Studie im Verkehrssektor Mobilität der Zukunft: Welcher Antrieb führt zum Ziel?

In der Mobility-Studie „Antriebsportfolio der Zukunft“ erörtert der VDE die aktuellen und zukünftigen Antriebstechnologien.

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14.06.2021

Haben Politik und Wirtschaft ähnliche Einschätzungen und Erwartungen an das Antriebsportfolio der Zukunft? Und wie kann es gelingen, auch die Bevölkerung mitzunehmen und Deutschlands Vorreiterposition im internationalen Wettbewerb zu behaupten? Die aktuelle VDE-Studie „Antriebsportfolio der Zukunft“ beleuchtet genau diese Fragestellungen.

Für seine Mobility-Studie „Antriebsportfolio der Zukunft“ hat der VDE die Einschätzungen und Erwartungen von acht Meinungsführenden aus der Politik (unter anderem Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr und Digitale Infrastruktur des Deutschen Bundestags) und 19 Meinungsführenden aus der Wirtschaft (unter anderem Top-Management von OEMs, Zulieferern und Energieversorgern) eingeholt. Die Ergebnisse liegen nun in Form eines ersten Meinungsführer/-innen-Reports vor.

Die Hauptbotschaft: Nur mit einem intelligenten Mix aus allen verfügbaren klimaneutralen Antriebstechnologien Batterie, Brennstoffzelle und E-Fuels kann das ambitionierte Klimaziel der EU „Zero Emission“ erfüllt werden.

Fokus auf Bevölkerung

Das Antriebsportfolio 2030+ muss ausgewogen sowie ökologisch sein und sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung ausrichten. „Nur dann ist die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Transformation der Mobilität im Rahmen des klimapolitischen Zielkorridors möglich“, erklärt Dr. Ralf Petri, Leiter des Geschäftsbereichs Mobility im VDE. „Zukünftige Mobilität muss lokal emissionsfrei, komfortabel und bezahlbar sein. Dazu gehören klimafreundliche Lösungen für den Individualverkehr wie für den Personennahverkehr und Gütertransport.“

Die Befragten aus Politik und Wirtschaft sprechen sich dabei in den nächsten Jahren für den Einsatz der jeweiligen Antriebstechnologien hinsichtlich ihrer spezifischen Stärken aus. Als Fazit der VDE-Studie legen sie sich auf folgendes Antriebsportfolio 2030+ für den Anwendungsfall Straßenverkehr fest:

  • batterieelektrischer Antrieb im Pkw

  • Batterie- und Brennstoffzellen-Antrieb im gewerblichen Güter- und Schwerlastverkehr (je nach Anwendungsfall)

  • E-Fuels als Nischen- beziehungsweise Brückenantriebstechnologie für Bestandsfahrzeuge und Sondernutzungen wie Motorsport und Oldtimer

Grundlage für die Transformation ist ein konstruktiver und kontinuierlicher Dialog zwischen Politik und Wirtschaft, wobei auch die Bevölkerung abgeholt und aktiv eingebunden werden muss.

Fokus auf Batterien

Vor allem im Pkw ist der batterieelektrische Antrieb die beste Alternative zum Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Zum einen ist die lokal CO2-neutrale Antriebstechnologie am weitesten verbreitet und eine grundlegende Stromnetz-Infrastruktur flächendeckend vorhanden. Eine weitere wesentliche Stärke liegt in der Effizienz, da sie im Vergleich zu den untersuchten Antriebstechnologien am wenigsten Primärenergie benötigt.

Die größte Herausforderung liegt im Auf- und Ausbau einer bedarfsgerechten Ladeinfrastruktur. Mit steigender Anzahl von E-Fahrzeugen erwarten Experten zukünftig Kapazitätsengpässe, für die Lösungen in Form von Netzausbau und intelligentem Lastmanagement geschaffen werden müssen. Vor allem die Anzahl und Verteilung der Ladepunkte im öffentlichen und privaten Raum muss zügig nutzerorientiert ausgebaut werden.

„Für eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung muss eine hohe Reichweite sichergestellt sein“, sagt Petri. Zusätzlich brauche es ein nutzerorientiertes Angebot von Ladepunkten. „In jedem Fall müssen hier schnell Maßnahmen umgesetzt werden.“

Die Befragten rechnen mit großen Technologiesprüngen und einer deutlichen Steigerung der Energiedichte bei gleichzeitiger Senkung der Batteriekosten in den nächsten Jahren, wodurch der batterieelektrische Antrieb auch künftig die effizienteste und vorherrschende Antriebstechnologie im Pkw sein wird.

Fokus auf Brennstoffzelle

Im Gegensatz zur Batterie erwarten die Experten bei der Brennstoffzelle für die nächsten Jahre kaum große Technologiesprünge. Auch der größte Nachteil – ein hoher Primärenergiebedarf und damit geringer Wirkungsgrad – wird sich nicht wesentlich verändern lassen.

