Prozessautomation & Messtechnik Tankwägesysteme werden digital

Durch eine Kombination der Signale im störanfälligen Anschlusskasten sind einzelne Wägezellen nicht auswertbar.

Bild: Mettler Toledo
14.09.2015

Beim Wiegen von Tanks, Behältern und Reaktoren in qualitätsrelevanten Batchprozessen können sich Messfehler einschleichen, die mangels effizienter Systemdiagnosen oft lange Zeit unbemerkt bleiben. Kosten durch Materialverschwendung, fehlerhafte Chargen und Imageschäden sind von der Prozessindustrie gefürchtete Folgen. Abhilfe versprechen digitale Wägemodule, die bisher unerreichte Wägeleistungen und Sicherheit bieten sollen.

Zum Vermeiden von Kosten durch fehlerhafte Chargen muss ein Tankwägesystem sich selbst überwachen und Abweichungen frühzeitig melden können. Weiterhin ist eine Technik nötig, welche externe Störeinflüsse kompensiert und anfällige Systemkomponenten eliminiert. Mit herkömmlicher Wägetechnologie konnten diese Anforderungen bisher nicht zufriedenstellend gelöst werden. Dafür fehlten die Grundvoraussetzungen, einzelne Wägesensoren zu überwachen, aber auch robustere Signalübertragungen schienen nicht realisierbar zu sein.

Führende Entwickler von Wägetechnologien sind davon überzeugt, dass sie mit der nächsten Generation an digitalen Wägemodulen, die über integrierte Mikroprozessoren verfügen, die Schwächen und Störanfälligkeit von analogen Systemen beseitigt haben. Darüber hinaus erreicht die Messgenauigkeit ein Niveau, das im Vergleich zu einem System aus Standard-Wägekomponenten drei Mal höher ist.

Digitale Netzwerkarchitektur

In einem analogen Wägesystem werden die Stromsignale jedes Wägesensors in einem Anschlusskasten zusammengeführt und als kombiniertes Wägesignal an die Steuerung weitergeleitet. Somit ist es unmöglich, einzelne Wägesensoren von der zentralen Waagensteuerung aus zu überwachen. In der Folge bleiben Performanceverluste einzelner Wägesensoren meist unentdeckt, verursachen so Kosten und Qualitätseinbußen.

Mit der digitalen Netzwerkarchitektur hingegen können die Signale jedes Wägesensors ausgewertet werden, da das einzelne Wägesignal in der Datenübertragung zur Waagensteuerung erhalten bleibt. Ermöglicht wird dies durch die Adressierung eines jeden Wägesensors mit Hilfe einer Feldbus-Technologie. Führende Hersteller von Wägetechnik setzen hierbei auf den etablierten Can-Bus aus dem Automobilbau. Auf diese Weise kann die Waagensteuerung jeden Wägesensor einzeln überwachen und den Zustand beurteilen.

Ein solches Feldbus-System eliminiert zudem die als äußerst störanfällig geltenden Anschlusskästen, da die Wägesensoren wie in einer Kette nacheinander angeschlossen werden (Daisy-Chain). Dies erhöht nicht nur die Systemleistung und Zuverlässigkeit sondern vereinfacht durch wasserdichte Schraubstecker auch den Anschluss und Austausch einzelner Kabel.

Mikroprozessor erhöht Präzision

Ein entscheidender Unterschied zwischen analogen Wägezellen und digitalen Wägezellen mit integriertem Mikroprozessor ist die Methode, mit der sie inhärente Fehler ausgleichen – also interne Fehler, die durch externe Störeinflüsse bedingt werden wie zum Beispiel Temperaturschwankungen. Analoge Wägezellen verwenden passive Komponenten zum Kompensieren der Temperatureinflüsse und zum Anpassen der Kalibrierung. Passive Komponenten sind nur mit begrenztem Wertebereich erhältlich, was die Genauigkeit der möglichen Kompensation einschränkt. In der Praxis führt dies zu Abweichungen bei den Toleranzen, das heißt, die Wägezellen sind nicht untereinander austauschbar.

Digitale Wägezellen dagegen gleichen Leistungsfehler durch den integrierten Mikroprozessor sowie ausgefeilten Sensoren und Algorithmen aus. Alle Hauptfehlerquellen werden so automatisch kompensiert. Zwei praktische Konsequenzen hiervon sind erwähnenswert: Zunächst ermöglichen digitale Wägezellen eine dreimal höhere Genauigkeit und erreichen erstmalig die hohe Leistungsstufe der OIML-Klasse C mit 10.000e Ziffernschritten (OIML ist die Internationale Organisation für das gesetzliche Messwesen, französisch: Organisation Internationale de Métrologie Légale). Zweitens lassen sich digitale Wägezellen viel enger abstimmen, wodurch diese untereinander austauschbar werden. Dies ist ein entscheidender Faktor beim Austausch defekter Wägezellen, da hierbei eine Neukalibrierung des Systems entfällt.

