Üblicherweise nutzt man die Ladung von Elektronen, um Information in elektronischen Geräten zu speichern und zu verarbeiten. Bei der Spintronik setzt man stattdessen auf das magnetische Moment oder auf kleine Magnetwirbel, sogenannte Skyrmionen – das Ziel dabei sind kleinere, schnellere und nachhaltigere Computer. Um die Speicherdichte abermals nach oben zu treiben, sollen die Skyrmionen künftig nicht nur zweidimensional vorliegen, sondern auch die dritte Dimension erobern.
Forschende vom Institut für Physik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) konnten nun komplexe dreidimensionale Skyrmionen, sogenannte hybride Skyrmionenröhren, in synthetischen Antiferromagneten erzeugen und erstmalig nachweisen, dass sich diese Skyrmionenröhren anders bewegen als zweidimensionale Skyrmionen. „Interessant sind die dreidimensionalen Skyrmionen unter anderem für das Quantencomputing und das Brain-inspired Computing – hier ist die höhere Speicherdichte, die sich durch die dritte Dimension ergibt, unerlässlich“, sagt Mona Bhukta aus der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Mathias Kläui.
Wie ungleichmäßig verdrillte Skyrmionen die Datenspeicherung verändern
Zwar sind die Skyrmionen Magnetwirbel, doch verhalten sie sich wie Teilchen. Das heißt unter anderem: Sie lassen sich mit elektrischem Strom bewegen. Meist werden die Skyrmionen in dünnen magnetischen Schichten und damit in zwei Dimensionen erzeugt, auch wurden bereits erste dreidimensionale Skyrmionenröhren nachgewiesen. Doch waren diese 3D-Skyrmionen gleichmäßig verdrillt, man spricht von homogener Chiralität. Damit bewegen sie sich auf die gleiche Weise wie die Skyrmionen in zwei Dimensionen und bieten keinen Mehrwert für die Datenspeicherung, da sich ihre Information ebenso gut auf einer Ebene darstellen lässt.
„Wir konnten nun Skyrmionenröhren in synthetischen Antiferromagneten erzeugen – also in Materialien, die kein magnetisches Streufeldfeld im Außenraum hervorrufen – und erstmalig nachweisen, dass sich diese Skyrmionenröhren gänzlich anders bewegen als Skyrmionen in zwei Dimensionen“, sagt Bhukta. Der Grund dafür liegt in der Struktur der neuen Skyrmionenröhren: Sie sind anders als die bisher erzeugten nicht gleichmäßig, sondern ungleichmäßig verdrillt. Das führt dazu, dass sie sich – vereinfacht gesagt – in den verschiedenen Schichten unterschiedlich bewegen und so eine Torsionsschwingung ausführen. Diese Bewegungsunterschiede lassen sich für die Informationsspeicherung nutzen – sie eröffnen damit quasi eine dritte Dimension für die Datenspeicherung.
Forschungsnetzwerk macht dreidimensionale Skyrmionen sichtbar
Hergestellt wurden die neuen Skyrmionenröhren an der JGU, ihre dreidimensionale Struktur wurde am Forschungszentrum Jülich nachgewiesen. Um die Bewegung der Skyrmionenröhren zu untersuchen, kamen die Synchrotronquellen BESSY II am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie sowie die „Swiss Light Source“ des Paul Scherrer Instituts in Villigen, Schweiz, zum Einsatz.
Wichtig sind die Ergebnisse unter anderem für das sogenannte Brain-inspired Computing: Daten sollen dabei nicht über digitale Elektronik, sondern über Neuronen, also Nervenzellen, und Synapsen verarbeitet werden – mit dem Ziel, leistungsfähigere, energieeffizientere und flexiblere Systeme für komplexe Aufgaben zu schaffen. „Mit dreidimensionalen Skyrmionen lassen sich Neuronen besser nachahmen“, sagt Bhukta. „Auch im Quantencomputing ist der Schritt in die dritte Dimension unerlässlich.“