Liefertermine wackeln, Teams arbeiten unter Dauerlast und Know-how geht mit den Rentnern verloren. In vielen Industrieunternehmen gehört der Ausnahmezustand zum Alltag. Gleichzeitig soll die Zusammenarbeit in Produktion, Qualitätskontrolle und Wartung immer schneller, präziser und vernetzter werden. Intelligente Kollaboration in der Industrie geht weit über Online-Meetings oder den Zugriff auf Dokumente in der Cloud hinaus. Der Begriff beschreibt vielmehr das Zusammenspiel von Menschen, Prozessen und modernen Technologien. Dazu zählen KI, IoT oder Automatisierung. Das Ziel besteht darin, die Wertschöpfung gleichzeitig effizienter, flexibler und zukunftsfähiger zu gestalten. Dazu werden mithilfe der technologischen Infrastruktur alle Beteiligten über Abteilungen, Schichten und Standorte hinweg vernetzt.
KI spielt in diesem Gefüge eine zentrale Rolle. Sie analysiert Daten in Echtzeit, erkennt Muster und unterstützt Entscheidungen. Zudem überbrückt sie Kommunikationslücken und dokumentiert Erfahrungswissen. Damit wird KI zum Schlüssel für eine neue Qualität der Zusammenarbeit. Denn davon profitieren nicht nur die Prozesse, sondern vor allem die Menschen. Wie das in der Praxis aussieht, lässt sich an sieben Beispielen aus dem Bereich „Connected Worker“ zeigen.
1. Besseres Miteinander durch individuelle Schulung
Wenn alle Teammitglieder genau das Know-how haben, das sie an ihrem Einsatzort benötigen, um beste Arbeit zu leisten, dann läuft die Zusammenarbeit reibungslos. Einer effektiven Aus- und Weiterbildung kommt daher eine große Bedeutung zu. Sie muss auf konkrete Bedürfnisse eingehen, statt nach dem Gießkannenprinzip verteilt zu werden.
Hier helfen KI-gestützte Lernplattformen. Sie analysieren den aktuellen Kompetenzstand einzelner Mitarbeitender, identifizieren Qualifikationslücken und erstellen daraufhin personalisierte Lernpläne. Moderne Connected-Worker-Lösungen greifen dazu auf ein integriertes Skill Management zu, das die Ausbildung, Fähigkeiten und Erfahrungen der einzelnen Kräfte abbildet. So wird Wissen nicht nur gezielter vermittelt, sondern auch nachhaltiger verankert und direkt in den Arbeitsfluss integriert.
2. Compliance sicher im Griff – ohne Extraaufwand
Ob gesetzliche Vorgaben, Sicherheitszertifikate oder verpflichtende Schulungen: In der Industrie muss jederzeit nachweisbar sein, dass Vorschriften eingehalten werden. Doch gerade bei hoher Taktung und verteilten Teams ist das manuell kaum noch zuverlässig zu leisten. KI-gestützte Systeme übernehmen diese Aufgabe. Sie automatisieren die Überwachung von Qualifikationsständen, Worker Permits sowie Compliance-Anforderungen. Sie erkennen, wenn ein Nachweis abläuft, erinnern automatisch an fällige Schulungen und erfassen, ob Sicherheitsprotokolle eingehalten werden. Für Führungskräfte bedeutet das weniger Papierkram, weniger Risiko und mehr Zeit für Führung und operative Aufgaben. Gleichzeitig freuen sich die Mitarbeitenden, wenn sie die lästigen Dokumentationspflichten los sind.
3. Informationsfluss von Hand zu Hand
Gerade in der Fertigung arbeiten Teams oft im Schichtbetrieb und Aufträge laufen über mehrere Abteilungen oder Standorte. Dabei besteht die Gefahr, dass bei Übergaben relevante Informationen schnell verloren gehen. Das kann zu Missverständnissen, unnötigen Rückfragen oder Doppelarbeiten führen. KI-basierte Kollaborationsplattformen schaffen hier Abhilfe. Sie stellen kontextbezogene Informationen verlässlich und in Echtzeit zur Verfügung. Für ein nahtloses Weiterarbeiten bieten die Plattformen zudem personalisierte Unterstützung an, die Wissenslücken schließt. Damit etablieren sie einen einheitlichen Kenntnisstand, selbst wenn sich die zuständigen Personen ändern, beispielsweise durch einen Schichtwechsel oder bei abteilungsübergreifender Zusammenarbeit.
