Die Welt mit anderen „Augen" wahrnehmen Interview über 3D-Time-of-Flight-Technologie

Thomas Tzscheetzsch, Field Application Manager bei Analog Devices, erzählt im Interview wie man die Welt mit ToF wahrnehmen kann.

Bild: Analog Devices
03.11.2021

Bilderfassungssysteme gewinnen im industriellen Umfeld, bei der Gebäudeautomation aber auch im Automobilbereich immer mehr an Bedeutung. Die Time-of-Flight (ToF) ist dabei technologisch ganz weit vorne. Was ToF leistet und welche Lösungen mit dieser Technologie möglich sind, verrät uns detailliert Thomas Tzscheetzsch, Field Application Engineer Manager bei Analog Devices im Interview.

Herr Tzscheetzsch können Sie kurz die prinzipielle Funktionsweise der ToF-Technologie erläutern?

Time of Flight besteht aus einem Controller, der die Aufgabe hat, zum einen ein Lichtsignal über eine Laserdiode auszusenden und gleichzeitig die Laufzeit des vom Objekt reflektierten Lichtes zu messen. Basierend auf diese Zeitmessungen berechnet ein Algorithmus die verschiedenen Tiefeninformationen. Das System ermittelt dann im Endeffekt die Entfernung des zurückgelegten Lichtes, die dann natürlich geteilt durch Zwei ist, weil sich die Zeitangabe für den Hin- und Rücklauf bezieht. Das ist das einfache Prinzip von ToF.

Für welche Anwendungsbereiche sind die Analog Devices Lösungen mit der ToF-Technogien besonders gut geeignet und warum?

Im Consumer-Bereich sehen wir die ToF-Technologie zum Beispiel in Verbindung mit virtuellen Spielen in Controllern, die den Spieler erfassen und die Informationen an das System weiterleiten. Im Bereich Industrie kann das System etwa in der End-of-Line-Kontrolle eingesetzt werden, um die korrekte Ausrichtung der Produkte, die Kartonhöhe oder etwa die Verschließung bei Flaschen zu überprüfen - auch im Mobility-Bereich in Assistenzsystemen zur Erkennung von Ermüdungserscheinungen und Fehlhandlungen. Im Healthcare-­Umfeld lässt sich ToF für Patientenüberwachung einsetzen. beispielsweise in einem MRT, um die korrekte Position der Person zu überprüfen oder etwas einfacher: Liegt der Patient überhaupt noch in seinem Bett? Auch im Security- und Surveillance-Bereich sind Anwendungen wie Personenzählung oder Überwachung von Eingängen problemlos möglich. Ganz aktuell ist, der Bereich Robotik zu nennen, hier speziell die Objekterkennung bei fahrenden Robotern oder auch die Mensch-Maschine-Zusammenarbeit (Cobot).

Sie bieten für ToF die Komponenten ADSD3100, ADDI9036, ADP3634 an. Worum handelt es sich bei diesen Bausteinen und wofür werden sie eingesetzt?

Der ADSD3100 ist unser neuester CMOS-Sensor mit integrierten ToF-Timing-Management. Nutzt man den Vorgänger-Chip oder einen vergleichbaren CCD-Sensor, so ist zusätzlich der ADDI9036 Signalprozessor notwendig. Dieser liest das CCD aus und managed das ganze Timing. Der ADP3634 dagegen ist ein MOSFET-Lasertreiber mit hoher Performance und sehr steilen Signalflanken, um über die gepulste Laserdiode in Verbindung mit den reflektierten Lichtstrahlen möglichst genaue Laufzeitberechnungen durchzuführen. Um Erweiterungen anzuschließen, stehen dem CMOS-ToF-Sensor Schnittstellen wie MIPI CSI-2, SPI oder I2C zur Verfügung. Für die volle ToF-Funktionalität benötigt man aber noch den ADP-Lasertreiber und idealerweise noch einen Temperatursensor für die Temperaturkompensation des CMOS-Sensors. Zusätzlich sind für ein Komplettsystem noch eine Optik, ein Controller und ein Gehäuse notwendig. Im Vergleich zur CCD- bieten CMOS-Sensoren einige Vorteile wie: Sie sind kostengünstiger als die vergleichbaren CCD-Systeme und decken eine höhere Dynamik ab. Damit sind sie ideal für Anwendungen im Consumer- und Industrieumfeld einsetzbar.

