Interview zum aktuellen Stand von RFID RFID - Der Schlüssel zur Smart Factory

Pepperl+Fuchs SE

Dr. Helge Hornis (Director Technology Factory Automation USA), Pepperl+Fuchs.

Bild: Pepperl+Fuchs
05.02.2017

RFID ist in aller Munde - doch ist der Hype gerechtfertigt? Im Interview geben Markus Halbig (Regionalvertriebsleiter Region Mitte Deutschland), Dr. Helge Hornis (Director Technology Factory Automation USA) und Dr. Klaus Schmitt (Produktmanager RFID) von Pepperl+Fuchs Einblicke in die aktuelle Situation und erklären, welche Vorteile Anwender künftig erwarten dürfen.

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Wie bewerten sie den aktuellen „Boom“ von RFID?

Helge Hornis:

Der gefühlte Boom von RFID ist kein Phänomen, das spontan aufgetaucht ist, sondern in meinen Augen die Spitze einer Entwicklung. RFID hat sich über die Jahre international als vielseitige Technologie zur Identifikation und Positionsbestimmung in den verschiedensten Bereichen etabliert. Dass sie jetzt, im Zuge von Industrie 4.0, noch mehr Beachtung findet, spricht zum einen für die breite Akzeptanz und zum anderen für das enorm hohe Zukunftspotenzial.

Markus Halbig:

Diese Einschätzung deckt sich mit unseren Beobachtungen im Markt. RFID ist eine Technologie, die bereits seit Jahren verstärkt durch unsere Kunden nachgefragt wird, und das Interesse wächst ständig weiter. Dies gilt sowohl für die vielfältigen industriellen Anwendungen, die wir bei Pepperl+Fuchs vornehmlich bedienen, als auch für andere Felder, wie etwa im öffentlichen Bereich oder im Retail. Wer im Alltag etwas genauer hinschaut, wird immer wieder RFID-Transpondern begegnen – zum Beispiel als kleiner Einnäher in der neu gekauften Bluejeans oder auch in modernen Leihbüchereien. Damit ist RFID eine berührungslose, aber gleichzeitig doch sehr „greifbare“ Technologie (lacht).

Klaus Schmitt:

Dass RFID momentan eine solche mediale Beachtung findet, hat sicher mit dieser Allgegenwärtigkeit zu tun, die das Thema auch für den Verbraucher außerhalb der Industrie spannend macht. Sämtliche Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens sind von der zunehmenden Digitalisierung und Vernetzung erfasst. Ob wir als übergeordnetes Konzept Industrie 4.0, mit Fokus auf den Shop Floor, oder das breiter gefächerte Internet of Things heranziehen: Die Kombination aus Zuordnung und Auslesbarkeit von objektbezogenen Informationen ist gerade in allen Sektoren großes Thema – und RFID die geeignete Lösung hierfür.

Warum ist die „vierte industrielle Revolution“ so eng mit Identifikation verknüpft?

Markus Halbig:

Eine dezentrale, vernetzte Fertigung mit „Eigenintelligenz“ nach Industrie-4.0-Vorstellung kann nur mit einer durchgängig hohen Informationsdichte entlang der ganzen Supply Chain und ihrer Objekte funktionieren. Dieses Konzept in einem produzierenden Betrieb konsequent umzusetzen, bedeutet für unsere Kunden, dass nicht nur die großen Datenmengen der Sensoren verarbeitet, sondern zusätzlich Identifikationsaufgaben erfüllt werden müssen. Das beginnt bei Werkstücken, Werkzeugen, Maschinen und reicht bis zu Behältern oder Zwischen- und Endprodukten. Die Beziehungen zwischen diesen Objekten müssen geklärt sein. RFID stellt also eine Verbindung her zwischen den realen Objekten und deren elektronischem Container, der sogenannten Verwaltungsschale.

Helge Hornis:

Richtig, die in letzter Zeit so häufig erwähnte Smart Factory ist darauf angewiesen, dass die einzelnen Akteure im Produktionsprozess wissen, mit wem sie es gerade zu tun haben. Bestückt man nun sämtliche Maschinen und Bauteile mit RFID-Transpondern, erhalten sie eine Art Gedächtnis. RFID hat hierbei den Vorteil, dass Informationen ausgelesen und auch geschrieben werden können. Keine andere Technologie kann das leisten. Das ermöglicht zum einen die dezentrale, flexible und kontextadaptive Steuerung von Prozessen und eröffnet zum anderen ganz neue Chancen, diese Prozesse dann auf Basis umfangreicher Identifikationsdaten zu bewerten und wenn nötig anzupassen.

Können Sie unseren Lesern ein exemplarisches Szenario skizzieren?

Helge Hornis:

Stellen Sie sich Werkstücke vor, die sich entlang einer modular aufgebauten Fertigungslinie bewegen. Diese sind mit RFID-Transpondern versehen, die Informationen bezüglich der Ausprägung des jeweiligen Werkstücks tragen. An der Fertigungslinie positionierte RFID-Schreib-/Leseköpfe lesen diese Informationen aus. Jedes Werkstück fährt dann auf Basis dieser Daten ausschließlich in die Fertigungszellen ein, die für seine weitere Verarbeitung relevant sind. Hier wird entsprechend den auf dem Transponder gespeicherten Informationen ein ganz bestimmter automatisierter Arbeitsgang ausgelöst. Bei Bedarf visualisiert ein HMI dem Anlagenführer zur Qualitätssicherung genau die dem Objekt zugehörigen Baupläne und andere Daten. Das Bauteil bringt also auf dem RFID-Transponder selbst die Information mit, die zu seiner eigenen Weiterverarbeitung benötigt werden.