4. Für jedermann zugängliches Erfahrungswissen
Ein erheblicher Teil des industriellen Know-hows steckt allerdings nicht in Handbüchern, sondern in den Köpfen langjähriger Mitarbeitender. Wenn diese in Rente gehen oder das Unternehmen verlassen, drohen wertvolle Praxiserfahrungen verloren zu gehen. Intelligente Kollaboration mit KI sorgt jedoch dafür, dass dieser Schatz erhalten bleibt und zugänglich wird.
Generative KI-Systeme können nämlich Gespräche zwischen Mitarbeitenden und einem Experten automatisch erfassen, strukturieren und in digitale Lernformate umwandeln – natürlich nur mit Zustimmung aller Beteiligten. Dasselbe gilt für Anleitungen am Arbeitsplatz, die per Video aufgezeichnet werden. KI erstellt daraus automatisiert Schritt-für-Schritt-Anleitungen, Video-Tutorials oder abrufbare Wissensbausteine. So wird aus implizitem Wissen ein dokumentierter Bestandteil des unternehmensweiten Knowledge-Managements. Davon profitieren neue Mitarbeitende ebenso wie bereichsübergreifende Teams.
5. Plus an Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit
In industriellen Umgebungen können menschliches Versagen und Erschöpfung ebenso kostspielige und gefährliche Sicherheitsvorfälle verursachen wie Gerätefehlfunktionen. Im Ernstfall entscheidet die reibungslose Zusammenarbeit zwischen Menschen, Systemen und Maschinen also sowohl über die Anlagenverfügbarkeit als auch über die Gesundheit. KI trägt dazu bei, Risiken frühzeitig zu erkennen, beispielsweise durch die Analyse von Sensor- und Betriebsdaten. Industrielle KI-Agenten verstärken den Schutz noch weiter: Sie überwachen Sicherheitsprotokolle aktiv, erkennen Abweichungen und informieren automatisch die verantwortlichen Stellen. So entsteht ein Frühwarnsystem, das menschliche Fehler minimiert, Ausfallzeiten reduziert und für ein sichereres Arbeitsumfeld sorgt.
6. Mensch und Maschine als Team
Von der Max-Planck-Gesellschaft über Harvard bis Stanford sind sich führende Experten einig: Die Zukunft liegt nicht in der reinen Automatisierung, sondern in der Symbiose. KI ergänzt den Menschen, statt ihn zu ersetzen. Entsprechend geht auch die Deloitte-Studie „Human Capital Trends 2025“ davon aus, dass erfolgreiche Unternehmen „strategisch in die richtige Balance zwischen Mensch, Technologie und Organisation investieren“ müssen, um „widerstandsfähiger [zu] sein und bessere wirtschaftliche und menschliche Ergebnisse zu erzielen.“
Routinearbeiten und datengetriebene Aufgaben werden dabei zunehmend von Maschinen übernommen, während Menschen sich auf kreative Problemlösung und Entscheidungen konzentrieren. Ein Beispiel hierfür ist die Qualitätskontrolle oder Planung: Die KI analysiert, schlägt vor und erkennt Muster, während der Mensch Entscheidungen trifft, Bewertungen vornimmt und Korrekturen durchführt. Das stärkt die Souveränität der Belegschaft, während gleichzeitig Tempo und Präzision steigen.
Denn je mehr sich die KI um das Organisatorische, das Wiederkehrende und das Regelhafte kümmert, desto mehr Kapazitäten bleiben für strategisch wertvolle Aufgaben. So entstehen Freiräume, beispielsweise um Fortschritt und kontinuierliche Verbesserung voranzutreiben, den Kunden stärker in den Fokus zu rücken oder Mitarbeiter gezielt zu fördern. Mit digitalen Agenten beziehungsweise Copiloten an ihrer Seite erhalten Fachkräfte und ungelernte Helfer auf ihrem jeweiligen Gebiet einen größeren Handlungsspielraum. In der autonomen Wartung beispielsweise können sie zusätzliche Verantwortung übernehmen und ihre Kompetenzen gezielt weiterentwickeln.
Fazit: KI als Kollaborations-Katalysator
KI verändert nicht nur einzelne Prozesse – sie transformiert die Art, wie Menschen in der Industrie zusammenarbeiten. „Vom personalisierten Lernen über vorausschauende Sicherheit bis hin zur Wissenssicherung entsteht Teamwork der neuen Art“, sagt Carsten Hunfeld, Director EMEA bei Augmentir. Unternehmen, die KI intelligent integrieren, stärken zudem nicht nur ihre Effizienz, sondern auch ihre Resilienz und Innovationskraft. Hunfeld ist sich sicher: „Die Zukunft der Industrie gehört jenen, die Technologie und Teamarbeit gemeinsam denken – und genau da setzt intelligente Kollaboration an.“