ADI bietet auch ein 3D-ToF-Development-Plattform an. Was verbirgt sich dahinter und wofür kann man sie nutzen?

Diese Plattform dient dazu, dem Kunden zu helfen, seine Benutzerapplikation zu programmieren. Das heißt, der Entwickler hat neben dem Zugriff auf verschiedene Software-Levels auch eine Hardware in Form eines Moduls. Das Time-of-Flight-Modul beherbergt neben der Optik auch den CMOS-Sensor, die Laserdiode inklusive Treiberbaustein sowie verschiedene Anpassungen und eine Schnittstelle samt API für die Anbindung an ein Steuersystem. Darüber hinaus gibt es noch die Möglichkeit, über unser Software-Development-Kit auch direkt eine Schnittstelle zur Cloud aufzubauen. Sie stellt die Basisfunktionen für den Software-Ingenieur zur Verfügung, der damit seine Endapplikationen schreiben kann. Das bedeutet: Der Entwickler bekommt die fertige Bildauswertung inklusive zugehöriger Daten und kann direkt die Anpassung an seine Anwendung vornehmen - leichter geht es nicht in ToF einzusteigen und das ist das Ziel dieser Plattform.

Welche Vorteile bringt die ToF-Technologie gegenüber herkömmlichen auf den Markt befindlichen Lösungen?

ToF vereint einige Vorteile gegenüber anderen Technologien, doch auch die Nachteile darf man nicht verschweigen. ToF ist keine All-in-One-Lösung, sondern ein System für einen technologisch fest definierten Einsatzbereich. So bietet zum Beispiel die LiDAR-Technologie eine höhere Reichweite, aber diese beruht typischerweise nur auf einem 2D-System. ToF dagegen arbeitet als 3D-System. Zudem ist der Aufwand an Komponenten und die verwendeten Algorithmen deutlich höher, um die gleiche Genauigkeit zu erreichen. Eine vergleichbare Technologie zu LiDAR ist die Stereokamera. Dieses System besteht aus zwei Kameras und ist recht teuer. Hier wird eine doppelte Optik verwendet, die eine doppelte Leistung beziehungsweise doppelte Rechenpower, wenn nicht sogar vierfache Rechenpower, benötigt. Daher ist Time of Flight hier deutlich besser, da die technologischen Vorteile meist überwiegen. Aber es gibt auch Anwendungen zum Beispiel in staubigen Umgebungen, wo der Einsatz optischer Systeme keinen Sinn machen. Hier ist Radartechnologie oder andere nichtoptische Systeme die bevorzugte Wahl. Wenn es um Reichweite geht, da hat ToF auch seine spezifischen Grenzen, denn typischerweise arbeitet ToF im Bereich von bis zu fünf Metern. Da geht Radar deutlich weiter wie etwa im Automobilbereich, wo die Technologie über mehrere hundert Meter einsetzbar ist. Darüber hinaus wird parallel zu Radar mit beweglichen Teilen auch noch die LiDAR-Technologie eingesetzt, die aber teurer als Time of Flight ist und das ist der wesentliche Vorteil von ToF. Kurz gefasst kann man sagen: Preislich ist Time of Flight die beste Variante. Sie ist vielfältig nutzbar und in den Bereichen, wo man sie einsetzt, unschlagbar.

Wie unterstützen Sie Anwender/Entwickler bei der Entwicklung eigener Applikationen basierend auf Ihrer ToF-Technologie?

