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Raspberry Pi in der Industrie „Es ist einfach Zeit für Open Source“

Auf Dauer werden sich proprietäre Systeme nicht mehr tragen. Offene System sind nötig.Volker de Haas Projektleiter der Revolution Pi, Kunbus

Bild: Kunbus
13.12.2016

Volker de Haas leitet die Entwicklung des Revolution Pi bei Kunbus. Im Interview spricht er über den schlechten Ruf des Raspberry Pi in der Industrie, wie man damit trotzdem IPCs Konkurrenz machen kann und wieso Open Source gerade für Mittelständler interessant ist.

A&D:

Wieso setzt Kunbus auf den Rasp­berry Pi?

de Haas:

Der Raspberry Pi hat eine riesengroße Community. Über 10 Millionen Geräte sind weltweit verkauft. Dementsprechend gibt es dafür auch unwahrscheinlich viele Softwarelösungen, die man nutzen kann. Deswegen haben wir uns für ihn als Grundlage entschieden.

Der Raspberry Pi gilt als ungeeignet für die Industrie, sie nutzen ihn als Basis für den Revolution Pi. Ist er doch industrietauglich?

Nein. Mit kleinen Rechnern, wie dem Raspberry Pi oder dem Arduino, kann man tolle Sachen machen. Sie eignen sich aber so wie sie sind nicht für die Industrie. Wir wollen diese sehr populären Plattformen an die Industrietauglichkeit heranführen. Natürlich möchten wir damit auch den Rückenwind und die vielen Softwarelösungen des Raspberry Pi mitnehmen. Dafür mussten wir die Hardware so anpassen, dass sie sich in der Industrie einsetzen lässt.

Was haben Sie verändert?

Wir verwenden keine originale Raspberry-Pi-Platine, wir verwenden das Compute Module. Das besteht lediglich aus dem System-on-Chip von Broadcom und einen eMMC-Chip, also einem Speicherbaustein. Alles andere, also zum Beispiel die ganze I/O, ist die Aufgabe der Mutterplatine auf der das Compute Module verbaut wird. Deshalb hatten wir die Freiheit, dort ganz anders vorzugehen, was etwa die Stromversorgung oder die Anordnung der Anschlüsse angeht. Beim gewöhnlichen Raspberry Pi sind die Anschlüsse um alle vier Kanten verteilt. Das ist nicht so günstig. Auch der Pfostensteckverbinder, den im Bastel- und Maker-Bereich jeder verwendet um GPIOs anzusprechen, hat unser Gerät nicht, da er nicht industrietauglich ist. Das original Raspbian, das gerne als Betriebssystem für den Raspberry Pi verwendet wird, lässt sich nicht eins zu eins in der Industrie einsetzen. Wir verwenden deshalb einen Realtime-Patch auf dem Kernel.

Mit welcher durchschnittlichen Lebensdauer rechnen Sie bei dem angepassten Design?

Das ist schwierig zu beantworten. Wir legen an die Revolution-Pi-Geräte dieselben Maßstäbe an, wie an unsere anderen Industrieprodukte. Verwenden die selben Tests. Wir gehen deshalb davon aus, dass ihre Lebensdauer der unserer anderen Geräte entspricht.

Trotz dieser Änderungen bleibt der schlechte Ruf des Raspberry Pi in der Industrie. Wieso glauben Sie, dass der Revolution Pi angenommen wird?

Wir schließen das aus den Reaktionen, die uns bisher erreichten. Seitdem Gerüchte über den Revolution Pi durchgesickert sind, wurden wir überhäuft mit Anfragen von Firmen. Das interessante ist, dass viele von ihnen unser System offenbar gar nicht als Steuerung benutzen wollen, sondern den Revolution Pi Core als kleinen IPC vorsehen. Das hatten wir ursprünglich als eine Art Abfallprodukt gesehen, den Core ohne I/Os zu betreiben. Im Moment zeichnet sich aber ab, dass das ein großes Anwendungsfeld sein wird.

Sie rechnen damit, traditionellen IPCs Konkurrenz machen zu können?

