Die Zukunft der Laborautomatisierung? Roboter revolutionieren Stammzellenforschung

Der Einsatz von Robotern minimiert das Fehlerrisiko bei der Kultivierung von Stammzellen.

Bild: Fraunhofer IPT

27.01.2017

Neue Wege in der Erforschung und Kultivierung von Stammzellen beschreitet das Projekt Stem Cell Discovery mithilfe einer automatisierten Anlage mit dem Denso-Roboter VS-087 als Herzstück.

Die Stammzellforschung ist einer der innovativsten Bereiche der aktuellen medizinischen Forschung und nimmt bei der Entwicklung neuartiger Wirkstoffe eine entscheidende Funktion ein. Grundlage des weltweit führenden Pilotprojekts Stem Cell Discovery sind mesenchymale Stammzellen (MSC). Dabei handelt es sich um reife Stammzellen, die aus dem Gewebe erwachsener Menschen gewonnen werden und sich daher im Gegensatz zu embryonalen Stammzellen auf ethisch vertretbare Art und Weise isolieren lassen. Dank ihrer besonderen Eigenschaften sind sie für die regenerative Zelltherapie hochinteressant, da viele neue Zelltypen bilden, andere Zellen zum Wachstum anregen und positiv auf das Immunsystem eines Menschen einwirken können.

Fehlerquelle Mensch

„Die Kultivierung dieser Zellen dauert allerdings lange und ist arbeitsintensiv“, berichtet Michael Kulik, der das Projekt am Aachener Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT als Gruppenleiter betreut. „Wir arbeiten mit Zellen vieler verschiedener Spender, die natürlich unterschiedlichste biologische Merkmale aufweisen. Und bei manuell erstellten Zellkulturen wird die Variabilität oft dadurch verstärkt, dass Handhabungsabläufe unterschiedlich durchgeführt werden.“ Menschliche Interaktion erhöht das Fehlerrisiko und erschwert die Reproduzierbarkeit. Nicht zuletzt sind Zellkulturen lebendes Material, so dass eine Reinraum-Umgebung entscheidend ist und besondere Anforderungen an die eingesetzten Geräte gestellt werden.

Diese Herausforderungen soll nun eine voll automatisierte und geschlossene, aber flexibel agierende Plattform lösen. Zum einen können in einer solchen Anlage MSCs vermehrt und erforscht werden, zum anderen ist die Durchführung weitere Laborprozesse – etwa zur Generierung experimenteller Daten – zusätzlich möglich.

Roboter ermöglichen Höchstmaß an Präzision

Eine zentrale Funktion in der Anlage übernehmen Denso-Roboter der Baureihe VS-087. Diese fungieren als flexible Handlingeinheit für alle Transporte innerhalb der Plattform und bewegen die Zellkulturen in Multititerplatten und Falcon Tubes zwischen den einzelnen Prozessier- und Messgeräten. Dadurch ist eine hochpräzise Positionierung der Gefäße gewährleistet und eben diese Genauigkeit ist insbesondere am Mikroskop wichtig, wo das Zellkulturgefäß zusätzlich vom Roboter umgriffen wird, um es in die dafür vorgesehene Halterung einzusetzen. Die Flexibilität der mechanischen Helfer bewährt sich auch bei der Ressourcenbereitstellung, wie dem Transportieren von Pipettenspitzen vom Magazin zur Liquid Handling Unit.

Ferner übernimmt der VS-087 das „Shaken“ der Kulturen, wobei vor allem eine gleichmäßige und reproduzierbare Umsetzung entscheidend ist. So schwenkt der Roboter die Zellprodukte stets mit derselben Geschwindigkeit und Bewegung. Bei ungleichmäßiger Handhabung könnte es dagegen passieren, dass Zellen sich an den Rändern des Gefäßes festsetzen und so zu einem veränderten Wachstum führen.

Die Forscher entschieden sich für den Denso-VS-087 aufgrund seiner Flexibilität in Sachen Integration und Programmierbarkeit, da die Auswahl der Geräte lange vor der Software-Entwicklung feststand. Ferner war die Reinraum-Tauglichkeit ausschlaggebend. Die kompakte Bauweise des Modells erlaubte es zudem, eine platzsparende Anlage einzurichten der hierfür entwickelte Multifunktionsgreifer kann durch die Roboterkinematik an jeden Ort der Anlage bewegt werden und bietet zugleich ein Höchstmaß an Präzision.

Intuitive Nutzung mittels flexibler Prozesssoftware

Stem Cell Discovery basiert auf dem Zusammenspiel höchst unterschiedlicher Geräte. „Uns war eine hohe Flexibilität des Gesamtsystems wichtig,“ berichtet Sven Jung, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Projektes und für die Programmierung zuständig. „Deshalb haben wir eine dienstbasierte, flexibel konfigurierbare Prozesssoftware entwickelt, die alle Abläufe kontrolliert und adaptiv auf diese reagieren kann, wie zum Beispiel beim Wachstum der Zellen.“

Die parametrisierbaren Dienste werden über ein Integration-Framework aus allen Geräten extrahiert und ermöglichen je nach Bedarf eine modulare Ausführung von Prozessschritten. Über die Benutzeroberfläche lassen sich die zur Verfügung stehenden Dienste steuern oder zu beliebigen, komplexen Abläufen zusammenstellen. So sind für den User alle Geräte – vom Mikroskop bis zum Roboter, von der Liquid Handling Unit bis zum Inkubator – über eine grafische Oberfläche steuerbar.

Auch der VS-087 ist über das Integration-Framework an die Anlage angebunden. Durch die bereitgestellte Roboter-Schnittstelle lassen sich die Dienste des Roboters abbilden und ermöglichen so eine sehr intuitive Nutzung. Der VS-087 wird über den eingebauten RC8-Controller gesteuert, die Schnittstellenkommunikation basiert auf ORiN2 und der Möglichkeit der Ansteuerung per C#, die sich sehr gut in die Software-Architektur einbetten lässt. Die Software übernimmt auch die gesamte Überwachung des Roboters, so dass etwaige Prozessschwankungen sofort registriert und behoben werden können.

Integrationsfähigkeit der Plattform

Insgesamt liefert das Projekt wertvolle Erfahrungen über innovative Steuerungstechniken im Bereich der Laborautomatisierung. Die Plattform ermöglicht dank der serviceorientierten Architektur sowie der flexiblen Handhabung durch den VS-087 eine einfache Umsetzung von verschiedensten Prozessen, so dass künftig neben anderen Zellkulturen auch die Integration von externen Usern mit nur kurzer Vorlaufzeit möglich sein wird.

Bildergalerie

  • Mittels des eingebauten RC8-Controllers lässt sich der Denso-VS-087 intuitiv bedienen und flexibel einsetzen.

    Mittels des eingebauten RC8-Controllers lässt sich der Denso-VS-087 intuitiv bedienen und flexibel einsetzen.

    Bild: Fraunhofer IPT

  • Höchste Präzision bei der Positionierung von Multititerplatten

    Höchste Präzision bei der Positionierung von Multititerplatten

    Bild: Fraunhofer IPT

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