Reaktion auf Antiklumpmittel So wirken Nanoteilchen in Lebensmitteln auf den Körper

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Instant-Kaffeepulver soll gut rieseln und nicht verklumpen. Dafür sorgt Siliciumdioxid E551 - doch was bewirkt es im Körper?

27.06.2017

Das Antiklumpmittel Siliciumdioxid E551 wird seit 50 Jahren in der Nahrungsmittelindustrie verwendet und galt als unbedenklich - bisher. Nun entdeckten Forscher seine Wirkung auf die Gesundheit.

Sogenannte Antiklumpmittel sorgen dafür, dass Trockennahrungsmittel wie etwa Fertigsuppen, Instant-Kaffee oder Gewürzpulver rieselfähig bleiben. Das aus Quarzsand gewonnene ultrafeine Pulver mit dem Namen „synthetisches amorphes Siliciumdioxid“ und der Zulassungsnummer E551 wird seit einem halben Jahrhundert verwendet.

„Bisher ging man davon aus, dass diese nanostrukturierten Partikel völlig inert sind“, sagt Hanspeter Nägeli vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Zürich.

Immunzellen reagieren empfindlich

Doch nun hat Nägeli mit seinen Forscherkollegen im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms Chancen und Risiken von Nanomaterialien herausgefunden, dass diese Partikel in der Lage sind, bestimmte Immunzellen zu aktivieren.

„Wir haben gezeigt, dass ruhende dendritische Zellen im Kontakt mit Nanosilica stimuliert werden und eine entzündungsähnliche Reaktion in Gang setzen“, sagt Nägeli. Ihre Ergebnisse lassen aufhorchen, denn im Immunsystem des Darms spielen die dendritischen Zellen eine entscheidende Rolle: Sie erhalten das dynamische Gleichgewicht aufrecht zwischen Abwehrreaktionen und Tolerierung. Die dendritischen Zellen sind maßgeblich beteiligt am Kampf des Immunsystems gegen Erreger und Fremdkörper. Sie koordinieren aber auch die wohlwollende Antwort gegenüber Nahrungsbestandteilen oder Vertretern der normalen Darmflora.

Entzündliche Darmkrankheiten durch Fertigessen

Wie die Forscher in Versuchen mit Mäusezellkulturen gezeigt haben, nehmen die dendritischen Zellen die Nanosilica in ihr Zellinneres auf. Das weckt sie aus ihrem Schlaf. Sie beginnen, ein bestimmtes entzündungsaktives Signalmolekül auszuscheiden. Ob solche Prozesse vielleicht auch das immunologische Gleichgewicht des menschlichen Darms in Richtung vermehrter Abwehr verschieben, also autoimmun wird wissen die Forschenden nicht. Doch ihre Ergebnisse könnten die Beobachtung erklären, dass sich entzündliche Darmkrankheiten ausbreiten, wenn mehr Menschen Fertigprodukte zu sich nehmen.

„Es geht nicht darum, Angst zu schüren. Entzündliche Darmkrankheiten hängen von einer Vielzahl von Faktoren ab“, sagt Nägeli. Und Nanosilica in der Nahrung machen höchstens einen kleinen Puzzlestein im Gesamtbild dieser komplexen Erkrankungen aus. Trotzdem rät Nägeli aufgrund seiner Resultate zu größerer Vorsicht im Umgang mit diesen Partikeln in der Nahrung. „Ihr massiver Gebrauch muss überdacht werden“, schreiben die Forschenden in ihrem Fachbeitrag.

Leberschäden bei Ratten - trotzdem keine genauere Prüfung

In einer weiteren Publikation übt Nägeli Kritik an der aktuellen Sicherheitsbeurteilung von Nanosilica. „In den toxikologischen Analysen werden keine immunologischen Kriterien erhoben.“ Zudem seien in den Fütterungsversuchen mit Ratten auf der höchsten Dosis Leberschäden beobachtet – aber in der Risikoevaluation nicht berücksichtigt – worden. Ein Zusammenhang mit Nanosilica sei zwar nicht erwiesen, könne aber beim derzeitigen Wissensstand auch nicht ausgeschlossen werden. „Wir plädieren hier deshalb für die Anwendung des Vorsorgeprinzips und für die Überprüfung des Grenzwerts in der Nahrung“, sagt Nägeli.

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