Interview mit Markus Schatz, CEO bei Keba Industrial Automation „Vertrauen ist im Maschinenbau alles“

KEBA Industrial Automation GmbH

Markus Schatz, CEO bei Keba Industrial Automation: „Agilität und Individualität sind unsere Stärken – wir hören auf unsere Kunden und verstehen ihre Bedürfnisse.“

Bild: Keba
27.02.2024

Bei Keba denkt man primär an HMIs und Steuerungen mit einfach nutzbarer Software und einen Spezialisten für bestimmte Branchen. Das Unternehmen wandelt sich zunehmend zum Vollsorter für die Automatisierung. Durch Fokus auf offene Standards, easy to use-Ansatz und KI will Keba auch der ideale Partner für die Umsetzung der Herausforderungen im Maschinenbau sein, wie Markus Schatz, CEO Keba Industrial Automation, im Gespräch mit A&D betont.

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Wenn man sich Keba inklusive ihrer Akquisitionen anschaut, entwickelt das Unternehmen sich zum Vollautomatisierer. Ist das Ihre Strategie?

Definitiv, wir sehen uns eindeutig auf dem Weg zum Vollsortimenter im Bereich der allgemeinen industriellen Automatisierung. Wir wurden bisher stark als Branchenspezialisten wahrgenommen, vielleicht sogar mit einem Fokus auf Hardware. Wir haben jedoch erheblich investiert, die Hardware mehr und mehr in Richtung offene und standardisierte Plattform zu entwickeln. Dabei liegt der Fokus nicht nur auf Hardware, sondern wir erweitern unsere Perspektive, indem wir uns stärker auf Software und Services konzentrieren. Unsere Strategie zielt darauf ab, bis 2030 rund 80 Prozent des Umsatzes mit Produkten aus der generischen Plattform, die Hardware, Software sowie Features und Services umfasst, zu erwirtschaften.

Wie sehr werden Sie im Markt als Vollsortimenter bereits wahrgenommen?

Daran arbeiten wir intensiv. Unsere Offenheit, die sich in unseren Lösungen widerspiegelt, soll verdeutlichen, dass wir nicht nur als Spezialist, sondern auch als umfassender Anbieter wahrgenommen werden. Oft hören wir von Kunden überraschte Äußerungen wie „Könnt ihr das auch? Ich kenne euch nur von..." Ein entscheidender Schritt in die Rolle des Vollautomatisierers war 2018 die Akquisition von LTI, durch die unser Portfolio erheblich erweitert wurde. Diese Übernahmen haben die Wahrnehmung unserer Marke deutlich verändert. Unsere klare Strategie besteht darin, Lösungen für die allgemeine Industrie-Automatisierung massiv zu stärken, dabei jedoch unsere spezifischen Branchen wie Spritzguss nicht zu vernachlässigen – denn wir vergessen unsere Wurzeln nicht.

Und was macht Keba hier besser als andere Vollsorter? Domänenwissen schreiben sich ja alle auf die Fahne…

Bei Keba betonen wir mehr als nur Domänenwissen. Unsere Stärken sind Agilität und Individualität, sichtbar in Kundenbeziehungen und der gesamten Organisation. Kurze Entscheidungswege und Autonomie in Teams sind uns wichtig. Unser Alleinstellungsmerkmal besteht darin, Kunden zuzuhören, ihre Bedürfnisse zu verstehen und die Entwicklung von Produkten zu begleiten. Wir bieten agile Teams, um Kundenanforderungen umzusetzen, ohne bürokratisch zu werden. Unsere Flexibilität und Individualität möchten wir trotz Wachstum beibehalten. Technischer Vorsprung, Erfahrung in modularen Konzepten und Offenheit für externe Lösungen zeichnen uns aus. Wir unterstützen auch die Integration von hauseigenen Produkten bzw. denen anderer Wettbewerber und verfügen über umfassende Lösungskompetenz.

Vereinen Sie alle Lösungen unter der offenen Plattform Kemro X, einem auf Standards basierenden Baukastensystem?

