Die nächste Technologierevolution Quantentechnologie auf dem Vormarsch

Harald A. Summa betont, dass die Quantentechnologie rasch aus den Forschungs- und Entwicklungslabors hervorgeht und bereits in die Wirtschaft Einzug hält. Ähnlich wie bei Künstlicher Intelligenz (KI) werden alle Branchen früher oder später davon betroffen sein. Die Kombination aus KI und Quantencomputing ermöglicht Leistungsschübe, deren Auswirkungen teilweise noch schwer vorstellbar sind.

Bild: istock, Peter Hansen
09.04.2024

„Während derzeit alle Augen auf Künstliche Intelligenz gerichtet sind, bereitet sich mit Quantencomputing schon die nächste Technologierevolution vor“, erklärt Harald A. Summa, Chairman der Initiative Quantum Leap des Diplomatic Council, einer Denkfabrik mit Beraterstatus bei den Vereinten Nationen. „Vor allem für die Betreiber von Rechenzentren, Cloudservices und Messagingdiensten wird es höchste Zeit, Quantentechnologie zu integrieren“, ergänzt der Quantentechnologie-Experte Matthias Reidans von der Firma Rosenberger-OSI (Optical Solutions & Infrastructure), die in der Initiative mitarbeitet.

Harald A. Summa erklärt: „Die Quantentechnologie kommt zügig aus den Forschungs- und Entwicklungslabors heraus und dringt in die Wirtschaft ein. Davon werden, ähnlich wie bei KI, über kurz oder lang alle Branchen betroffen sein. In der Kombination aus KI und Quantencomputing ergeben sich heute noch schwer vorstellbare Leistungsschübe, deren Auswirkungen sich teilweise nur erahnen lassen.“

Die Quantentechnologie arbeitet mit Ladungsmustern von Ionen oder Photonen, die simultan Zustandsänderungen „abarbeiten“ können im Sinne einer Programmierung. Mikrowellen oder Laser werden verwendet, um damit sogenannte „Qubits“ als kleinste Informationseinheiten zu kodieren. Dieses Funktionsprinzip ermöglicht es Quantencomputern, sehr viele Berechnungen gleichzeitig durchzuführen, was zu einer exponentiellen Beschleunigung der Rechenleistung weit jenseits des Leistungsniveaus herkömmlicher Computer führt.

Quantenresistente Datenverschlüsselung dringend notwendig

Kurzfristig am stärksten betroffen von der Quantentechnologie ist nach Angaben der Initiative die Datenverschlüsselung quer durch alle Branchen. Die Begründung: Quantencomputer sind in der Lage, herkömmliche Verschlüsselungen binnen kürzester Zeit zu knacken. Damit lägen die Datenbestände von Unternehmen und staatlichen Organisationen auf einen Schlag offen für Cyberkriminelle und Geheimdienste. „Schon heute erbeuten Cyberbanden im Netz riesige verschlüsselte Datenbestände in der Erwartung, diese in wenigen Jahren oder gar Monaten entschlüsseln zu können“, weiß Quantentechnologie-Fachmann Matthias Reidans.

„Jedes Data Center ist gut beraten, seinen Kunden so rasch wie möglich eine quantenresistente Verschlüsselung anzubieten“, erklärt Summa. Davon betroffen ist nach seinen Angaben auch die Datenübertragung etwa bei Messagingdiensten. Er gibt zu bedenken, dass Apple bereits eine sogenannte Post-Quantum-Verschlüsselung für seinen iMessage-Service hervorgebracht hat. Der Quantum Leap-Chef verweist auf die Möglichkeit zur photonenbasierten Schlüsseldistribution über Satellit: „Es wäre vorstellbar, dass künftig über Satelliten Milliarden von Schlüsseln verteilt werden, um die Sicherheit der Quantenwelt zu gewährleisten.“ In den nächsten Jahren würden Hunderte von Satelliten ihren Orbit erreichen, die mit Modulen zur Photonen­übertragung ausgestattet seien.

Quantum as a Service

Ebenfalls zügig auf die neue Herausforderung reagieren, sollten die Betreiber von Rechenzentren (Data Centern) und Clouddiensten, mahnt Summa. Er begründet: „Rechenzentren werden die Heimat des Quantencomputing sein. Denn im ersten Schritt werden nicht überall Quantencomputer installiert werden, sondern das Gros der Quantenleistung wird aus der Cloud, also Data Centern, bezogen werden.“ Reidans ergänzt: „Es geht darum, Hochleistungsrechenzentren mit Quantencomputermodulen aufzurüsten.“

Summa skizziert die Zukunft: „Quantencomputer werden quasi als Turbolader für bestehende hochleistungsfähige computer-spezifische Anwendungen skalieren und insbesondere in der generativen KI weitere Innovationskräfte entfalten. Als Quantum as a Service werden sie in der Cloud einem breiten Anwenderspektrum zur Verfügung stehen.“

Die neue Initiative Quantum Leap im Diplomatic Council bietet daher den Betreibern von Data Centern die Möglichkeit, sich in einem vorwettbewerblichen Kreis darüber auszutauschen, welche Schritte sinnvoll sind, um sich auf Quantentechnologie vorzubereiten, ordnet der Chairman Summa das Vorpreschen der Denkfabrik ein.

Ab 1.000 Qubits sind Quantencomputer nützlich

Wie rasch dieser Innovationszyklus an Relevanz gewinnen wird, ist derzeit schwer abschätzbar, heißt es bei Quantum Leap. Nach Einschätzung von Reidans steht dieser Zeitpunkt unmittelbar bevor. Er verweist auf Entwicklungen etwa bei europäischen Herstellern wie IQM, AQT und Eleqtron, die leistungsstabile Quantencomputer zum Teil heute schon zu erschwinglichen Preisen liefern können und auf weitere technologische Durchbrüche in den USA, China und Kanada. „Quantencomputer erreichen ihr entscheidendes Leistungsstärkenniveau ab etwa 1.000 funktionsfähigen, das heißt logischen und steuerbaren, Qubits“, sagt der Rosenberger-OSI-Fachmann. Er fügt hinzu: „Die ersten derartigen Geräte sind bereits in diesem oder im nächsten Jahr zu erwarten.“

Dem Vorurteil, Quantencomputer benötigten für den Betrieb grundsätzlich Umgebungen mit extremer Kälte, widerspricht der Experte vehement. Er sagt: „Es gibt bereits Quantencomputer zu kaufen, die bei Raumtemperatur arbeiten. Man kann sie in gewöhnlichen Rechenzentren im dort üblichen 19-Zoll-Format in Betrieb nehmen.“ Reidans verweist beispielhaft auf die Firmen Alpine Quantum Technologies (AQT) aus Innsbruck und das deutsch-österreichische Startup Quantum Brillance, die beide den Ansatz verfolgen, integrations-unkomplizierte Implementierungen zu ermöglichen. Zudem sind diesbezügliche Standardisierungsbestrebungen weltweit im Gange, weiß der Quantentechnologie-Experte.

Quantensensorik in der Medizin

Summa ist es wichtig zu betonen, dass Quantentechnologie viel mehr bedeutet als „nur“ mit Quantencomputern umzugehen. So ermögliche diese Technologie auch in der Sensorik einen Quantensprung im wahrsten Sinne des Wortes. Beispielsweise könnten die heute üblichen Verfahren der Computertomographie (CT) und der Magnetresonanztomographie (MRT), um in den menschlichen Körper hineinsehen zu können, künftig durch quantensensorische Verfahren abgelöst werden, die eine um ein Vielfaches bessere und damit aussagekräftigere Darstellung ermöglichten.

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