Anlagenbau & Betrieb Der mit der Welle tanzt

19.09.2013

Bei Anwendungen mit erhöhtem Wellenschlag kommen Wellendichtringe aus Polytetrafluorethylen an ihre Grenzen. Abhebende Dichtlippen führen zu Leckage und Dichtungsausfall. Die Kombination von Wellendichtring mit flexiblem Faltenbalgelement bietet nun eine Alternative zu Gleitringdichtungen.

Wellendichtringe aus Polytetrafluorethylen (PTFE) haben sich über Jahrzehnte als zuverlässige Dichtelemente in der Prozess- und Lebensmittelindustrie etabliert. Ihre nahezu universelle chemische Beständigkeit gegenüber einer Vielzahl von Medien und Reinigungsmitteln und ihre Unempfindlichkeit auch bei hohen Temperaturen macht sie zur unersetzlichen Lösung in diesen anspruchsvollen Anwendungsfeldern. Allein das schlechte Rückstellverhalten von PTFE erfordert besonderes Augenmerk, wenn aufgrund hoher Kräfte ein erhöhter Wellenschlag zu erwarten ist. Bei üblichen PTFE-Wellendichtringen kommt es in diesem Zusammenhang oft bereits bei niedrigen Drehzahlen zu einem Abheben der Dichtlippe und somit zu Leckage. Standardbauformen können in diesen Fällen nicht mehr eingesetzt werden und man wechselt dann meist zu wesentlich kostenintensiveren Gleitringdichtungen.

Wellendichtring im Baukastenprinzip

Eine neuartige Kombination von Funktionselementen von PTFE-Wellendichtringen einerseits und PTFE-Faltenbälgen andererseits bietet einen interessanten Lösungsansatz für diese schwer beherrschbaren Anwendungsfelder. Mit sechs unterschiedlichen Bauformen dichtet der Simmerring Radiamatic HTS II (HTS = High Temperature and Speed) nahezu alle gängigen Anwendungsfelder in allen Industriezweigen zuverlässig ab. Dabei können sowohl die Art und Anordnung der Dichtlippen als auch der PTFE-Werkstoff auf den einzelnen Anwendungsfall nach dem Baukasten-Prinzip abgestimmt werden. Das ist der entscheidende Vorteil der drehtechnischen Herstellung der Einzelkomponenten. Die bevorrateten Abmessungen bieten eine wirtschaftliche und schnelle Lösung für Standardanwendungen. Aber auch individuell angepasste Sonderlösungen für Anwendungen mit höherem Leistungsanspruch sind schnell und ohne Formkosten umsetzbar. Aufgrund des totraumarmen Designs kommt der Wellendichtring besonders in Mischern und Knetern in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie zum Einsatz. Auf der Medienseite hat der HTS II eine homogene PTFE-Oberfläche, welche anti-adhäsiv wirkt und der aggressive Medien und Reinigungsmittel nichts anhaben können. Eine große Auswahl an PTFE-Compounds steht zur Verfügung, um die Anforderungen an Verschleißfestigkeit, Reibwerte oder Wärmeleitfähigkeit optimal zu erfüllen. Die daraus resultierende Steigerung der Leistungsgrenzen und verlängerte Lebensdauer führen bei den eingesetzten Aggregaten zu einer Produktivitätssteigerung.

Einsatz von Faltenbälgen

Zum Ausgleich von temperaturbedingten Dehnungen und Verschiebungen in Rohrleitungssystemen werden PTFE-Faltenbälge genutzt. In Pumpen erfüllen sie die Funktion von Dichtelementen. An den Verbindungen zwischen Apparaturen, Tanks, Kesseln und Rohrleitungen dienen sie zur Aufnahme von Vibrationen. Darüber hinaus werden sie in korrosiver Umgebung als Schutz von Stangen und Spindeln eingesetzt. PTFE-Faltenbälge profitieren von der universellen Chemikalienbeständigkeit der eingesetzten PTFE-Compounds und deren Beständigkeit gegenüber hohen Temperaturen.

