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Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse einbeziehen Alle wollen es digital ... oder doch nicht?

Mitarbeiter wollen häufig in den Digitalisierungsprozess ihres Unternehmens einbezogen werden. Wenn es jedoch um konkrete Entscheidungen geht, halten sich viele zurück.

Bild: iStock, francescoch
13.06.2019

Deutschland ist angeblich das Land der Digitalisierung – so hallt es von den Dächern. Viele digitale Helfer machen den Arbeitsalltag zunehmend leichter. Doch wie stehen die Mitarbeiter dazu und wie viel Mitbestimmung wünschen sie sich? Lars Vogel, Director New Work Experience Consulting, Technologies & Solutions bei T-Systems Multimedia Solutions, kommentiert das Verhältnis zwischen Wunsch und Realität bei der Digitalisierung.

Ganz oben auf der Liste mit den wichtigsten technischen Entwicklungen der letzten Jahre steht mit Sicherheit der Fortschritt im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Nicht nur sind wir jetzt in der Lage, vormals analoge Prozesse zu digitalisieren, wir können sie auch zunehmend automatisieren und vollkommen in die Hände der Technik geben. Lernfähige Algorithmen machen es möglich.

Laut einer Umfrage im Auftrag von T-Systems Multimedia Solutions unter gut 1.000 Arbeitnehmern aus den Bereichen Industrie und Handel in Deutschland finden 65 Prozent der Befragten die intelligente Technik ausgesprochen spannend und würden sie gerne mehr einsetzen. Besonders hierzulande, wo die Skepsis vor neuen Technologien wesentlich ausgeprägter ist als beispielsweise in den USA, ist das ein gutes Zeichen hin zu einer modernen Arbeitsweise.

Mitarbeiter wollen die Digitalisierung mitgestalten

Die Veränderung der Arbeitsweise macht auch vor den inneren Strukturen der Unternehmen keinen Halt. Allzu oft ist eine räumliche oder zeitliche Gebundenheit an den Arbeitsplatz nicht mehr zwingend erforderlich. Projekte werden eher in kleineren, agilen Teams umgesetzt und Hierarchien verändern oder lockern sich sogar.

Das ist alles durchaus im Sinne der Mitarbeiter. Mehr als die Hälfte aller an der Umfrage teilgenommenen Arbeitnehmer sind der Meinung, dass alle notwendigen Schritte rund um die Digitalisierung gemeinsam zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgearbeitet werden sollten. Knapp die Hälfte möchte sogar aktiv in Entscheidungen einbezogen werden – Mitarbeiter aus der Industrie sogar noch mehr als die Kollegen aus dem Handel.

Dieses Ergebnis zeigt wieder, wie wichtig ein umfassendes Change Management bei der Umstellung von Systemen und der Implementierung neuer Prozesse ist. Die Mitarbeiter wollen dabei sein, mitbestimmen und abgeholt werden und nicht einfach etwas Neues ohne Erklärung und Vorlauf akzeptieren müssen.

Sobald es konkret wird, schwindet der Wille zum Mitreden

Für einen guten Arbeitgeber kann diese Attitüde zum Geschenk werden. Schließlich bedeutet es am Ende des Tages, dass die eigenen Mitarbeiter mit ihren verschiedenen Expertisen und Perspektiven die Entwicklung des Unternehmens mit vorantreiben und mit einer intrinsischen Motivation hinter den kommenden Änderungen stehen. Das sorgt im Idealfall für glückliche Mitarbeiter und damit für gute Arbeitsergebnisse.

Der Blick in die Ergebnisse der Umfrage wirft allerdings ein großes Fragezeichen auf. Sobald es um konkrete Entscheidungen geht, welche Hard- oder Softwareeinkäufe anstehen, schwindet der Mitbestimmungsdrang der Mitarbeiter rasant. Lediglich 13 Prozent der Handelsmitarbeiter und 16 Prozent der Angestellten aus der Industrie wünschen sich auf Entscheidungen diesbezüglich ein größeres Mitbestimmungsrecht.

Dabei wird gerade in diesen Bereichen die zuvor gemeinsam ausgearbeitete Theorie und Strategie konkret. Mit welchen Tools genau sollen welche Ziele erreicht werden? Wer wird die Technik später anwenden? Welche Vor- und Nachteile haben verschiedene Lösungen? Genau diese Entscheidungen haben letztlich also einen besonders starken Einfluss auf den tatsächlichen Arbeitsalltag der Angestellten und ausgerechnet hier sehen wir kaum erhobene Arme für eine Beteiligung.

Mehr Sicherheit bei Hard- und Software

Wieso dies so ist, kann die Umfrage nicht abschließend beantworten. Allerdings liegt die Vermutung nahe, dass Angestellte, sowohl in der Industrie als auch im Handel, zwar nicht gerne mit Entscheidungen von oben überrollt werden wollen, andererseits aber befürchten, zu wenig Know-how oder zu wenig Zeit zu haben, sich intensiver mit der Technik hinter der Digitalisierung ihres eigenen Arbeitsplatzes auseinanderzusetzen.

Vielleicht ist es auch schlicht die Angst. Die Angst davor, bei einer konkreten Mitbestimmung für geplante Softwareeinkäufe vielleicht aus der Vielzahl an Möglichkeiten nicht die richtige zu wählen. Die Angst davor, für einen möglichen Fehlschlag mit in die Verantwortung genommen zu werden.

Aber was ist die Alternative? Wenn ausschließlich die IT-Abteilung für Neuanschaffungen zuständig ist, fehlt an diesen Stellen oft das Wissen um die genauen Tätigkeiten der einzelnen Abteilungen. Die IT achtet in erster Linie darauf, ob die Lösungen kompatibel zu den bestehenden Systemen und compliant gegenüber den Unternehmensvorgaben sind. Usability und Einzelfunktionen stehen nicht im Mittelpunkt. Wenn sich mehr Mitarbeiter der einzelnen Fachabteilungen trauen würden, ihre Stimme bei konkreten Entscheidungen einzubringen, könnten sie ihren Arbeitsalltag wesentlich effektiver mitgestalten – und die Gespräche an der Kaffeemaschine würden sich nicht immer um fehlerhafte Tools drehen, die einem das Leben erschweren.

Wenn wir Mitarbeiter heute für die Herausforderungen von morgen schulen, fördern wir nicht nur den Kompetenzaufbau im eigenen Unternehmen, sondern schaffen Motivation bei allen Mitarbeitern und fördern Kreativität. Dann sind wir auf dem richtigen Weg in die digitale Zukunft.

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