hat sich durchgesetzt

Neben der Rauheit der Oberflächen bestimmt insbesondere die Form beziehungsweise die Geometrie des Kontaktes maßgeblich, wie stark etwas haftet. In der Natur hat sich vor allem die pilzkopfförmige Haftgeometrie durchgesetzt. Sowohl auf der Nano- als auch Mikro- und Makroskala hat sie sich bei verschiedenen Organismen zu Land und zu Wasser unabhängig voneinander entwickelt.

Beispiele reichen dabei von der Haftung des Bakteriums Caulobacter crescentus an Oberflächen (Nano), über die pilzkopfförmigen Hafthaare einiger männlicher Blattkäfer (Mikro) bis hin zu Jungfernreben (Makro).

Was aber sind eigentlich die mechanischen Vorteile dieser Pilzkopfform? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, hat ein interdisziplinäres Forscherteam eine Haftfolie entwickelt, das sogenannte Gecko-Tape. Dessen mikroskopisch kleine Haftelemente sind den Füßen von Geckos und Blattkäfern nachempfunden, kleben sogar auf feuchten und rutschigen Untergründen, lassen sich immer wieder verwenden und rückstandsfrei wieder ablösen.

Ablösung in Schallgeschwindigkeit

„Das Ablöseverhalten der einzelnen pilzkopfförmigen Mikrostrukturen haben wir uns, zeitlich und räumlich mit höchster Auflösung, unterm Mikroskop angesehen“, sagt Heepe. Dafür haben die Forscher den Ablöseprozess der individuellen Mikrostrukturen mit 180.000 Bildern pro Sekunde aufgenommen. „Dabei zeigte sich, dass der eigentliche Moment des Ablösens, also der Zeitraum von der Entstehung eines Defekts in der Kontaktfläche bis zur vollständigen Ablösung, nur wenige Mikrosekunden lang ist.“ Der Kontakt reißt dabei mit bis zu 60 Prozent der Schallgeschwindigkeit des Haftmaterials, das sind etwa zwölf Meter pro Sekunde, ab. „Das ist nur möglich, wenn zwischen dem pilzkopfförmigen Haftelement und dem Untergrund eine einheitliche Spannungsverteilung vorherrscht“, erklärt Heepe. Nur dadurch könne während des Ablösevorgangs so viel elastische Energie gespeichert werden, dass in dieser kurzen Zeit solche hohen Geschwindigkeiten erreicht würden.

Andere Haftgeometrien, wie zum Beispiel die Stempelgeometrie, erzeugen Spannungskonzentrationen und lösen sich an den Kanten ab. Dagegen verhindert die dünne Haftplatte bei den Pilzköpfen, wie beim künstlich hergestellten Gecko-Tape solche Spannungsspitzen und löst sich daher von innen nach außen ab. Dafür muss viel Kraft aufgewendet werden – entsprechend stark ist die Haftung.

„Mit unseren Experimenten haben wir einen wichtigen Effekt eines in der Natur sehr erfolgreichen Haftmechanismus entschlüsseln können“, fasst Heepe die Arbeit des interdisziplinären CAU-Teams zusammen. Sie bestätigten zudem durch ihre Hochgeschwindigkeitsanalyse auch ein von einer italienischen Forschergruppe kürzlich vorgestelltes theoretisches Modell.

Photoschaltbare Haftsysteme

Die Erkenntnisse der Kieler Studie dienen nicht nur als Grundlage, um bestehende Haftstrukturen weiterzuentwickeln und zu verbessern. Mit ihnen kommen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Sonderforschungsbereich 677 „Funktion durch Schalten“ auch einem ihrer erklärten Ziele ein Stück näher: Sie wollen photoschaltbare Haftsysteme schaffen, welche sich durch Licht bestimmter Wellenlängen in einen Haft- und Antihaftzustand versetzen lassen können.

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