Sicherheitsfunktionen im Antrieb Pakete sicher befördern

In der modernen Fördertechnik zählen Präzision und Sicherheit.

Bild: Lenze
07.03.2017

In einem automatisierten Lagerhaus erfolgt vor und zwischen den Regalen viel Bewegung. Die Fördertechnik muss nicht nur präzise in der Positionierung sein, sondern auch eine hohe funktionale Sicherheit garantieren. Mit den richtigen Antrieben lässt sich beides erfüllen, gleichzeitig spart man Platz und Kosten.

Immer mehr Güter des täglichen Lebens können im Internet bestellt werden. Handelt es sich nicht um kleine, meistens spezialisierte, Versender, so ist es sehr wahrscheinlich, dass die Lieferung aus dem automatisierten Lagerhaus eines Logistikzentrums erfolgt. Die Bedienung der Regale des automatisierten Lagerhauses erfolgt mit Regalbediengeräten (RBG). Vereinfacht besteht ein RBG aus Fahrwerk, Mast, Hubschlitten mit Lastaufnahmemittel und Kopftraverse. Das Gesamtgewicht von RBG und Last kann über 20.000 kg betragen. Die Antriebstechnik muss diese Massen mit einer hohen Geschwindigkeit und Verfügbarkeit bewegen, um einen optimalen Durchsatz im Lager zu erreichen.

Neben Anforderungen an präzise Positionierung, effizientes Energiemanagement und Optimierung der Fahrbahnen, ist die funktionale Sicherheit ein weiteres „must have“. Im Bereich der Antriebstechnik gibt es auf dem Markt eine Vielzahl von Herstellern, die Antriebe mit integrierten Sicherheitsfunktionen anbieten. Neben dem sicher abgeschalteten Moment bieten sie auch die Funktionen sichere Begrenzung von Geschwindigkeit, Drehrichtung oder Inkrement.

RGB setzt auf sicheren Antrieb

Im Folgenden wird das RBG durch die „Brille“ der funktionalen Sicherheit mit Fokus auf die sicheren Funktionen des Antriebs betrachtet. RBGs sind Maschinen im Sinne der EG-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG. Der Anhang I der Maschinenrichtlinie enthält die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen für die Konstruktion und den Bau von Maschinen. Hier wird vorgeschrieben, dass der Hersteller, im Rahmen einer Risikobeurteilung, die geltenden Anforderungen für die Maschine ermitteln muss. Die Ergebnisse müssen bei Konstruktion und Bau der Maschine berücksichtigt werden.

Hilfreich bei diesem Vorgehen sind die sogenannten harmonisierten Normen gemäß Artikel 7 der EG-Maschinenrichtlinie. Die Anwendung der harmonisierten Norm ist freiwillig. Dennoch sollte immer folgendes beachtet werden:

  • Umfang der abgedeckten Anforderungen der EG-Maschinenrichtlinie. Eine harmonisierte Norm muss nicht für alle Anforderungen der EG-Maschinenrichtlinie gelten, z.B. gilt die Vermutungswirkung der DIN EN ISO 13849-1 nur für die Anforderungen aus Abschnitt 1.2.1 des Anhang I der EG-Maschinenrichtlinie.

  • Entscheidend für die Konstruktion sind die Ergebnisse der Risikobeurteilung. Die Risikobeurteilung liegt in der Verantwortung des Herstellers. Das Vorgehen ist in der harmonisierten Norm DIN EN ISO 12100 beschrieben. Gehen die Anforderungen über die einer harmonisierten Norm hinaus, so müssen diese auch bei Konstruktion und Bau der Maschine berücksichtigt werden.

Für RBG‘s kennt die EG-Maschinenrichtlinie die harmonisierten Normen DIN EN 60204-32 und DIN EN 528.

Performance-Level bestimmen

Während die DIN EN 60204-32 den Aspekt der elektrischen Sicherheit betrachtet, so werden die Anforderungen an die funktionale Sicherheit in der DIN EN 528 detailliert beschrieben. Jeder der in der DIN EN 528 genannten Sicherheitsfunktionen wird ein Performance Level (PL) zugeordnet. Die Definition des Performance Level findet sich in der DIN EN ISO 13849-1 Sicherheit von Maschinen - Sicherheitsbezogene Teile von Steuerungen. Der Performance Level drückt die Fähigkeit, eine Sicherheitsfunktion auszuführen, aus. Er liegt in den Abstufungen a bis e vor, wobei a den niedrigsten und e den höchsten Performance Level darstellt. Um zu ermitteln, welcher Performance Level für eine Sicherheitsfunktion erforderlich ist, stellt die Norm den Risikografen zur Verfügung. Dieser ermittelt den Performance Level anhand der folgenden Risikoparameter: Schwere der Verletzung, Häufigkeit und/oder Dauer der Gefährdungsexposition sowie der Möglichkeit zur Vermeidung der Gefährdung oder Begrenzung des Schadens.

