Tipps zur Auswahl des passenden Not-Halt-Schalters Maschinenrichtlinie, Vorschriften & mehr

Im Notfall löst eine Not-Halt-Funktion eine Stilllegung der Anlage aus, während ein Not-Aus-Befehl alle Systeme gänzlich ausschaltet.

Bild: Gemini, publish-industry
27.06.2025

Not-Halt-Schalter, häufig auch als Not-Halt-Taster bezeichnet, sind zur Gefahrenabwendung im Industriebereich nicht wegzudenken. Für den fachgerechten Einsatz existieren jedoch viele Vorschriften. Doch welche Richtlinien sind davon relevant? Und welche Kriterien sind bei bei der Auswahl des passenden Not-Schalters zwingend zu beachten?

Not-Halt-Einrichtungen sind ein integraler Bestandteil funktionaler Sicherheit. Nach der Europäischen Maschinenrichtlinie EU 2006/42/EG darf von keinen Maschinen eine Gefährdung für Mensch und Umwelt ausgehen. Um dies sicherzustellen, muss nahezu jede Maschine mit mindestens einer Not-Halt-Befehlseinrichtung versehen sein. Auf diese Weise können die Risiken von unvorhergesehenen Gefahrensituationen minimiert werden. Die Einhaltung der Maschinenrichtlinie ist Voraussetzung für den Erhalt eines CE-Kennzeichens. Ohne dieses Kriterium darf eine Maschine in Europa weder verkauft noch betrieben werden.

Not-Halt-Systeme sind als ergänzende Schutzmaßnahmen vor unvorhergesehenen Gefahren zu betrachten. Sie ersetzen in keinem Fall die Notwendigkeit einer Gefahrenbeurteilung. Falls die Arbeitsprozesse es erfordern, kann daher weiterhin der zusätzliche Einsatz von Sicherheitstechnik notwendig sein.

Der Unterschied

Worin besteht der Unterschied zwischen Not-Halt- und Not-Aus-Einrichtungen? Nicht selten werden Not-Halt- und Not-Aus-Systeme miteinander verwechselt. Es besteht jedoch ein gravierender Unterschied. Not-Halt-Befehlsgeräte schützen vor gefahrbringenden Bewegungen, ohne die Systeme komplett abzuschalten. Bei Not-Aus-Einrichtungen dagegen handelt es sich vorwiegend um Not-Aus-Hauptschalter. Diese trennen die Maschinen komplett von der Versorgungsspannung, um vor gefahrbringenden Spannungen zu schützen. Beide Systeme können nicht gleichzeitig funktionieren, denn die Not-Halt-Funktion setzt zur Umsetzung mittels Steuersignal eine Spannungsversorgung voraus.

Kurz zusammengefasst: im Notfall löst eine Not-Halt-Funktion eine Stilllegung der Anlage aus, während ein Not-Aus-Befehl alle Systeme gänzlich ausschaltet. Je nach Gefahrenbeurteilung wird insbesondere in Fertigungsbetrieben der Schutz vor gefahrbringenden Bewegungen priorisiert. Somit finden hier vor allem Not-Halt-Schalter Einsatz.

Achtung Vorschrift!

Welche Vorschriften müssen Sie bei Not-Halt-Einrichtungen berücksichtigen? Für den ordnungsgemäßen Einsatz von Not-Halt-Befehlseinrichtungen ist die Berücksichtigung einiger Vorschriften erforderlich. Auf die wichtigsten Richtlinien wird nachfolgend eingegangen. In der Norm DIN EN ISO 13850: 2008 ist definiert, wie Not-Halt-Taster umzusetzen sind. So müssen sie mindestens an jedem Bedienstand vorzufinden sein. Dabei sind sie an einer gut sichtbaren sowie schnell und gefahrenlos zugänglichen Einbaustelle anzubringen.