Ich bin mir ziemlich sicher aufgrund der Anfragen, die wir bekommen haben. Es gibt natürlich massenhaft IPCs, auch in der Größe und leistungsfähiger als der Revolution Pi Core. Nur hat sich herausgestellt, dass er aufgrund des Preises und der Tatsache, dass er völlig offen und kompatibel zum Raspberry Pi ist, für viele Firmen den idealen IPC darstellt. Gerade die riesige Softwareauswahl für den Raspberry Pi spielt dabei eine große Rolle.

Wen möchten Sie damit ansprechen?

Als wir angefangen haben, hatten wir sehr stark die Maker im Blickfeld. Es haben aber sehr schnell große internationale Konzerne bei uns angefragt, die sehr gerne mit dem System arbeiten möchten. Teilweise noch hinter vorgehaltener Hand, weil nicht alle Welt wissen soll, dass sie mit einem Raspberry Pi arbeiten. Gewisse Vorbehalte gibt es schon noch. Aber es sind viele sehr interessante Kontakte entstanden, zum Beispiel mit Teamviewer. Die Firma hat uns gebeten, dass wir ihnen Geräte stellen. Sie möchten in Zukunft im Teamviewer-Fenster auch Revolution-Core-Geräte anzeigen. Ich denke deshalb, die Makerszene wird für die Variante, die wir jetzt herausbringen, eine untergeordnete Rolle spielen.

Werden Sie auch ein Gerät für die Home-Automation herausbringen?

Das ist für Frühjahr 2017 geplant. Wir werden nächstes Jahr auf der Embedded World einen Prototyp der Home-Serie vorstellen. Der eignet sich dann auch deutlich besser für die Maker-Szene. Die braucht in der Regel zum Beispiel keine 24 V, das stört sogar eher. Lieber arbeitet man komplett mit 12 V. Auch der Preis wird ein gutes Stück niedriger sein.

Sie haben die vorhandene Softwarevielfalt für den Raspberry Pi angesprochen. Ist das der Hauptgrund für den offenen Ansatz?

Es ist einer der Gründe. Es ist aber auch einfach Zeit für Open Source in der Industrie. Entwickler haben ständig mit geschlossen Systemen zu kämpfen. Das Ganze krankt daran, dass ein runder Tisch von Großunternehmen sich darüber streitet, welche Namen und wiederum geschlossenen Systeme entwickelt werden, um miteinander Daten auszutauschen. Es gibt aber haufenweise kleine und mittelständische Unternehmen, die fantastische Software-Lösungen anbieten und bei denen Cloud-Anwendungen und Wertschöpfungsverlagerung in die Cloud schon heute Realität sind. Dafür sind offene Ansätze notwendig. Auf Dauer werden sich proprietäre Systeme, mit denen Hersteller ihre Kunden im Prinzip an sich binden, nicht mehr tragen. Wir wollen einen anderen Weg gehen.

Welche Cloud-Services sind denn geplant?

Wir bieten von Beginn an einen SMS-Service an, der dem Nutzer eine SMS schickt, sobald auf dem Gerät zum Beispiel ein Alarm losgeht. Diese Dienstleistung ist ab einer gewissen Menge von SMS gebührenpflichtig. Wir rechnen dadurch mit wiederkehrenden Umsätzen. Nach und nach werden dann zusätzliche Services dazukommen. Die Cloud-Anbindung des Revolution Pi halten wir für sehr wichtig.

Außer dem Raspberry Pi gibt es auch andere prominente Bastelrechner. Planen Sie vergleichbare Geräte mit anderen Vertretern?

Zurzeit nicht. Die Reichweite des Raspberry Pi ist einfach sehr viel höher als die anderer Rechner. Wir haben außerdem noch das Compute Module 3 von Raspberry in der Schublade. Das hat einen 4-Kern-Prozessor, der deutlich leistungsfähiger ist als der jetzige. Möglicherweise wird dieses Compute Module als Upgrade allen Usern zur Verfügung stehen, die ein Compute Module 1 eingebaut haben. Wichtig ist uns aber noch, den Arduino-Bereich abzudecken. Deshalb werden wir nächstes Jahr ein Subsystem für den Revolution Pi herausbringen, das kompatibel zum Arduino ist.

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