Wasserspaltung frisst mehr Energie als berechnet Energiebarriere beim Wasserstoff: Wassermoleküle im Salto

Chemiker haben entdeckt, dass Wassermoleküle ihre Orientierung ändern, bevor sie sich in Wasserstoff und Sauerstoff spalten. Diese Entdeckung erklärt, warum die Reaktion grundsätzlich ineffizient ist, und ebnet den Weg für eine effizientere Erzeugung sauberer Energie.

Bild: DALL·E / publish-industry
05.05.2025

Trotz ihres Potenzials für die grüne Wasserstoffproduktion bleibt die Wasserspaltung energetisch ineffizient – vor allem wegen eines bislang unterschätzten Effekts auf molekularer Ebene. Ein Forschungsteam der Northwestern University hat nun gezeigt, dass das „Umkippen“ der Wassermoleküle vor der Sauerstofffreisetzung eine zentrale Rolle spielt.

Während die weltweite Suche nach nachhaltigen Energielösungen zunimmt, bleibt die Wasserspaltung ein vielversprechender Ansatz zur Erzeugung sauberer Wasserstoffbrennstoffe. Der Prozess der Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff ist jedoch grundsätzlich ineffizient und benötigt viel mehr Energie als theoretisch vorhergesagt.

Forscher klären Stolperstein

Chemiker der Northwestern University haben nun eine molekulare Erklärung für diese Diskrepanz gefunden. Im entscheidenden Moment, bevor sie Sauerstoffatome abgeben, vollführen die Wassermoleküle einen unerwarteten Trick: Sie kippen um. Nachdem das Team die Drehung der Wassermoleküle beobachtet hatte, berechneten sie den genauen Energieaufwand für diesen kritischen Schritt. Es zeigte sich, dass dieser akrobatische Akt wesentlich zum Effizienzengpass bei der Wasserspaltung beiträgt.

Eine weitere Entdeckung: Eine Erhöhung des pH-Werts senkt den Energieaufwand und trägt so zu einer höheren Effizienz des Prozesses bei. Diese neuen Erkenntnisse könnten den Forschern helfen, für zukünftige Marsmissionen neue Wege zu finden, um die Energiebarriere für die Herstellung von sauberem Wasserstoff als Treibstoff und für die Produktion von atembarem Sauerstoff zu senken.

„Bei der Wasserspaltung laufen zwei Halbreaktionen ab“, erklärt Franz Geiger von der Northwestern University, der die Studie leitete. „Eine Halbreaktion erzeugt Wasserstoff, die andere Sauerstoff. Die Halbreaktion, bei der Sauerstoff entsteht, ist wirklich schwierig durchzuführen, weil alles genau aufeinander abgestimmt sein muss. Letztendlich wird mehr Energie benötigt als theoretisch berechnet. Rechnet man nach, müsste man 1,23 Volt benötigen. Tatsächlich sind es aber eher 1,5 oder 1,6 Volt. Diese zusätzliche Spannung bereitzustellen kostet Geld, und deshalb wurde die Wasserspaltung noch nicht in großem Maßstab umgesetzt. Wir meinen, dass die zum Umdrehen des Wassers benötigte Energie erheblich zu diesem zusätzlichen Energiebedarf beiträgt. Indem wir neue Katalysatoren entwickeln, die das Umdrehen des Wassers erleichtern, könnten wir die Wasserspaltung praktikabler und kostengünstiger machen.“

Versprechen und Herausforderungen der Wasserspaltung

Angesichts der fortschreitenden Klimaerwärmung interessieren sich Wissenschaftler zunehmend für die Wasserspaltung, um sauberen Wasserstoff als Alternative zu fossilen Brennstoffen zu gewinnen. Dazu bringen die Wissenschaftler Wasser an eine Elektrode und legen eine Spannung an. Der dabei entstehende Strom spaltet die Wassermoleküle ohne unerwünschte Nebenprodukte in zwei Bestandteile: Wasserstoff und Sauerstoff. Damit können die Forscher Wasserstoff als Treibstoff gewinnen oder in energieeffizienten Brennstoffzellen wiederverwenden.

Obwohl die Wasserspaltung eine wichtige Rolle in einer zukünftigen sauberen Energiewirtschaft spielen könnte, ist sie mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert. Das Hauptproblem besteht darin, dass der Sauerstoffanteil der Reaktion, die so genannte Sauerstoffentwicklungsreaktion (OER), schwierig und ineffizient sein kann. Obwohl die Reaktion mit Iridium als Elektrode am effizientesten ist, benötigen die Wissenschaftler laut Geiger kostengünstigere Alternativen.

„Iridium gelangt nur durch Meteoriteneinschläge auf die Erde, wie beispielsweise die berühmte Iridium-Anomalie an der Kreide-Paläogen-Grenze. Daher ist die Menge begrenzt“, sagte er. „Es ist sehr teuer und wird sicherlich nicht dazu beitragen, die Energiekrise in naher Zukunft zu lösen. Forscher suchen nach Alternativen wie Nickel und Eisen, und wir hoffen, Wege zu finden, diese Materialien genauso effizient – ​​wenn nicht sogar effizienter – als Iridium zu machen.“

„Optisches Äquivalent zu Kopfhörern mit Geräuschunterdrückung“

In der neuen Studie konzentrierten sich Geiger und sein Team auf Hämatit, ein preiswertes und häufig vorkommendes Eisenoxidmineral. Obwohl Hämatit ein vielversprechendes Material für OER ist, weist es – wie andere preiswerte Metalle – eine geringe Effizienz auf. Um herauszufinden, warum dies so ist, wandten die Forscher eine neue, hochentwickelte lichtbasierte Technik an, die als phasenaufgelöste Erzeugung der zweiten Harmonischen (PR-SHG) bezeichnet wird.

