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Fachbeitrag Sprit aus Ökostrom dank Elektrolyse

Power-to-Liquids-Demonstrationsanlage: Wasser, Kohlendioxid und Ökostrom sind die Rohstoffe, aus denen synthetische Kraftstoffe und Wachse hergestellt werden.

Bild: René Deutscher/Sunfire
05.11.2015

Umweltfreundliche Kraftstoffe oder Wachse für die Chemieindustrie lassen sich aus Wasser, Kohlendioxid und Ökostrom herstellen. Wie, zeigt ein Dresdner Unternehmen mit seiner Power-to-Liquids-Anlage, die im Brennstoffzellenmodus Strom generieren kann.

Oft wird von Schlüsseltechnologien für die Energiewende und das dezentrale Energiesystem der Zukunft gesprochen. Sunfire hat eine Technologie entwickelt, die dazu gehören kann: die reversible Elektrolyse, kurz RSOC (Reversible Solid Oxide Cell) genannt. Die RSOC-Technologie wertet Wind- und Solarstrom im Gegensatz zu klassischem Power-to-Gas auf, indem damit hochwertige Endprodukte erzeugt werden können. Auch verfügt das Verfahren über gute Wirkungsgrade, da die dabei entstehende Wärme genutzt wird. Zugleich dient die sogenannte Power­-to-Liquids-Technologie als günstige Reservekapazität, da sie innerhalb weniger Minuten vom Elektrolyse- in den Brennstoffzellenmodus umgeschaltet werden kann und somit auf die Produktion von Strom.

Das Dresdner Cleantech-Unternehmen hat in den vergangenen Jahren die Hochtemperatur-Elektrolyse entwickelt und die Einsatzfähigkeit im industriellen Maßstab bewiesen. Sie ist der erste Schritt im Power-to-Liquids-Verfahren, bei dem Sauerstoff und Wasserstoff entstehen. Über einen zweiten Schritt wird mit dem gewonnenen Wasserstoff und zugefügtem Kohlendioxid das Synthesegas (CO/H2) generiert, das die Basis für Produkte aus langkettigen Kohlenwasserstoffen ist – synthetische Kraftstoffe wie Benzin, Diesel und Kerosin oder Wachse für die Chemieindustrie. Die Hochtemperatur-Elektrolyse arbeitet unter hohem Druck (> 10 bar) und bei hohen Temperaturen (> 800 Grad Cel­sius). Sie zerlegt gasförmiges Wasser, also Wasserdampf, in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff. Das gelingt mit einem Wirkungsgrad von 90 Prozent, bezogen auf den Brennwert. Anders als bei bekannten Elektrolyse-Verfahren wie der PEM- (Proton-Exchange-Membran) oder der Alkali-Elektrolyse wird die Abwärme der nachfolgenden Prozessschritte dazu genutzt, Dampf zu erzeugen, der wiederum der Elektrolyse zugeführt wird.

Eine weitere Besonderheit der Hochtemperatur-Elektrolyse ist, dass hierbei nicht die Wasserstoff-Moleküle extrahiert werden, sondern die Sauerstoff-Moleküle, die an die Umgebungsluft abgeführt werden. Das ist im Power­-to-Liquids-Verfahren deshalb von Bedeutung, da das Verfahren auch dazu eingesetzt werden kann, um im zweiten Schritt Kohlendioxid (CO2) aus der Dampfelektrolyse zu Kohlenmonoxid (CO) für die Synthese zu reduzieren. Dieser Schritt wird Wassergas-Shift-Reaktion genannt. Das Kohlendioxid für diese Reaktion kann aus unterschiedlichen Quellen kommen, also auch aus der Atmos­phäre, aus Biogasanlagen oder anderen abgasentwickelnden Prozessen. Im Anschluss daran wird der zuvor gewonnene Wasserstoff zugeführt, mit dem dann das Synthesegas (CO und H2) entsteht. In einem dritten Schritt werden aus dem Synthesegas dann Benzin, Diesel, Kerosin und andere Rohprodukte für die Chemieindustrie hergestellt. Bei dieser Synthese wird wiederum Wärme freigesetzt, mit der Wasser für die Dampfelektrolyse verdampft wird. Dies ermöglicht einen Gesamtwirkungsgrad von rund 70 Prozent. Die Herstellung von langkettigen Kohlenwasserstoffen hat Sunfire mit einer industriellen Demonstrationsanlage in Dresden unter Beweis gestellt. Im April dieses Jahres füllte Bundesforschungsministerin Johanna Wanka die ersten Liter synthetischen Diesels in ihren Dienstwagen.