Absolut richtig erkannt. Unsere offene Plattform Kemro X ist das Herzstück unserer Strategie. Ziel ist es, 80 Prozent unserer Lösungen aus diesem Baukasten zu bedienen. Dabei setzen wir auf Standards und Offenheit, um Flexibilität und Anpassungsfähigkeit zu gewährleisten. Das Baukastensystem ermöglicht es uns, auf die individuellen Bedürfnisse unserer Kunden einzugehen und gleichzeitig branchenübergreifende Lösungen anzubieten. Für bestimmte Märkte müssen wir weiter spezielle Lösungen im Angebot haben, deshalb werden wir nie zu 100 Prozent alles aus einem Baukasten bedienen können. Wir sind klar auf dem Weg, uns mit einer offenen Plattform für die allgemeine Automatisierung zu etablieren und auch wahrgenommen zu werden.

Ist Kemro X Ihre Antwort darauf, die Herangehensweise in der Produktion neu denken zu müssen?

Genau, denn wir verabschieden uns zunehmend von der automatisierten, linearen Produktion. Stattdessen setzen wir auf anpassungsfähige Fertigung mit modularen und flexiblen Maschinen. Die entscheidende Rolle spielt dabei die Software, die hinter Kemro X steht. Es ist durchaus denkbar, dass es Produkte gibt, die nur eine reine Softwarelösung erfordern. Aktuell jedoch ist die Integration von Hardware von großer Bedeutung. Die Marktanforderungen variieren, und lokale Optimierungen sind oft unumgänglich. Wir sehen die Zukunft in einer Koexistenz beider Ansätze. Klassische Steuerungsanwendungen werden weiterhin ihre Berechtigung haben, auch wenn die Steuerung nicht mehr zentral an einem Ort stattfindet, sondern mehr verteilt ist. Dabei wird Hardware und Software kombiniert, und es entstehen innovative, softwarebasierte Lösungen. Insgesamt glauben wir, dass sowohl die klassische Steuerungsanwendung als auch die modernen, flexiblen Ansätze ihre Daseinsberechtigung haben werden – abhängig von den spezifischen Anforderungen auf verschiedenen Ebenen der Produktion.

Offenheit und Unterstützung von Standards sind für Sie also eine Grundvoraussetzung, um erfolgreich zu sein…

Ja, heute ist Offenheit tatsächlich ein Alleinstellungsmerkmal. Unternehmen mit einer robusten Supply-Chain-Abteilung setzen verstärkt auf Supply Chain Risk Management, Verkürzung der Lieferkette und Second Sources. Für Hersteller mit geschlossenen Plattformen ist es extrem schwierig, Teil solcher Initiativen zu sein. Unsere Offenheit ermöglicht es Kunden, ihre bestehenden Lieferanten und Kompetenzen beizubehalten, während wir den Rest übernehmen. Unser offenes System bietet Kunden die Möglichkeit zur Individualisierung und Nutzung ihrer Freiheitsgrade, was angesichts der aktuellen Herausforderungen in der Lieferkette von großem Vorteil ist.

Keba betont schon immer eine einfache Programmierung und Bedienung. Wird alles künftig noch einfacher?

Schon immer und jetzt noch verstärkt steht „Easy to use“ in unserer Strategie an oberster Stelle. Wir setzen darauf, die Bedienung und Interaktion mit Maschinen von Anfang an einfacher zu gestalten. Das beginnt natürlich mit der Benutzeroberfläche und reicht bis zur Programmierung der Maschine: Mitarbeiter:innen sollen ohne Expertenhintergrund quasi zu einem Experten werden. Aktuelle Entwicklungen im Bereich KI-basierter Sprachmodelle zeigen auch, dass bald menschliche Sprache über KI beispielsweise in Robotercode übersetzt wird. Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, was heutzutage mit Sprachmodellen möglich ist.

Wollen Sie, dass Maschinenbauer moderne Technologien wie KI auch sehr einfach nutzen können?