Sobald ein Not-Halt-Schalter betätigt wird, hat die dadurch ausgelöste Funktion Vorrang gegenüber allen weiteren Prozessen. Das heißt die Systemstillsetzung hat unmittelbar zu erfolgen. Die Betätigung des Not-Halt-Geräts muss zur überlistsicheren Verrastung führen. Dazu schreibt die Norm DIN EN 60947-5-5 vor, dass dieser Vorgang durch ein Not-Halt-Signal begleitet wird. Sollen wieder alle Prozesse in Gang gebracht, muss die Entriegelung an der Betätigungsstelle vorgenommen werden. Dadurch allein darf jedoch kein automatischer Systemneustart stattfinden. Die Prozesse müssen auf manuellem Weg zusätzlich neu gestartet werden.

Darüber hinaus muss nach der DIN EN 60204 Norm eine hervorragende Sichtbarkeit der Not-Halt-Befehlseinrichtung gegeben sein. Dazu müssen Not-Aus-Schalter ein rotes Betätigungsfeld auf gelbem Untergrund aufweisen. Dieselbe Norm schreibt vor, dass Not-Halt-Taster über zwangsöffnende Kontakte verfügen müssen, wodurch eine sichere Kontakttrennung zur Bewahrung der Maschinensicherheit gewährleistet wird. Ein Drahtbruch stellt keine Gefahr für den Erhalt des Systemstillstands dar, da auf diese Weise kein Kontakt besteht.

Weiterhin besagt die DIN EN ISO 13849-1, dass Not-Halt-Systeme mindestens nach dem Performance Level c (PLc) umgesetzt werden müssen. Daher ist besondere Vorsicht bei der Reihenschaltung von Not-Halt-Einrichtungen geboten. Obgleich sich die Schalter theoretisch in Reihe schalten lassen, besteht bei gleichzeitiger Betätigung die Gefahr möglicher Fehlermaskierungen, die eine Performance Level Verschlechterung zur Folge haben. Daher wird von einer Reihenschaltung abgeraten. Wenn Not-Halt-Systeme dennoch in Reihe geschaltet werden, ist die Einhaltung des geforderten Performance Levels zwingend erforderlich. Das gilt insbesondere beim zusätzlichen Einsatz von Sicherheitssensoren, da hier eine gleichzeitige Betätigung sehr wahrscheinlich ist. Für eine genauere Umsetzung ist hier der Standard ISO/TR24119 zu berücksichtigen.

Um die normgerechte Umsetzung der Not-Halt-Schalter sicherzustellen und Querschlüsse abzuwenden, sollten Not-Halt-Systeme regelmäßig hinsichtlich ihrer Funktionalität geprüft werden. Hierbei ist der Anschluss von sicheren Auswertegeräten wie unter anderem Sicherheitsrelais oder Sicherheitssteuerungen notwendig, die Testimpulse erzeugen und überprüfen. Zusätzlich ist auch ein regelmäßiger, physischer Test der Auslösung des Not-Halt-Systems zu empfehlen. Dieser Prüfprozess ist in keiner Norm festgeschrieben, wird jedoch dringend empfohlen.

Passenden Not-Halt-Schalter auswählen

Der passende Not-Halt-Schalter für Ihre Applikation muss zunächst die zuvor aufgeführten Basisanforderungen erfüllen. Darüber hinaus können Sie bis zu vier Auswahlkriterien in Ihre Entscheidung für einen Not-Halt-Taster einfließen lassen.

1. Anzahl der Kanäle

Sie können zwischen 1- oder 2-kanaligen Ausführungen wählen, wobei hier nur die Öffner-Kontakte zählen. Die Schließer-Kontakte kommen nur bei Not-Halt-Schaltern mit Meldefunktion zum Tragen. Für die richtige Wahl ist eine Gefährdungs- und Risikobeurteilung erforderlich. Not-Halt-Schalter sind mindestens nach Performance Level c (PLc) umzusetzen. Dies lässt sich mit 1-kanaligen Varianten realisieren. Ab Performance Level d (PLd) sind 2-kanalige Ausführungen zu empfehlen. Während einige Not-Halt-Taster als Komplettgerät samt der Kontakte erworben werden können, müssen die Kontakte bei anderen Ausführungen je nach Kanalzahl dazu bestellt werden.