RSOC versus Power-to-Gas

Der zentrale Unterschied in den Verfahren liegt bei der Wahl von Druck und Hitze beim Zusammenführen von Wasserstoff und Kohlendioxid. Wird die Temperatur durch die Kühlung mit Wasser niedrig gehalten (500 Grad Celsius) wie beim Power-to-Gas-Verfahren, entsteht im entsprechenden Gleichgewicht Methan. Wird die Temperatur hingegen wie im RSOC-Verfahren durch eine Isolierung des Reaktors auf ungefähr 900 Grad erhöht, reagieren Wasserstoff und Kohlenmonoxid zu Synthesegas. Mittels Fischer-Tropsch-Synthese wird es dann in flüssige Kohlenwasserstoffe umgewandelt und zu hochwertigen Stoffen wie Kraftstoffe, Wachse oder andere chemische Rohstoffe verwertet. Im Vergleich zum Erdgas, das normaler­weise als Basis dafür zum Einsatz kommt, wird beim RSOC-Verfahren der eingesetzte Ökostrom veredelt. Die Ver­edelung ist dabei von entscheidender Bedeutung: Die klassische Elektrolyse ist auf kostengünstigen Ökostrom als Basis angewiesen. Der Betreiber einer RSOC-Anlage hingegen ist in der Lage, für den Rohstoff Ökostrom den jeweiligen Marktpreis zu bezahlen, da er zusätzlich mit einem hohen Wirkungsgrad ein hochwertiges Endprodukt erzeugt. Die reversible Elektrolyse ist damit ein wichtiger Eckpfeiler der Energiewende. Investitionen in zusätzliche Windkraftanlagen oder andere regenerative Erzeugungsanlagen werden für Investoren attraktiv.

Neben hohen Wirkungsgraden und dem aus Ökostrom generierten Synthesegas hat die RSOC-Technologie noch eine weitere Besonderheit: Die Elektrolyse von Sunfire ist reversibel, das heißt, auch als Brennstoffzelle zur Stromproduktion einsetzbar. Innerhalb von zwei bis fünf Minuten kann der Modus von Elektrolyse auf Brenn­stoffzelle umgeschaltet werden. Das macht immer dann Sinn, wenn Ökostrom aufgrund von Knappheit im Netz zu teuer wird. In diesem Moment kann die Elektrolyse als Stromverbraucher nicht nur abgeschaltet werden, sondern einen doppelten Stabilisierungseffekt für das Stromnetz leisten, in dem sogar zusätzlicher Strom auf Basis von günstigem Erdgas aus dem Netz erzeugt wird. Die Energie aus dem Gasnetz wird mit einem elektrischen Wirkungsgrad von 50 bis 60 Prozent in das Stromnetz transformiert. Der zwischengespeicherte Wasserstoff ist für die Rückverstromung zu wertvoll. Aus volkswirtschaftlicher Sicht wird die RSOC-Anlage so eine kostengünstige Reservekapazität, weil die Anlage nicht lange Zeit im Standby-Modus verbringt, um im Notfall für ein paar Stunden einzuspringen. Im Gegenteil: Die reversible Elektrolyse könnte 80 Prozent der Zeit im Normalmodus im Einsatz sein, zehn Prozent Stillstandzeit aufweisen und in der restlichen Zeit als günstige Reservekapazität dienen. So entsteht eine Win-Win-Situation, die sowohl aus Sicht des Betreibers als auch aus volkswirtschaftlicher Perspektive Vorteile bringt.

Die RSOC-Technologie von Sunfire kann perspektivisch als Energiespeicher ohne Mengenbegrenzung dienen und damit die Basis für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien schaffen. Sie schlägt die Brücke zwischen dem Strom- und dem Kraftstoffnetz, was im Weißbuch Strommarkt 2.0 sowie dem darauf basierenden Entwurf für das Gesetz zur Weiterentwicklung des Strommarktes vorgesehen ist. Somit kann die RSOC-Technologie eine Schlüsseltechnologie für die Realisierung der Energiewende werden.

Bildergalerie

  • Premiere: Forschungsministerin Wanka befüllt ihren Dienstwagen mit dem ersten synthetischen Kraftstoff aus der Anlage von Sunfire.

    Premiere: Forschungsministerin Wanka befüllt ihren Dienstwagen mit dem ersten synthetischen Kraftstoff aus der Anlage von Sunfire.

    Bild: Martin Jendrischik/Cleantech Media

  • Hochwertige Endprodukte: Mit der Hochtemperatur-Elektrolyse lassen sich synthetisches Benzin, Diesel und Wachse herstellen.

    Hochwertige Endprodukte: Mit der Hochtemperatur-Elektrolyse lassen sich synthetisches Benzin, Diesel und Wachse herstellen.

    Bild: René Deutscher/Sunfire

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