PR-SHG wurde in Geigers Labor entwickelt und ermöglicht es den Forschern, die Wechselwirkung von Wassermolekülen mit der Metallelektrode in Echtzeit zu beobachten. Für das Experiment platzierte das Team zunächst eine Hämatit-Elektrode in einem speziellen Wasserbehälter. Dann richteten sie einen Laser auf die Elektrodenoberfläche und maßen die Lichtintensität bei halber Wellenlänge. Mithilfe verschiedener optischer Komponenten – darunter Linsen, Spiegel und Kristalle – manipulierten die Forscher den Laserstrahl, um detaillierte Informationen zu erhalten.

„Unsere Technik ist das optische Äquivalent zu geräuschunterdrückenden Kopfhörern“, sagte Geiger. „Wir können konstruktive und dekonstruktive Interferenzen – die Phase des Photons – im Wesentlichen kontrollieren und daraus präzise quantifizieren, wie viele Wassermoleküle auf die Oberfläche zeigen und wie viele sich neu ausrichten und von ihr weg zeigen.“

Durch die Analyse von Amplitude und Phase der Signalphotonen konnte Geigers Team auf die Anordnung der Wassermoleküle schließen. Vor dem Anlegen der Spannung stellten die Forscher fest, dass die Wassermoleküle zufällig angeordnet waren. Als sie jedoch eine präzise Spannung an die Elektrode anlegten, beobachteten sie, wie sich die Wassermoleküle neu ausrichteten.

Quantifizierung der Energiehürde

Durch die direkte Beobachtung der Wassermolekülumkehr konnten die Forscher die Anzahl der umgekehrten Wassermoleküle und die damit verbundene Energie messen. Sie fanden heraus, dass die Umkehrung unmittelbar vor Beginn der OER stattfindet, was darauf hindeutet, dass dies ein notwendiger, nicht verhandelbarer Schritt im Prozess ist.

„Diese Elektroden sind negativ geladen, daher streben die Wassermoleküle danach, ihre positiv geladenen Wasserstoffatome zur Elektrodenoberfläche zu bewegen“, sagte Geiger. „In dieser Position ist der Elektronentransfer – von den Sauerstoffatomen des Wassers zum aktiven Zentrum der Elektrode – blockiert. Wir haben festgestellt, dass, wenn das elektrische Feld stark genug wird, die Moleküle umkippen, sodass die Sauerstoffatome zur Elektrodenoberfläche zeigen. Dann sind die Wasserstoffatome aus dem Weg, und die Elektronen können vom Sauerstoff des Wassers zur Elektrode wandern.“

Bei der Quantifizierung der eingesetzten Energiemenge stellten Geiger und sein Team fest, dass die zur Ausrichtung der Wassermoleküle benötigte Energie weitgehend der Energie entspricht, die flüssiges Wasser zusammenhält. Sie stellten außerdem fest, dass der pH-Wert des Wassers die Ausrichtung der Wassermoleküle beeinflusst. Während niedrige pH-Werte mehr Energie benötigten, um die Wassermoleküle in die richtige Ausrichtung zu bringen, machten höhere pH-Werte den Prozess dagegen effizienter.

„Bei einem pH-Wert unter neun wird kaum noch elektrischer Strom erzeugt“, sagte Geiger. „Die Wassermoleküle drehen sich zwar noch, aber die damit verbundene Arbeit ist so hoch, dass keine elektrochemischen Prozesse stattfinden.“

Fazit

In dieser Studie beobachtete Geigers Team die OER an einer Nickelelektrode. Die Forscher beobachteten dasselbe Verhalten: Wassermoleküle kippten unmittelbar vor Beginn der Reaktion. „Wir wissen jetzt, dass das Wasser-Flipping sowohl an Metall- als auch an Halbleiterelektroden stattfindet“, sagte Geiger. „Daher handelt es sich wahrscheinlich um ein allgemeineres Verhalten als zunächst angenommen. Jetzt können wir die Bedingungen optimieren, unter denen das Wasser-Flipping am einfachsten ist.“ Obwohl Nickel und Hämatit beides preiswerte und reichlich vorhandene Materialien sind, bietet Hämatit, ein Halbleiter, potenzielle Anwendungsmöglichkeiten als Photoanode und damit für die solare Wasseroxidation.

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„Ein wichtiges Ziel ist die Abkehr von fossilen Brennstoffen und die Hinwendung zu einer Wasserstoffwirtschaft“, sagte Geiger. „Eine seit langem verfolgte Idee ist die Verwendung eines Materials mit den richtigen elektrokatalytischen und optischen Eigenschaften. Durch Sonneneinstrahlung entstehen katalytisch aktive Zentren, die die elektrochemischen Prozesse steuern. Zwar muss für die elektrochemischen Prozesse weiterhin Strom angelegt werden, aber die Sonnenphotonen ermöglichen eine geringere Spannung. Und je geringer die Spannung, desto günstiger wird der Brennstoff. Unsere Studie zeigt, dass die Katalysatoroberflächen so angepasst werden müssen, dass sie das Wasser-Flipping erleichtern und den Elektronentransfer ermöglichen.“

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