Alle Komponenten über ein Kabel Fail Safe over EtherCAT: Vorteile in der Praxis

Integrierter Servomotor mit Somanet Circulo Servoantrieb

Bild: Synapticon
11.10.2022

Mit FSoE kann EtherCAT in der Robotik die funktionale Sicherheit gewährleisten. Nikolai Ensslen, CEO von Synapticon, und Peter Brinkmann, CEO von Brinkmann Electronic, erklären, worauf es in der Praxis ankommt.

Autonome Mobile Roboter (AMR), Fahrerlose Transportsysteme (FTS) oder Automatic Guided Vehicles (AGV) sind in komplexen Produktionsstraßen und großen Waren- und Materiallagern immer häufiger im Einsatz. Autonome selbstfahrende Systeme könnten aber auch in anderen Umgebungen wertvolle Dienste leisten und etwa die Effizienz von Arbeitsabläufen deutlich steigern.

Konventionelle AGVs, also Systeme der ersten Generation, sind jedoch meist vollgepackt mit verschiedensten Komponenten und Kabeln, hinzu kommt der Platzbedarf für die Batterie. Dies führt dazu, dass oft eklatante Platznot im Inneren herrscht oder die Systeme entsprechend groß dimensioniert sind. Die zahlreichen unterschiedlichen Komponenten erfordern zudem viel Abstimmungsarbeit bei Energiemanagement, Steuerung und Konstruktion.

Dadurch ist auch die Wartung aufwändig, so dass die Wirtschaftlichkeit für den Einsatz abseits großer Produktions- und Logistikstätten nicht gegeben ist. Die Größe und Komplexität der Systeme erschwert Anwendungsszenarien bei kleineren Platzverhältnissen oder weniger finanzstarken Unternehmen. Die Technologie muss also schlanker werden. Ein wesentlicher Aspekt und eine große Herausforderung war bislang jedoch die unverzichtbare Integration von Safety-Funktionen.

Next-Generation-AGVs sind kompakt und effizient

AGVs der nächsten Generation könnten nun die Einsatzmöglichkeiten erweitern. Die entscheidende Neuerung liegt in der einfachen Verbindung aller Komponenten über ein einziges Kabel und Protokoll: Fail Safe over EtherCAT . In den kompakten und energieeffizienten Systemen sind Getriebe, Motor, Geber, Servoregler, Laserscanner, Steuerungshardware und Software so aufeinander abgestimmt und verbunden, dass eine intelligente und sichere Motion Control mit wesentlich weniger Mitteleinsatz und Platzbedarf möglich wird.

Das AGV der nächsten Generation bedarf deutlich weniger Komponenten sowie erheblich weniger Verkabelung im Inneren – ein signifikanter Unterschied zu den konventionellen Lösungen. Dadurch wird die Entwicklung deutlich vereinfacht, die Herstellung schlanker und die Wartung einfacher. Das eingesparte Volumen lässt sich entweder nutzen, um die AGVs in Summe kleiner zu konstruieren oder leistungsfähigere Batterien einzubauen. Somit punktet ein solches System mit einer größeren Reichweite und erfordert weniger Standzeiten.

Safety in AGV und Robotik

Ein entscheidendes Thema bleibt Safety. Robotische Systeme rücken immer näher an den Menschen heran. Das gilt insbesondere für Cobots, aber auch für klassische Industrieroboter. Gerade in Umgebungen, in denen sich die Wege der mobilen Roboter und der menschlichen Fachkräfte kreuzen, ist funktionale Safety unverzichtbar. Die FSoE-Technologie erlaubt die einfache Integration zuverlässiger Safety-Funktionen wie Safely Limited Speed (SLS), Safe Limited Postion (SLP), Safe Stop 1 (SS1) und Safe Stop 2 (SS2).

