Was verstehen Sie unter „regenerativer Wirtschaft“ und warum sehen Sie sie als notwendige Antwort auf Klimawandel und Ressourcenerschöpfung und nicht nur als vorübergehenden Trend?
Ich betrachte regenerative Wirtschaft aus der Perspektive der planetaren Grenzen. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen uns sehr deutlich, dass unser derzeitiges Wirtschaftskonzept nicht mehr funktional ist. Dabei ist „regenerieren“ kein neues Wort – es beschreibt vielmehr eine Notwendigkeit, die offensichtlich geworden ist. Es ist ein bisschen wie bei einem Sportler, der nach einer Belastung regenerieren muss, um wieder leistungsfähig zu sein. Das Konzept ist also nicht neu, sondern vielmehr ein plausibler Begriff für eine Tatsache, die nicht zu ignorieren ist. Im Grunde sehe ich darin einen klaren Arbeitsauftrag an unsere Gesellschaft. Denn die Natur wird sich regenerieren – das steht außer Frage. Die entscheidende Frage ist nur: mit oder ohne uns? Diese Entscheidung liegt bei uns, und deshalb nehme ich das Thema sehr ernst. Es ist ein klarer Auftrag, im Rahmen unserer Möglichkeiten zu handeln. Ich denke, der entscheidende Punkt ist: Wo können wir etwas bewirken – und mit wem?
Die regenerative Wirtschaft fordert, „nicht nur weniger schädlich zu sein, sondern nachhaltig zu heilen und zu regenerieren“. Wie kann ein solcher Anspruch in der Prozessindustrie praktisch umgesetzt werden?
Im Kern geht es darum, dass wir die bestehenden Probleme zunächst gründlich analysieren und verstehen müssen, welche Herausforderungen tatsächlich gelöst werden müssen. Themen wie zum Beispiel die Meeresversauerung sind – wenn man genau hinschaut – durchaus auch fluidische Fragestellungen. Daher stellt sich die Frage: Wo liegen die Probleme, die wir mit unserem Know-how konkret angehen können? Und wenn wir sie nicht allein lösen können, müssen wir herausfinden, wer die richtigen Partner für eine Zusammenarbeit sind. Es gilt also, die relevanten Probleme zu identifizieren, dafür regenerative Lösungen zu entwickeln und diese in wirtschaftlich tragfähige Geschäftsmodelle zu überführen. Denn ohne wirtschaftliche Basis wird es nicht funktionieren. Ebenso wenig, wenn dabei Menschen oder Umwelt ausgebeutet werden. Deshalb ist es notwendig, für die realen Herausforderungen regenerative Ansätze zu finden. Letztlich geht es um die Frage: Wo investieren wir unsere Zeit, unsere Kapazitäten, unsere Energie und unser Wissen?
Der Wandel hin zu nachhaltigeren, regenerativen Prozessen ist anspruchsvoll. Welche Herausforderungen sehen Sie derzeit für Unternehmen, die ihre Prozesse umstellen wollen?
Es sind sehr viele Herausforderungen – diese lassen sich grob in drei Kategorien unterteilen: Erstens gibt es Herausforderungen, auf die wir kaum Einfluss nehmen können, wie etwa Subventionen. Das liegt außerhalb unseres direkten Wirkungsbereichs, und damit müssen wir umgehen. Zweitens gibt es Themen, bei denen wir zumindest versuchen können, Einfluss zu gewinnen – etwa durch die Zusammenarbeit mit Verbänden oder anderen Akteuren. Hier lohnt es sich, aktiv zu werden. Und drittens – und das ist aus meiner Sicht der wichtigste Bereich – gibt es unseren direkten Wirkungsbereich. Dort können wir konkret etwas bewegen, zum Beispiel durch technische Lösungen wie Filteranlagen oder die Bearbeitung fluidischer Herausforderungen. Ich bin überzeugt, dass wir mit bestehenden Technologien bereits heute einen wertvollen Beitrag leisten können. Diese Lösungen gilt es gezielt zu identifizieren. Diesen Dreiklang sollten wir uns bewusst machen: Was liegt außerhalb unseres Einflusses, wo können wir Einfluss gewinnen, und wo können wir direkt handeln? Unser Fokus sollte klar auf dem liegen, was wir aktiv gestalten können. Und wenn das Anstrengung erfordert, dann sollten wir diese Anstrengung auch auf uns nehmen. Vor allem aber dürfen wir uns von den Dingen, die wir nicht beeinflussen können, nicht entmutigen lassen.
