Glasfasernetz für Deutschland Gigabitförderung 2023: „Wir werden ein Jahr verlieren!“

Deutschland ist bei weitem kein Paradies mehr, wenn es um den energiewirtschaftlichen Ausbau geht. Erste Investoren verabschieden sich bereits vom deutschen Markt.

Bild: iStock, peterschreiber.media
30.03.2023

Das Eckpunktepapier des BMDV kritisiert tktVivax als „realitätsfremd“. Anstatt den Ausbau des Glasfasernetzes zu beschleunigen, werden sie ihn eher entschleunigen.

Sollte die Gigabitförderung gemäß dem aktuellen Entwurf umgesetzt werden, erwartet der Glasfaserspezialist tktVivax einen drastischen Einbruch und deutliche Verzögerungen beim geförderten Ausbau der deutschen Glasfasernetze.

„Die jetzt vorliegenden Verfahrensgrundlagen werden den Ausbau entschleunigen, statt ihn zu beschleunigen. Auch Erwartungen hinsichtlich eines verstärkten eigenwirtschaftlichen Ausbaus werden sich nicht erfüllen, denn die Annahmen des Bundesministeriums für Digitalisierung und Verkehr sind in diesem Zusammenhang schlichtweg realitätsfremd“, fasst Dirk Fieml, CEO von tktVivax, seine Einschätzung zusammen.

Investition in deutsches Glasfasernetz unattraktiv

Seine Kritik bezieht sich auf eine ganze Reihe von Punkten. So bilde die Potenzialanalyse für den eigenwirtschaftlichen Ausbau keineswegs die Wirklichkeit ab.

„Schaut man sich die entsprechende Deutschlandkarte an, sieht vieles nach einem Paradies für den eigenwirtschaftlichen Ausbau aus, da immer ganze Gebiete betrachtet werden, teilweise sogar nur auf Ebene der Landkreise beziehungsweise Verbandsgemeinden. Ausgeblendet wird dabei, dass eine Unterversorgung oft nur einzelne Adresspunkte wie den Aussiedlerhof oder das kleine Dorf weit draußen betrifft. Die werden aber über diese Analyse nicht erfasst und somit nicht berücksichtigt“, so seine Einschätzung.

Zudem habe sich laut Fieml die Marktsituation verändert: „Erste Investoren haben sich bereits vom deutschen Markt verabschiedet oder sind insolvent gegangen. Denn die Zinsen steigen und das Bauen wird teurer – wenn man überhaupt noch genügend Ressourcen für den Bau findet. Das macht Investitionen in das deutsche Glasfasernetz zunehmend unattraktiv.“

Verfahren schlecht aufgebaut

Zudem sei das Verfahren falsch aufgebaut. Zwar seien theoretisch mehr Adressen förderfähig, weil die Grenze auf 200 Mbit/s symmetrisch angehoben wurde. Ob das aber tatsächlich der Fall ist, steht frühestens in neun Monate nach Antragsstellung fest. Außer man befindet sich in der sogenannten Fast-Lane, die für Kommunen mit einer maximal schlechten Versorgung und sehr vielen weißen Flecken, also eine Versorgung unter 30 Mbit/s leben müssen.

„Bis dahin müssen eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen und umgesetzt werden. Das beginnt bei der Antragsstellung für Beratungsleistung, geht über den Branchendialog, die Markterkundung bis zur Vorvermarktung durch die teilnehmende Telekommunikationsunternehmen (TKU), die nun Pflicht werden soll. Danach folgen dann noch Ausschreibung und Vergabe bis dann irgendwann der Bau los geht. Kombiniert mit dem Förderstopp des vergangenen Jahres verlieren wir damit mindestens ein bis zwei Jahre im geförderten beziehungsweise kombinierten Ausbau“, stellt Fieml fest.

Förderung unzureichend

Zwar werde die für das Verfahren notwendige externe Beratung mit 50.000 Euro bezuschusst, das werde aber in vielen Fällen nicht reichen. Damit würden viele Kommunen und Stadtwerke gezwungen, in Vorleistung zu gehen – mit ungewissem Ausgang. Denn wie sich die Priorisierung der Anträge laut dem neuen Kriterienkatalog auf die Förderzusage auswirkt, ist absolut nicht absehbar.

Auch wenn ein Onlinerechner wohl die Chancen ermitteln soll, entscheiden nicht allein die Punkte, die erzielt werden, sondern auch die Anzahl der teilnehmenden Kommunen. Und das weiß man erst nach dem 30. September. Und erst nach Erhalt des eigentlichen Förderbescheides kann dann die Infrastrukturmaßnahme ausgeschrieben werden.

Dialog mit Telekommunikationsanbietern

Dass künftig ein Branchendialog mit den Telekommunikationsanbietern verpflichtend wird, begrüßt Fieml: „Genau das haben wir ja im vergangenen Jahr mit unserem Konzept für einen bedarfsorientierten Ausbau gefordert. Dass bereits erfolgreiche geführte Dialoge aber nicht anerkannt werden, wenn sie mehr als sechs Monate zurückliegen, ist nicht nachvollziehbar.“

Trotz aller Vorgaben, die eine Bedarfsorientierung stärken sollen, sieht er die Gefahr, dass der Ausbau nicht entsprechend gesteuert wird. „Denn die Mechanik sieht vor, dass Gebiete, bei denen eine Vorvermarktung nicht erfolgreich war – also anscheinend kein Bedarf bei den Bürgern vorhanden ist, unterstellt man mal ein professionelles Vorgehen im Vertrieb –, dann förderfähig werden. Dies geht an einer bedarfsorientierten Förderung leider voll vorbei. Es kann immer noch passieren, dass der unterversorgte Hühnerstall mit Glasfaser ausgestattet wird, während ganz Gemeinden abgehängt bleiben, weil ihre Punktezahl zu niedrig war“, so sein Fazit.

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  • Dirk Fieml, CEO von tktVivax

    Dirk Fieml, CEO von tktVivax

    Bild: tktVivax

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