Für den individuellen Personenverkehr wird die Brennstoffzelle deshalb in naher Zukunft nur einen kleinen Anteil am Antriebsportfolio ausmachen. Ganz anders im Schwerlast- und Langstreckengüterverkehr sowie in den Bereichen Schienenverkehr, Schiff- und Luftfahrt: Hier spielt die Brennstoffzelle ihre Stärken aus, nämlich hohe Energiedichte über weite Strecken.

Der Schwerlastverkehr verursacht heute rund ein Drittel der CO2-Emissionen des gesamten Verkehrssektors. Aus diesem Grund ist die Brennstoffzelle ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu lokaler, CO2-neutraler Mobilität in diesen Anwendungsfällen. Wesentlich ist dabei, dass es sich um „grünen“ Wasserstoff handelt, der aus erneuerbaren Energien gewonnen wurde.

Auch hier ergeben sich wesentliche Herausforderungen in Bezug auf den Infrastrukturausbau. Inwiefern das bestehende Erdgasnetz für die Verteilung von Wasserstoff genutzt werden kann, ist ebenso wenig abschließend geklärt wie die Möglichkeit, grünen Wasserstoff aus geeigneten Regionen zu importieren und so geopolitische Abhängigkeiten zu diversifizieren.

Fokus auf E-Fuels

Unter E-Fuels versteht man strombasierte Kraftstoffe, die auf Basis erneuerbarer Energien gewonnen werden und somit lokal emissionsfrei sind („Power-to-Fuel“). Neben solaren Kraftstoffen können sie aus Ammoniak, Methan oder mittels Elektrolyse aus grünem Wasserstoff gewonnen werden. Ihr großer Vorteil besteht darin, dass das Handling von E-Fuels sehr einfach ist, da sie in der bestehenden Infrastruktur von Pipelines, Transportwagen, Tankstellen, Zapfsäulen und herkömmlichen Verbrennungsmotoren unkompliziert eingespeist und genutzt werden können.

Allerdings benötigt die Erzeugung dieser E-Fuels im Durchschnitt die sechs- bis achtfache Menge an Primärenergie verglichen mit dem batterieelektrischen Antrieb. Entsprechend hoch sind auch die zu erwartenden Preise für E-Fuels.

„Es ist denkbar, dass E-Fuels für einen Nischenmarkt von Bestandsfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren relevant bleiben – und zwar dort, wo auch eine hohe Zahlungsbereitschaft vorhanden ist, beispielsweise aus Liebhaberzwecken, um Oldtimer oder Motorsportwagen zu fahren“, sagt Petri. Ebenso sind Anwendungsfälle in der Luftfahrtindustrie in unterschiedlichen Entwicklungsstufen in der Erprobung.

Fokus auf alles

Um die klimapolitischen Ziele zu erreichen, braucht es einen konstruktiven Dialog zwischen Politik und Wirtschaft, um den Ausbau einer bedarfsgerechten Lade- und Verteilinfrastruktur auf Seiten der Politik sowie die Ausweitung der Fahrzeugmodellpalette auf Seiten der Wirtschaft zu synchronisieren. „Unsere Ziele erreichen wir nur, wenn sich alle Akteure zusammensetzen und gemeinschaftlich die Transformation der Mobilität angehen“, fasst Petri zusammen.

Unter den Meinungsführenden aus Politik und Wirtschaft herrscht Konsens: „Zero 2050“ ist das Ziel. Im Umkehrschluss bedeutet das ein Umkrempeln der gesamten Wirtschaft sowie ein Umdenken in der Bevölkerung. Petri: „Mobilität und Antriebe der Zukunft brauchen ein lokales, CO2-neutrales Antriebsportfolio, das auf einem intelligenten Mix aller verfügbaren klimaneutralen Antriebstechnologien basiert.“

Demnach wäre die einspurige Fokussierung auf eine innovative Antriebsart genauso eine Sackgasse wie ein separates Vorgehen einzelner Akteure oder das Ausblenden von Nutzeransichten und -verhalten. Für die Umsetzung der im Energiekonzept vorgesehenen Reduktion des Energieverbrauchs um rund 40 Prozent im Verkehrssektor bis 2050 brauche es neben einem innovativen Antriebsportfolio auch ein einheitliches Verständnis für die Umsetzung.

„Das bringen wir nur auf den Weg, wenn alle Zahnräder ineinandergreifen“, betont Petri. „Angefangen mit der Produktion der Energieträger über die Fertigung der Fahrzeuge bis hin zur Entwicklung einer zukunftsfähigen Infrastruktur und eines neuen Mobilitätsbewusstseins in der Bevölkerung.“

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  • Bei Pkw zeichnet sich in den kommenden Jahren ein deutlicher Zuwachs an: Gewerbliche Fahrzeuge werden einen Mix aus unterschiedlichen Lösungen nutzen, für Bestands-/Nischenfahrzeugen werden E-Fuels eine Alternative sein.

    Bei Pkw zeichnet sich in den kommenden Jahren ein deutlicher Zuwachs an: Gewerbliche Fahrzeuge werden einen Mix aus unterschiedlichen Lösungen nutzen, für Bestands-/Nischenfahrzeugen werden E-Fuels eine Alternative sein.

    Bild: VDE

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