Welche konkreten Vorteile ergeben sich daraus für die Anwender?

Markus Halbig:

Ohne manuellen Aufwand und Stillstand zur Umrüstung lassen sich so verschiedene Varianten kleinster Losgrößen auf einer Fertigungslinie produzieren. Das ist eine effektive Lösung für die zentralen Herausforderungen, mit denen unsere Kunden in internationalen Märkten zu kämpfen haben: ständiger Kostendruck, hohe Qualitätsanforderung und maximale Transparenz! Unsere Identifikationslösungen zielen genau auf diese Erwartungshaltung ab. Auch an der Schnittstelle zwischen Produktion und Logistik kann in solch einem Szenario effizienter gearbeitet werden: Wenn die Logistik dank RFID weiß, in welchem Stadium und an welchem Punkt sich Waren in der Produktion befinden, können erheblich präzisere Vorhersagen bezüglich Fertigstellung und Auslastung getroffen werden.

Kommen wir auf den technischen Unterbau zu sprechen. Hier hat sich in den letzten Jahren viel bewegt. Welche Entwicklungen sind aus Ihrer Sicht besonders wichtig?

Klaus Schmitt:

Der technische Fortschritt ist in engem Zusammenhang mit der heutigen Eignung für Industrie 4.0 zu sehen. Die meisten unserer RFID-Kunden setzen in ihren Anwendungen auf UHF-Technologie, also ultrahochfrequente Funkübertragung. Systeme auf UHF-Basis zeichnen sich besonders durch ihre hohe Geschwindigkeit aus. Diese Geschwindigkeit wird jetzt im Kontext der extrem effizienzgetriebenen Industrie 4.0 noch relevanter als zuvor. Zudem sind UHF-Transponder mittlerweile in der Lage, deutlich größere Datenmengen aufzunehmen als noch vor einigen Jahren. Das ist notwendig, um die für dezentrale Fertigungslinien benötigten komplexeren und umfangreicheren Informationen und Parameter zu speichern.

Markus Halbig:

Dazu kommt, dass UHF-Tags heute so erschwinglich sind, dass die umfassende Bestückung eines Produktionsprozesses mit Transpondern aus wirtschaftlicher Sicht wesentlich leichter zu stemmen ist. Gleichzeitig sind die am Markt verfügbaren Bauformen der Transponder sehr vielfältig. Das macht sie gut integrierbar in die verschiedensten Prozesse unterschiedlichster Branchen. Welche Frequenz jedoch die richtige ist, muss für jeden Anwendungsfall separat betrachtet werden. Als einziger Hersteller bietet Pepperl+Fuchs aktuell ein RFID-System an, das die verschiedenen Leseköpfe aller gängigen Trägerfrequenzen parallel ansteuern kann. Der Anwender erhält dadurch maximale Flexibilität und Zukunftssicherheit bei minimalem Integrationsaufwand.

Klaus Schmitt:

Transponder und Lesegeräte haben sich technisch tat-sächlich rasant weiterentwickelt. Die Kollegen in der Produktentwicklung sind ständig dabei, noch das letzte Quäntchen Leistung aus der Technik rauszukitzeln. Beispielsweise verfügen der F190 und der F192 aus den Reihen unserer UHF-Schreib-/Leseköpfe über eine umschaltbare Antennenpolarisation. Das Funksignal wird bei diesen Geräten mit unterschiedlicher Vorzugsrichtung abgestrahlt und so wird eine sehr hohe Zuverlässigkeit bei der Tag-Erfassung erreicht. Diesen Schreib-/ Leseköpfen gelingt es, umfangreiche Datenmengen aus mehreren Transpondern simultan und in hoher Geschwindigkeit innerhalb eines weiten Lesebereichs zu erfassen – allesamt wichtige Charakteristika für die zukünftige Produktionslinie.

Helge Hornis:

Im Kontext von Industrie 4.0 und Industrial Internet of Things ist natürlich auch die Anbindung an externe Software-Systeme außerhalb des klassischen Regelkreises bzw. neben der eigentlichen PLC-Logik relevant. Das Potenzial solcher Ansätze war für Pepperl+Fuchs schon lange vor dem heutigen Trend interessant. Bereits vor mehr als 15 Jahren stellten wir das weltweit erste Ethernet unterstützende RFID-System vor. Heute ist diese Ethernet-Anbindung wichtiger denn je. EtherNet/IP, PROFINET und andere Ethernet-basierte Protokolltypen haben sich in den vergangenen Jahren zusehends in den Vordergrund geschoben. Die Interpretation der aus dem RFID-System ausgeschleusten Produktionsdaten, etwa in ERP oder MES, ist ein Thema, das uns die kommenden Jahre weiter begleiten wird. OPC/UA scheint sich dabei als zukünftiger Standard herauszukristallisieren und wird die Integration von RFID-Systemen weiter vereinfachen. Wir erwarten also, dass die gängigen proprietären Protokolle und unterschiedlichen Treiber sukzessive an Relevanz verlieren und RFID noch stärker nachgefragt wird, als es momentan schon der Fall ist.

Bildergalerie

  • Dr. Klaus Schmitt (Produktmanager RFID), Pepperl+Fuchs.

    Dr. Klaus Schmitt (Produktmanager RFID), Pepperl+Fuchs.

    Bild: Pepperl+Fuchs

  • Markus Halbig (Regionalvertriebsleiter Region Mitte Deutschland), Pepperl+Fuchs.

    Markus Halbig (Regionalvertriebsleiter Region Mitte Deutschland), Pepperl+Fuchs.

    Bild: Pepperl+Fuchs

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