Abheben von Dichtlippen

Die Standardbauformen des Simmerring Radiamatic HTS II decken bei der Mehrzahl der Anwendungen die an die Dichtung gestellten Anforderungen ab. Darüber hinaus gibt es Anwendungsfelder, die eine entsprechend angepasste Lösung benötigen. In einem besonderen Fall war es die Forderung nach einem deutlich höheren Leistungsvermögen hinsichtlich der dynamischen Eigenschaften der Dichtlippe. Aufgrund hoher Kräfte am Rührer in Mischern und Knetern kann es zum Durchbiegen der Mischwelle kommen. Dieses Durchbiegen verursacht ein Taumeln der Welle, was einen stark erhöhten Wellenschlag nach sich zieht. Das begrenzte Rückstellverhalten von PTFE-Dichtlippen führt deshalb zum Abheben der Dichtlippe, was eine merkliche Leckage zur Folge hat. Aus diesem Grund wird der Einsatz von PTFE-Wellendichtringen in diesem Umfeld nicht empfohlen - meist kommen hier dann Gleitringdichtungen zum Einsatz.

Kombination von Funktionselementen

Es entstand nun die Idee, Funktionselemente des Radiamatic HTS II und der PTFE-Faltenbälge zu kombinieren, um ein Bauteil mit flexiblem Design und definierter Dichtlippe zu entwickeln. Der wichtigste Ansatz hierbei ist das Trennen der PTFE-Dichtlippe vom starren Dichtkörper durch eine flexible Verbindung. Für das Verbindungselement wurde das Prinzip eines Faltenbalgs genutzt. Um die entstehende Energie direkt in die Falten abzuleiten, wurde die Dichtlippe noch um einen Gleitring erweitert. Durch diesen wird der maximale Wellenschlag, der auf die Dichtlippe wirkt, festgelegt und toleriert. Alle stärkeren Wellenschläge werden dann durch den Gleitring direkt in die Falten des Wellendichtrings geleitet und absorbiert. Das so entwickelte HTS II-EWS-Dichtelement kann bei Umfangsgeschwindigkeiten von bis zu 1m/s einen Wellenschlag von bis zu ±0,5mm kompensieren und übersteigt damit die gängige Toleranz von PTFE-Wellendichtringen um ein Vielfaches. Auch können Drücke von bis zu 3bar mit dieser Dichtung zuverlässig abgedichtet werden.

Eigenschaften der Klemmringtechnologie

Die Klemmringtechnologie der Standard-HTS-II-Lösung sorgt für einen sicheren Sitz, Sekundärdichtigkeit und eine einfache Montage. Die Forderung nach einfacher Reinigung und Keimfreiheit wird erfüllt - die Lösung ist totraumarm und medienseitig ist ausschließlich PTFE. Mit FDA-konformen und USP-Class-VI-(121°C)-erfüllenden PTFE-Compounds ist diese Lösung für den Einsatz in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie bestimmt (FDA = Food and Drug Administration; USP = United States Pharmacopeia). Auch ist der Werkstoff für Trockenlauf und für ungehärtete Wellen geeignet. Die einzelnen Komponenten werden drehtechnisch hergestellt, sodass eine wirtschaftliche Fertigung auch für kleine Stückzahlen gegeben ist. Die Lösung kann auch an bestehende Einbausituationen angepasst werden. Einzig die Gesamtbauhöhe von etwa 35mm muss berücksichtigt werden, davon sitzen 10 bis 12mm im Gehäuse.

Simmerring für erhöhten Wellenschlag

Der Simmerring Radiamatic HTS II EWS für erhöhten Wellenschlag wurde entwickelt, um das schlechte Rückstellverhalten von PTFE-Wellendichtringen zu kompensieren. Der EWS verbindet Dichtlippe und Klemmringtechnologie des Radiamatic HTS II mit Faltenbalgelementen und einem Gleitlager. Die aufgestellten Falten verhelfen dem Wellendichtring zu einer höheren Flexibilität, um die durch die Gleitfläche übertragene Bewegungsenergie zu absorbieren. Das neuartige Design bietet somit eine wirtschaftliche und totraumarme Lösung für den Einsatz in horizontalen und vertikalen Mischsystemen.

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