Die Bestimmung des Performance Levels ist in der DIN EN 528 bereits „vorgedacht“. Für die sicherheitsbezogenen Teile der Steuerung werden im Anhang C der DIN EN 528 Performance Levels gemäß DIN EN ISO 13849-1 angegeben. Die höchsten Anforderungen der DIN EN 528 betreffen mit PL d die Sicherheitsfunktionen der Bewegung. Die Herausforderung für den Anlagenbauer besteht darin, die Sicherheitsfunktionen des Antriebs auf die Sicherheitsfunktionen des RBG abzubilden. Wenn der Not-Halt nur mit elektronischen Komponenten umgesetzt wird, muss hier PL e erreicht werden.
Auch für Antriebe gibt es mit der DIN EN 61800-5-2 eine harmonisierte Norm. Diese definiert Sicherheitsfunktionen des Antriebs. Jeder Antrieb, der sich auf diese Norm bezieht, verfügt damit über eindeutig definierte Funktionen.

Mehr Platz, weniger Kosten

Herausforderung ist es, Platz zu schaffen und die Kosten zu senken. Ansatz hierzu ist die Reduzierung der Puffer, welche sich an den Enden jeder Fahrgasse und/oder auf dem RBG befinden. Sie müssen im Falle eines Fehlers die Energie des RBG’s aufnehmen, um es zum Stillstand zu bringen. Hält man sich die am Anfang des Artikels genannte Masse vor Augen, so ist nachvollziehbar, dass die Puffer einen Platz und Kostenfaktor darstellen. Eine Lösung bietet die von Lenze zur Verfügung gestellte Funktion „Position-dependent Safe Speed“ (PDSS). Diese Funktion passt, in Abhängig von der absoluten Position des RBG in der Gasse, die zu überwachende, sicher-begrenzte Geschwindigkeit an. Das heißt, in Form einer Hüllkurve wird die zulässige maximale Geschwindigkeit des RBG überwacht. Wird diese Geschwindigkeit überschritten, so wird sofort eine Fehlerreaktion ausgelöst. Damit wird sichergestellt, dass das RBG vor dem Gassenende sicher zum Stillstand kommt oder mit der noch maximal erlaubten Puffer-Aufprallgeschwindigkeit in den reduzierten Puffer fährt.

Zur Realisierung dieser Funktion ist eine sichere Erfassung der Position des RBG in der Gasse erforderlich. Da der Antrieb eines Regalbediengerätes, je nach Antriebskonzept schlupfbehaftet sein kann, muss dieser Schlupf permanent auf Plausibilität überprüft und entsprechend in der Auswertung kompensiert werden. Zu einer sicheren Positionsüberwachung gehört dabei die Auswertung von Gebern, üblicherweise dem externen Positionsgeber (Laser oder Barcodeleser) und als redundantes System dem am Motor angebauten Geber. Ein Abgleich zwischen den Gebern erfolgt durch das Anfahren einer externen Referenzposition. Ist das Antriebssystem des Fahrwerks formschlüssig ausgeführt (Zahnriemen oder Zahnstange), kann die sichere Überwachung der Position auch ausschließlich vom Motorgeber abgeleitet werden.

Somit wird durch die Funktion PDSS nicht nur eine Kosteneinsparung durch Reduzierung / Wegfall von Puffern möglich, sondern es besteht auch die Möglichkeit, den am Gassenende sonst erforderlichen Platz für den Puffer als Lagerfläche zu nutzen und damit eine höhere Lagerkapazität zu erreichen. Darüber hinaus können die vom Sicherheitsmodul „sicher“ ermittelten absoluten Positionswerte über ein sicheres Bussystem zu einer übergeordneten Sicherheitssteuerung übertragen werden. Damit ist es einer übergeordneten Sicherheitssteuerung einfach möglich, Kollisionen auch zwischen zwei in einer Gasse fahrenden RBGs sicher zu verhindern. Durch Bildung einer Anpassung der sicher-begrenzten Geschwindigkeit in Abhängigkeit von der sicheren Position „in der realen Welt“ lassen sich mechanische Endbegrenzer kleiner machen oder sie werden nicht mehr benötigt. Damit ist eine Platz- und Kosteneinsparung möglich ohne das sicherheitstechnisch geforderte Niveau zu reduzieren.

Bildergalerie

  • Regalbediengeräte (RBG) bestehen vereinfacht dargestellt aus den Komponenten Fahrwerk, Mast, Hubschlitten mit Lastaufnahmemittel und Kopftraverse.

    Regalbediengeräte (RBG) bestehen vereinfacht dargestellt aus den Komponenten Fahrwerk, Mast, Hubschlitten mit Lastaufnahmemittel und Kopftraverse.

  • Herausforderung ist es, Platz zu schaffen und die Kosten zu senken. Ansatz hierzu ist die Reduzierung der Puffer, welche sich an den Enden jeder Fahrgasse und/oder auf dem RBG befinden.

    Herausforderung ist es, Platz zu schaffen und die Kosten zu senken. Ansatz hierzu ist die Reduzierung der Puffer, welche sich an den Enden jeder Fahrgasse und/oder auf dem RBG befinden.

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