Genau, das ist die Idee! Wir möchten KI in die Steuerung und unsere Tool-Chain integrieren. Bei Kemro X machen wir bestehende KI-Netzwerke für die Objekt- und Positionsidentifikation in der Steuerungswelt nutzbar. Wir haben den industriellen Use Case und bieten eine nahtlose Integration in die Steuerungswelt. So ergänzen wir die neuronalen Netzwerke um unser Domänenwissen, das sie von Natur aus nicht haben.

Welches Potenzial sehen Sie generell in der KI für den Maschinenbau?

Diese Technologie ermöglicht eine menschenähnliche Sichtweise. Dadurch können wir Personen, Objekte und Steuerungen in einem ganz anderen Licht betrachten und den gesamten Prozess besser verstehen. Das beginnt bereits mit dem Erkennen von Mustern in Maschinendaten. Wir haben Lösungen wie zum Beispiel Sensorless Condition Monitoring entwickelt. Dabei ziehen wir Rückschlüsse über den Zustand eines Motors oder Lagers aus bereits vorhandenen Daten – das ist dank KI so effektiv wie ein Sensor am Motor. Ein wichtiger Trend ist auch die schrittweise Ersetzung von Spezialsensoren durch Kameras. Eine herkömmliche Kamera und ein dahinterliegendes KI-Netzwerk analysieren das Bild und ermöglichen beispielsweise die Qualitätssicherung oder den richtigen Griff eines Roboters. Ein weiterer Schwerpunkt liegt im Bereich „Copilot“, wo ein KI Language Model genutzt wird, um beispielsweise in der Programmierung zu unterstützen. Ich selbst bin so innerhalb von fünf Minuten zu einem erstklassigen Python-Programmierer geworden (lacht).

Hilft KI auch dabei, dass Maschinen künftig einfacher bedienbar sind, ohne tiefes Domänenwissen? Sprich, kann KI auch den Fachkräftemangel abpuffern?

Absolut! Der Fachkräftemangel ist ein weltweit relevantes Thema. KI ermöglicht es, Maschinen mit weniger Schulungsaufwand leichter bedienbar zu machen. Keba hat sich schon immer für einfache Bedienung eingesetzt und forscht intensiv in diese Richtung. Durch KI sind nun noch viel mehr Möglichkeiten vorhanden, die Bedienerführung, Parameteroptimierung und ähnliche Aspekte auch neuen und noch unerfahrenen Arbeitskräften schnell zugänglich zu machen. Erfahrene Maschinenbediener werden leider immer seltener, aber wir müssen deren Wissen dringend mittels KI „konservieren“.

Helfen Sie Maschinenbauern bei der Integration von KI in ihre Maschinen?

Das ist genau unser Ziel, denn allein hat der Maschinenbauer kaum eine Chance, alles zu bewältigen. Wir unterstützen unsere Kunden mit unserem Know-how und der KI-Expertise, die wir über die Jahre aufgebaut haben. Das versuchen wir als Partner für den Maschinenbau. Wir sagen nicht einfach: Hier ist unser Produktkatalog, suche dir etwas aus. Stattdessen führen wir dialogorientierte Gespräche mit dem Maschinenbauer, um seine Anforderungen zu verstehen und gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Wir haben Erfahrungen in verschiedenen Anwendungen und Industrien gesammelt und können so KI sehr zielgerichtet in den Maschinen gewinnbringend implementieren.

Warum sollten Maschinenbauer Keba als Partner wählen, wenn er seine Maschinen wettbewerbsfähig halten will?

Ich sage immer, Kunden kaufen bei dem, von dem sie glauben, dass er ihre Probleme lösen kann. Wir sind nicht nur Partner, sondern auch Zuhörer – geradlinig, mutig und ausdauernd. Als Kebaner:innen agieren wir auf Augenhöhe und überzeugen durch exzellente Technik und Prozesskompetenz, protzen nicht durch einen umfangreichen Produktkatalog. Unser Kapital ist Vertrauen, das wir über Jahre aufgebaut haben, um langfristige Beziehungen zu unseren Kunden zu erhalten.

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