FSoE avanciert damit von digitaler Seite zum wichtigsten Enabler für effiziente Safety, man spricht hier von Feldbus-Safety. Ohne FSoE ist für die Integration von Safety-Funktionen eine immense Zahl an Kabeln und E/As erforderlich. Bei herkömmlichen AGVs findet sich an jeder Achse neben dem Standard-Encoder ein Sicherheits-Encoder, jeweils mit Kabel, und eine Sicherheits-Bremse, ebenfalls mit entsprechendem Kabel. Hinzu kommen bei Cobots noch mit ebenfalls hohem Kabeleinsatz Kraft-/ Momentensensoren sowie Eingabetasten zum Anlernen.

Mit FSoE lassen sich alle Funktionen mit wesentlich weniger Aufwand integrieren. Bisher gab es jedoch keine universelle Komplettlösung bei der dies umgesetzt wurde, auch wenngleich einige Hersteller von AGVs und Cobots proprietäre Lösungen entwickelt haben. Der Embedded-Systems-Spezialist Synapticon hat diesen Ansatz jüngst als massentaugliches Standardprodukt realisiert, als einer der ersten Anbieter im Bereich Integrated Motion. FSoE steht damit nun in der Embedded-Regler-Klasse zur Verfügung, die für Cobots und AGVs geeignet ist.

FSoE ist eine verhältnismäßig neue, weniger komplexe Architektur für die gesamte Robotik, speziell für mobile Roboter mit Manipulator. Dies ermöglicht den Aufbau von Hybridsystemen aus Cobot und AGV, also einen Roboterarm auf einer fahrenden Plattform mit nur einer Steuerung. Die bisherigen Alternativen zu FSoE waren beispielsweise PROFIsafe (Safety Controller) oder CAN-Bus als serielles Bus-System in sicherheitskritischen Systemen. EtherCAT hat sich im Robotik-Bereich jedoch als der Standard für Robotersteuerung durchgesetzt. FSoE macht EtherCAT nun Safety-fähig, und das nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis. EtherCAT unterstützt anders als CAN eine hohe Bandbreite und Datenrate bei geringer Latenz, was für den Einsatz von Robotersystemen nahe an oder mit Menschen unabdingbar ist.

EtherCAT und FSoE sind nicht nur standardisiert, auch in der Produktvielfalt sind sie führend im Markt. Die internationale EtherCAT Community wächst ständig und die Zahl der EtherCAT Produkte mit Safety Funktionen und FSoE nehmen stetig zu. Die diesjährigen Messen, wie z.B. die Hannover Messe oder die Automatica, haben dies eindrucksvoll gezeigt.

Durch das breite Spektrum der Produkte kann der Anwender zwischen unterschiedlichen Anbietern wählen und ist nicht auf einen Hersteller festgelegt. Der Anwender wird unabhängiger, ein großer Vorteil in der heutigen Marktsituation, in der es strategisch wichtig ist, Komponenten austauschen zu können.

„Ich erfahre aus vielen Gesprächen, dass zahlreiche aktuelle und innovative Produktentwicklungen von Beginn an auf EtherCAT und FSoE setzen“, berichtet Peter Brinkmann, CEO von Brinkmann Electronic.

Wie sich Kabel, Komponenten, Platz und Gewicht einsparen lassen

Synapticon verfügt ab sofort über ein umfassendes Portfolio an hoch-kompakten Servoantrieben, deren Sicherheit vom TÜV SÜD zertifiziert ist. Das jüngste Zertifikat bestätigt nun auch die funktionelle Sicherheit hinsichtlich STO (Safe Torque Off) als auch SBC (Safe Brake Control) der neuen Somanet Circulo-Serie. FSoE sorgt dabei für höhere Effizienz und Sicherheit, egal für welchen Zweck, wie Temperatur, Feuchtigkeit, Kraft, Geschwindigkeit ein Sensor eingebunden werden soll.

Besondere Ansteuerungs- und Regelungstechnologie sorgt dabei dafür, dass selbst im Betrieb auf kleinster Fläche möglichst wenig Wärme entsteht. Davon profitieren der Leistungsgrad und die Energieeffizienz, was für Hersteller von Robotern und Automationskomponenten, aber auch Maschinenbauer, die auf zertifizierte Sicherheitstechnologie angewiesen sind, wichtig ist.