Was stimmt Sie optimistisch, dass die Vision einer regenerativen Wirtschaft Realität wird? Gibt es Trends, Technologien oder Erfahrungen aus Ihrer Arbeit, die Ihnen besondere Hoffnung geben?
Was mir wirklich Hoffnung macht, ist das Potenzial für exponentielles Wachstum – das sehen wir aktuell sehr deutlich bei der Photovoltaik. Wenn Lösungen wie Batteriespeicher oder PV-Anlagen funktionieren, kann die Transformation eine Geschwindigkeit erreichen, die wir uns heute kaum vorstellen können. Genau das stimmt mich zuversichtlich. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass wir tatsächlich die richtigen Lösungen finden – solche, die die Transformation wirklich voranbringen. Das ist für mich ein zentraler Hoffnungspunkt. Ein weiterer, sehr Bürkert-spezifischer Aspekt, der mich hoffnungsvoll stimmt, ist die starke intrinsische Motivation der Menschen hier. Viele wollen nicht nur etwas bewegen – sie tun es auch. Sie bringen sich aktiv ein, sind begeistert und setzen Dinge um. Das ist einzigartig. Für mich persönlich ist die Rolle, die ich bei Bürkert übernehmen darf, eine einmalige Chance: die globale Programmleitung für Nachhaltigkeit und damit auch für regeneratives Wirtschaften. Diese Aufgabe verbindet zwei besondere Elemente: Auf der einen Seite innovative Unternehmen, die sich den komplexesten Herausforderungen stellen – und auf der anderen Seite eine Eigentümerschaft, die voll hinter diesen Themen steht. Dazu kommt eine Gemeinschaft von Menschen, die wirklich Lust haben, etwas zu verändern – und das nicht nur in Europa, sondern auch in Indien, den USA, Nordeuropa und Frankreich. Was mich besonders beeindruckt: Dieses gemeinsame Ziehen an einem Strang funktioniert bei Bürkert auch ohne persönlichen Kontakt. Das ist eng, verbindlich und gleichzeitig nachhaltig – denn wir reisen nicht ständig um die Welt, sondern schaffen die Transformation dezentral. Darauf bin ich ehrlich gesagt auch ein bisschen stolz.
Würden Sie dann sagen, dass Investitionen in Start-ups ein großer Punkt sein können, der unterstützend wirkt?
Regeneration bedeutet nicht, das Bestehende einfach zu restaurieren – sie ist etwas Neues. Deshalb bin ich überzeugt, dass wir nicht nur darauf angewiesen sind, sondern auch die Chance haben, mit dem Wissen und den Erfahrungen, die wir über Jahre und Jahrzehnte aufgebaut haben, anderen klugen und spannenden Lösungen echten Rückenwind zu geben. Genau das finde ich besonders faszinierend – und es erfüllt mich mit Hoffnung. Wir wollen nicht länger die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen suchen, sondern als Magnet vor dem Heuhaufen stehen und sagen: „Hier sind wir – schaut mal, vielleicht passen wir zu euch. Vielleicht habt ihr Lust, gemeinsam mit uns regenerativ zu wirtschaften.“ Es geht darum, sich zu zeigen – und zwar in aller Unfertigkeit. Denn genau dadurch entstehen echte Verbindungen: Menschen kommen auf uns zu und sagen „Ja, da will ich mitmachen.“ Wir müssen lernen, uns in dieser Rohheit zu zeigen. Bürkert hat in der Vergangenheit vieles erst perfektioniert und dann veröffentlicht. Ich glaube, es ist jetzt wichtig, auch an dieser Stelle offen zu sein und zu sagen: „Wir öffnen uns – und sprechen über unser Wollen.“