2. Art der Rückstellung

Wichtig ist, dass sich die Schalter einfach und unfallfrei betätigen lassen. Das gilt auch für die Rückstellung. Ansonsten können Sie je nach persönlicher Präferenz zwischen Schalter mit einer Zug-, Dreh- oder Schlüsselentriegelung wählen. Bei letzterer Option gilt zu beachten, dass Schlüssel zur Ermöglichung einer sicheren Betätigung immer abgezogen werden müssen.

3. Schutzkragen

Der Einsatz von Schutzkragen kann die Betätigung von Not-Halt-Schaltern im Notfall erschweren und sind bei Möglichkeit zu vermeiden. Unumgänglich sind sie jedoch, wenn eine unbeabsichtigte Betätigung vermieden werden muss und sich die Not-Halt-Befehlsgeräte an keiner anderen sinnvollen Stelle platzieren lassen.

4. Besondere Features

Für eine noch bessere Sichtbarkeit sorgen Not-Halt-Taster mit integrierter Beleuchtung. Optional kann darüber auch der jeweilige Schaltzustand angezeigt werden.

Verschiedene Arten von Not-Halt-Systemen

Häufig werden mit Not-Halt-Einrichtungen insbesondere Not-Halt-Drucktaster in Verbindung gebracht. Es gibt jedoch viele weitere Varianten, wie zum Beispiel Seilzug-Notschalter, die sich wie ihr Name vermuten lässt, durch das Ziehen am Seil auslösen lassen und sich insbesondere für den Einsatz an langen Förderstraßen eignen. Not-Halt-Schalter können beispielsweise jedoch auch in anderen Bediengeräten wie Simatic HMI Mobile Panels, Zustimmtastern und Zweihand-Bedienpulten integriert sein. Diese Modelle zeichnen sich durch ihre Flexibilität oder auch der Nähe zu den Händen des Bedieners aus. Wenn die Hände nicht zum Einsatz kommen können, stellen auch Fußschaltervarianten eine praktische Alternative dar. Die Ausführungen ohne Schutzkappen sind dabei jedoch nur in Erwägung zu ziehen, wenn keine andere Umsetzung möglich ist. Ansonsten wird von deren Einsatz abgeraten.

Welche Lösung zur Auswertung ?

Was wäre der Einsatz von Not-Halt-Eingabegeräten, wenn diese nicht fachgerecht ausgewertet würden? Zur Auswertung haben Sie drei Lösungsmöglichkeiten zur Auswahl: Sicherheitsrelais, Sicherheitskleinsteuerungen oder eine fehlersichere speicherprogrammierbare Steuerung.

Sicherheitsrelais kommen dann für Sie in Frage, wenn Sie wenige Sicherheitsfunktionen und eine fest verdrahtete Installation bevorzugen. Eine Vernetzbarkeit ist mittels Sicherheitsrelais nicht möglich. Wählen Sie Sicherheitskleinsteuerungen, wenn Sie eine flexible und parametrierbare Lösung mit zwei bis acht Sicherheitsfunktionen wünschen. Die Parametrierung erfordert keine Vorkenntnisse und lässt sich einfach grafisch via Drag und Drop umsetzen. Eine Vernetzbarkeit ist je nach System optional gegeben. Mit fehlersichere Sicherheitssteuerungen decken Sie alles ab: viele Sicherheitsfunktionen, eine hohe Veränderbarkeit sowie Vernetzbarkeit. Hierbei sollten Sie jedoch über Programmierkenntnisse verfügen, um das volle Potenzial ausschöpfen zu können.

Bildergalerie

  • Unterschied zwischen Not-Halt- und Not-Aus-Schaltern

    Unterschied zwischen Not-Halt- und Not-Aus-Schaltern

    Bild: Automation24

  • Anschlussbeispiel einer Querschlusserkennung mittels Testtakten

    Anschlussbeispiel einer Querschlusserkennung mittels Testtakten

    Bild: Automation24

  • Auswahlkriterien für Not-Halt-Schalter-Auswertegeräte

    Auswahlkriterien für Not-Halt-Schalter-Auswertegeräte

    Bild: Automation24

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