Ewigkeitschemikalien im Visier Kugelmühlen gegen PFAS – nachhaltige Filter im Test

Neue, mechanochemisch hergestellte Nano-Gerüststrukturen sollen PFAS-Moleküle binden und könnten künftig zur Reinigung von Abwasser und Trinkwasser eingesetzt werden.

Bild: Science Communication Lab, DESY
01.10.2025

Ein Forschungsteam der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) hat mithilfe der Röntgenquelle PETRA III am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) ein neues Filtermaterial gegen PFAS entwickelt. Die mechanochemisch erzeugten Nano-Gerüststrukturen könnten dabei helfen, die sogenannten Ewigkeitschemikalien effizient aus dem Abwasser zu entfernen.

PFAS sind fluorhaltige Verbindungen, die in vielen Alltagsprodukten enthalten sind, beispielsweise in Outdoor-Bekleidung und Kochgeschirr wie der Teflonpfanne. PFAS sind nämlich widerstandsfähig, hitzebeständig und schmutzabweisend. Genau diese Stabilität verursacht Probleme: Die potenziell gesundheitsschädlichen Substanzen werden in der Umwelt kaum abgebaut und gelten daher als Ewigkeitschemikalien.

Auch in Abwässern finden sich PFAS. Sie herauszufiltern, ist zwar möglich, aber aufwändig. Ein Team unter der Leitung der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) hat nun ein neues Filtermaterial auf Basis einer ungewöhnlichen Produktionsmethode entwickelt. Entscheidende Experimente zur Verbesserung des Verfahrens fanden an der Röntgenquelle PETRA III des Forschungszentrums DESY statt. Die Arbeitsgruppe stellt ihre Ergebnisse im Fachmagazin Small vor.

PFAS mit Nano-Gerüststrukturen aus Abwasser filtern

Die neuen Filterkandidaten heißen „kovalente organische Gerüststrukturen“. Sie besitzen nanometerkleine Poren, in denen PFAS-Moleküle buchstäblich hängenbleiben können. Die Nano-Gerüste lassen sich auf originelle Weise herstellen: durch das Mahlen in einer speziellen Mühle. „Im Labor nutzen wir dazu einen kleinen Plastikzylinder, etwa so groß wie ein Filmdöschen“, erklärt BAM-Forscherin Franziska Emmerling. „In diesen Zylinder geben wir etwas Pulver, ein Tröpfchen Lösemittel und zwei Stahlkugeln, die etwa so groß sind wie Pfefferkörner.“

Eine Spezialmechanik schüttelt diese Kugelmühle dann mehr als 30-mal pro Sekunde hin und her, wodurch der Inhalt regelrecht gemahlen wird. Zunächst werden die Pulverkörnchen dabei kleiner. Dadurch gewinnen sie an Oberfläche. Nach einigen Minuten kann unter dem Einfluss von Reibungswärme, Druckerhöhung und Bewegungsenergie eine chemische Reaktion einsetzen. Die kleingemahlenen Partikel verbinden sich zu größeren Gebilden, zu filtertauglichen Gerüststrukturen. Dieser wenig bekannte Zweig der chemischen Produktionsverfahren heißt Mechanochemie.

„Eigentlich ist das eine alte Geschichte, vermutlich spielte die Mechanochemie bereits im Altertum eine Rolle“, erzählt DESY-Physiker Martin Etter. „Beim Zerreiben pflanzlicher Stoffe in einem Mörser dürften erste Arzneiwirkstoffe freigesetzt oder eventuell sogar durch chemische Reaktion entstanden sein.“ Heute werden mechanochemische Verfahren in der Industrie für die Synthese von Medikamenten, Katalysatoren und Funktionsmaterialien genutzt. Da sie meist ohne große Mengen giftiger Lösungsmittel und mit vergleichsweise wenig Energie auskommen, gelten die Verfahren als nachhaltig und umweltverträglich.

Fortschritte in der Filtertechnologie

Doch wie lassen sich die Filtergerüste am wirkungsvollsten per Kugelmühle herstellen? Um das herauszufinden, untersuchte die Arbeitsgruppe in Hamburg den Prozess mit dem hochintensiven, gebündelten Röntgenlicht von PETRA III. Während die Mühle in Aktion war, durchleuchtete der Strahl alle zehn Sekunden ihren Inhalt und konnte dabei die Kristallstrukturen enträtseln. „Die beiden Ausgangsstoffe lieferten ein anderes Muster auf unserem Detektor als die Chemikalie, die durch die chemische Reaktion entstand“, erklärt Etter. „Wir konnten quasi live zusehen, wie die Muster der beiden Startchemikalien immer schwächer wurden und zugleich das Muster der neuen Chemikalie erschien – das der Gerüststrukturen.“

Um die verbesserte Prozessparameter zu ermitteln, variierte das Team unter anderem die Schüttelfrequenz der Kugelmühle sowie die Menge des beigefügten Lösungsmittels. Das Ergebnis: Die besten Gerüststrukturen entstanden bei einer Frequenz von 36 Hertz, einer Pulvermenge von 266 Milligramm und einer Lösungsmittelzugabe von 250 Mikrolitern – das entspricht nur wenigen Tröpfchen. Im Gegensatz zu anderen Gerüststrukturen, die bereits als Filter eingesetzt werden, enthält das neue Material keine Schwermetalle und wäre somit umweltverträglicher.

Wie sich die potenziellen PFAS-Filter im großtechnischen Maßstab herstellen lassen, ist zwar noch offen. Martin Etter hat jedoch bereits einige Ideen, wo sie eines Tages Verwendung finden könnten. „Etwa in Kläranlagen von Unternehmen, in deren Produktion PFAS-Chemikalien anfallen“, sagt der Physiker. „Und vielleicht können sie irgendwann sogar in gewöhnliche Wasserhähne integriert werden, um dadurch unser Trinkwasser zu filtern.“

Die Forschung im Bereich der Mechanochemie wird bei DESY weitergehen. Dabei setzen die Fachleute große Hoffnungen auf PETRA IV, die geplante Nachfolgerin der heutigen Röntgenlichtquelle. PETRA IV soll einen deutlich feineren, stärker gebündelten Röntgenstrahl liefern, wodurch sich die Messungen erheblich beschleunigen dürften. „Dann werden wir nicht alle zehn Sekunden ein Bild aufnehmen können, sondern vielleicht zehn Bilder pro Sekunde“, schwärmt Etter. „Und damit könnten wir zum Beispiel chemische Prozesse beobachten, die sehr schnell ablaufen und bei denen kurzlebige Zwischenstrukturen entstehen.“

Bildergalerie

  • Darstellung des Aufbaus der Gerüststruktur.

    Darstellung des Aufbaus der Gerüststruktur.

    Bild: Science Communication Lab, DESY

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