Also, wir haben verschiedene Level des Supports. Zum einen gibt es das sogenannte V-Lab, wo es bestimmte Anwendungen schon fertig programmiert gibt, die der Kunde auf seiner Hardware testen kann. Hier benötigt der Anwender keine Python-Code-Kenntnisse, die fertigen Module lassen einfach laden und mit den entsprechenden Applikationen ausprobieren. Zum Beispiel haben wir dort einen Algorithmus zum Berechnen des Volumens von unterschiedlichen Transportboxen mit Hilfe einer ToF-Kamera hinterlegt. Wenn der Anwender mehr Fragen zur Hardware hat, gibt es den Support über die Engineer-Zone. Die Engineer-Zone ist eine Community, die über unsere Website für alle zugänglich ist. Wer sich registriert, kann auch Fragen stellen, ansonsten hat man nur eine Leseberechtigung für die Community-Beiträge. In diesem Bereich bekommt der Anwender von unseren eignen Ingenieuren, aber auch von anderen Kunden, direkten Support. In diesem Forum, so unsere Vorgabe, beträgt die Antwortzeit weniger als 24 Stunden und das weltweit. So stellen wir sicher, dass unsere Kunden/Anwender schnell eine Lösung für ihr Problem bekommen. Dann offerieren wir noch die Wiki-Page. Das ist eine Informationsplattform, auf der wir etwa User Guides, aktualisierte Treiber, Software und andere Hilfestellungen zu verschiedenen Produkten für unsere Anwender zur Verfügung stellen. Hier unterstützen wir die Nutzer intensiv, damit sie ihre Anwendung einfach und problemlos in Betrieb nehmen können.

Wie differenziert sich Analog Devices mit der 3D-ToF-Technologie von Mitbewerbern?

Hier unterscheiden wir zwischen Industrie- und Consumer-Kunden. Wobei wir klar den Fokus auf die Industrie setzen. Unsere Stärken liegen, auch gegenüber dem asiatischen Markt, in der hohen Produktqualität, Produktstabilität und dem Support. Auch differenzieren wir uns in puncto Performance der verschiedenen Bausteine, in der Summe der möglichen Applikation und in der Möglichkeit, die Functional Safety in die Lösung einzubringen. Das heißt, auch das Approval vom TÜV in Bezug auf funktionale Sicherheit für ein System zu bekommen. So reden wir gerade mit dem TÜV, um unsere 3D-Technologie im beweglichen Industriebereich einsetzbar und attraktiv zu machen. In diesem Bereich gibt es nicht viele Mitbewerber, die auch eine 3D-Technologie in diesem sensiblen und kritischen ToF-Bereich haben. Zudem gehen wir auch auf Kundenwünsche ein und können so kundenspezifische Designs mit überschaubaren Ressourcen in Lösungen einfließen lassen.

Was sind die nächsten Schritte, die Analog Devices mit seiner 3D-ToF-Technologie plant und darüber hinaus?

E-Mobility ist bei uns ein großes Thema, gerade, was Ladetechnik angeht und in diesem Zusammenhang der Aspekt: drahtloses Batteriemanagement. Hier stellen wir uns den Einsatz von ToF-Technologie vor, damit das Laden an der Elektroladesäule noch viel schneller geht. Ein Cobot an der Ladesäule, der mit einigen Time-of-Flight-Kameras ausgerüstet ist, übernimmt vollautomatisch den Ladevorgang, ohne dass der Mensch noch Hand anlegen muss. Neben Time of Flight haben wir eine weitere Baustelle mit so etwas langweiligen wie Ethernet, das mit Single Pair Ethernet aber wieder spannend wird. Da gibt es momentan so viele neue Anwendungen, gerade im Bereich Building Automation: alte Infrastruktur nutzen, neue Geräte einbauen und noch Leistung von bis zu 50 Watt übertragen. Was früher gar nicht möglich war, ist heute kein Problem und das sogar in explosionsgeschützten Geräten beziehungsweise Räumen. Das finde ich spannend, obwohl es eigentlich eine einfache Geschichte ist.

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