Störfeste Signalübertragung

Ein großes Problem herkömmlicher Systeme ist die sehr geringe Stromspannung der analogen Signale. Jede Gewichtswertänderung auf der Waagenanzeige hängt vom Erkennen einer Spannungsänderung von ungefähr fünf Millionstel Volt (5 μV) ab. Es ist verständlich, dass so schwache Signale von starken Funkfrequenzen und elektromagnetischen Feldern in der Nähe, zum Beispiel von Elektromotoren, oder durch Feuchtigkeit gestört werden. Eine garantierte EMV-Störfestigkeit (elektromagnetische Verträglichkeit) würde einen vollständigen Systemtest erfordern, der praktisch undurchführbar ist. Im Gegensatz dazu können digitale Wägezellen eine zeitgemäße Störfestigkeit gegenüber Feldstärken von 10 V/m garantieren, da alle Komponenten digital gesteuert werden und das digitale Signal robuster ist.

Analoge Systeme mit ihrer geringen Signalstärke reagieren empfindlich auf Installationsmethoden und Umgebungsbedingungen. Faktoren wie die Kabellänge, Querschnittsfläche, Qualität, Abschirmung, Anzahl der Adern – vier oder sechs – und so weiter wirken sich auf die Signalübertragung aus. Mitunter bewirkt bereits eine starke Biegung des Kabels oder eine nachträgliche Veränderung der Kabelverlegung eine Verfälschung des Signals. Das führt zu der unbequemen Tatsache, dass analoge Systeme als Ganzes kalibriert werden müssen. Jede nachträgliche Veränderung macht eine Neukalibrierung erforderlich, die insbesondere bei größeren Tanks einen enormen Aufwand bedeuten kann, wenn Prüfgewichte eingesetzt werden müssen.

Die digitale Datenübertragung basiert auf einem robusten Signal von +/-5 V, dessen Robustheit sich in der Automobilelektronik (Can-Bus) bewährt hat und nun im Umfeld rauer Industrieumgebungen seine Vorteile in der Wägeanwendung ausspielen kann. Gegenüber analogen Systemen können hier Kabelverlegungen nachträglich geändert oder beschädigte Kabel dank Schraubstecker binnen Minuten ausgetauscht werden.

Unterschiede bei Wartung und Diagnose

Was geschieht, wenn die Signalqualität eines analogen Wägesystems durch genannte oder andere Gründe beeinträchtigt wird? Wenn der Fehler groß genug ist, wird er möglicherweise vom Waagenbediener bemerkt und untersucht. Dies erfordert jedoch einen erfahrenen Bediener und ist nur wahrscheinlich, wenn ein Wägemodul vollständig ausfällt. Ansonsten hat der Waagenbediener keine Möglichkeit, festzustellen, ob die Waage fehlerhaft ist. Dies kann je nach der Bedeutung, welche die Waage auf die Qualität des Endprodukts hat, schwerwiegende Folgen haben. In einem digitalen Wägemodulsystem ist jede Wägezelle mit Sensoren ausgestattet, die die Leistung jeder einzelnen Zelle überwachen. Bei einem Problem wird auf dem Waagenterminal eine Meldung mit der Angabe der betroffenen Zelle sowie der Art der aufgetretenen Störung angezeigt. Die Waage ist weiterhin normal nutzbar, bis die Wägezelle zu einem geplanten Zeitpunkt ausgetauscht werden kann. Indem die Integrität der einzelnen Wägezellen überwacht wird, können verborgene Probleme vermieden werden, die letztendlich zu unerwarteten Waagenausfällen führen können.

Weniger Folgekosten

Digitale, mikroprozessorüberwachte Wägemodulsysteme helfen, versteckte Fehler zu vermeiden, die Auswirkungen auf die Qualität des Endprodukts und die damit verbundenen Kosten haben können. Durch ihre hohe Wägeleistung können teure Rohstoffe effizienter eingesetzt und eine konstante Chargenqualität erzielt werden. Abweichungen werden dem Waagenbediener gemeldet, um Maßnahmen ergreifen zu können, bevor Kosten entstehen. Sie unterstützen auch die schnelle Wiederinbetriebnahme, da die Systeme nach der Reparatur nicht neu kalibriert werden müssen. Die etwas höheren Investitionskosten amortisieren sich schnell durch weniger Verschwendung, Ausschuss und Serviceaufwand sowie durch eine höhere Verfügbarkeit des Wägesystems.

Bildergalerie

  • Die per Schraubstecker verbundenen Wägezellen benötigen keinen Anschlusskasten mehr und bleiben durch separate Adressierungen einzeln auswertbar.

    Bild: Mettler Toledo

  • Digitale Wägezelle mit integriertem Mikroprozessor und Schraubsteckerverbindung

    Digitale Wägezelle mit integriertem Mikroprozessor und Schraubsteckerverbindung

    Bild: Mettler Toledo

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