Die Antriebe von Synapticon werden in Motor- und Getriebeeinheiten mechanisch integriert. Dies ist ein weiterer Schritt, der Platz, Gewicht, Kabel und Installation spart. Durch weniger Arbeitsschritte wird der Fertigungsprozess optimiert. Durch Reduzierung der Komponentenanzahl sinkt die Komplexität im Einkauf und in der Lagerhaltung.

Wie Antriebe und Sensorik sicher miteinander verknüpft werden können

Brinkmann Electronic ist ein Dienstleistungsentwickler mit viel Erfahrung in Motion und Safety. Brinkmann Electronic bietet mit dem Produkt bel.guard eine Plattform für die sichere Motion Control. Bel.guard verfügt über einen FSoE Master und kann damit eine größere Zahl von Sensoren und Antrieben auf sichere Art und Weise zentral auswerten und ansteuern. Integrierte Sicherheitsfunktionen zur Überwachung, Stoppfunktionen und eine einfache Logik können optimal an Mehrachssysteme adaptiert werden. Dies bildet beispielsweise die Grundlage für die Sicherheitsarchitektur des gesamten Roboters oder AGV.

Die Technologien von Synapticon und Brinkmann Electronic sind gut aufeinander abgestimmt und können optimal zusammenarbeiten. Desweiteren ist bel.guard auch in der Lage weitergehende Fremdsensorik und EtherCAT Technologien mit zu integrieren.

Demo-System als Praxisbeispiel

Wie diese Komponenten im Zusammenspiel mit Hardware und Software funktionieren, zeigt ein für die SPS 2021 aufgebautes Demo-System. Hier kommen die Servoantriebe und Encoder von Synapticon gemeinsam mit der Safety-Software von Brinkmann Electronic zum Einsatz. Das System wird komplettiert durch Sicherheitssensorik, Industrie-PC und Motor- / Getriebeeinheiten.

Die grundlegende Integrated Motion-Technologie von Synapticon und die Auswertungsplattform bel.guard von Brinkmann Electronic Berlin, die hierbei eine zentrale Rolle spielen, erweisen sich in diesem Kontext als besonders flexibel. Zahlreiche Kombinationen mit kompletten Achsen mit oder ohne Getriebe von weiteren renommierten Herstellern sind ebenfalls möglich.

„Durch gemeinsame Anstrengung und Nutzung der offenen Schnittstellen wurde mit diesem Demo eine neue Lösungsqualität aufgezeigt, die ein völlig neues Denken ermöglicht“, erklärt Peter Brinkmann.

Zertifizierte funktionale Sicherheit jetzt auch mittels FSoE

Im Kleinspannungsumfeld werden künftig Lösungen gefragt sein, die zertifizierte STO- und SBC Sicherheitsfunktionen kombinieren. Daher ist es der richtige Schritt, die zertifizierte funktionale Sicherheit von Safe-Motion-Funktionen wie SLS (Safely Limited Speed), SP (Safe Position), SLT (Safely Limited Torque) auf Feldbus-Safety mittels FSoE zu erweitern. Einige Hersteller entwickeln bereits Produkte, die massiv auf dieser nächsten Safety-Stufe aufbauen.

Ultrakompakte, hochleistungsfähige Servoantriebe sind für integrierte Achsdesigns in der Robotik und für Motion-Komponenten im anspruchsvollen Maschinenbau vorgesehen. Sie kommen in Roboterarmen, Servicerobotern, immer mehr Maschinen und auch bei automatisierten Logistiklösungen zum Einsatz. FSoE liefert nun einen entscheidenden Pluspunkt in Sachen Safety. Der Einzug von FSoE in die Robotik bedeutet, dass kein Bedarf mehr an proprietären Systemen besteht. Die Möglichkeiten, die FSoE speziell im Safety-Bereich bietet, sind nun tatsächlich als Standard verfügbar. Dadurch sinken die Kosten auf Systemebene, bei höherer Skalierbarkeit und Flexibilität. Das sind die Faktoren, auf die es in der Praxis letztlich ankommt.

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