Europäische Wasserstoffwirtschaft Industriepartner wollen Wasserstoffanwendung etablieren

Das Projekt „Clean Hydrogen Coastline“ könnte zu einem Baustein einer europäischen Wasserstoffwirtschaft werden.

Bild: EWE
25.03.2021

Eine marktrelevante Integration und Skalierung der Wasserstoff-Technologie in das deutsche und europäische Energiesystem, streben die Industriepartner Arcelor Mittal Bremen, EWE, FAUN, Gasunie, swb und TenneT im Nordwesten Deutschlands mit ihrem Projekt „Clean Hydrogen Coastline“ an.

Den Projektbeteiligten zufolge ist Clean Hydrogen Coastline ein Verbund aus Partnern der gesamten Wertschöpfungskette und damit der Schlüssel für eine erfolgreiche Etablierung der Wasserstofftechnologie. Bis zum Jahr 2026 wollen die Partner bis zu 400 MW Elektrolysekapazität mit entsprechender Speicherung von Wasserstoff zielgerichtet in das Energiesystem integrieren.

„Wir haben in Norddeutschland – der Windkraftregion – die besten Voraussetzungen, um Wasserstoff als integralen Bestandteil in das Energiesystem einzubinden und den Grundstein für eine europäische Wasserstoffwirtschaft zu legen. Die Bundesregierung hat mit der Nationalen Wasserstoffstrategie die Bedeutung dieses Energieträgers und Rohstoffs deutlich gemacht. Um Wasserstoff im großen Maßstab zu marktfähigen Preisen nutzen können, müssen jetzt Großprojekte der Industrie folgen“, sagt EWE-Vorstandsvorsitzender Stefan Dohler.

Industrie und Verkehr als Absatzmarkt für Wasserstoff

Die Grundlage einer nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft ist ein gesicherter Absatzmarkt von grünem Wasserstoff, zum Beispiel in Industrieanwendungen. Hier bietet der Stahlstandort Bremen großes Potenzial. „Das Projekt Clean Hydrogen Coastline ist für uns ein wichtiger Startpunkt für die klimaneutrale Herstellung von Stahl“, sagt Reiner Blascheck, Vorstandsvorsitzender von Arcelor Mittal Bremen. „Wir haben den Transformationsprozess gestartet, indem wir den Technologiewechsel vorbereiten, um grünen Wasserstoff in der Produktion einzusetzen. Wir benötigen dazu eine funktionierende Versorgung mit Wasserstoff zu wirtschaftlichen Kosten, damit wir den Stahlstandort Bremen dauerhaft wettbewerbsfähig erhalten können“, ergänzt Blaschek. Bis zum Jahr 2026 beabsichtigt der Stahlhersteller am Standort Bremen den Bau einer Eisenerz-Direktreduktionsanlage und eines Elektrolichtbogenofens, um damit im ersten Ausbauschritt 1,5 Millionen t Rohstahl mit deutlich geringeren CO2-Emissionen herzustellen.

Entscheidenden Anteil am Absatzmarkt für Wasserstoff und damit am schnellen Markthochlauf der Technologie hat auch der Verkehrssektor. „Dabei ist wichtig, dass wir zeitnah Fahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb auf die Straße bekommen“, sagt Patrick Hermanspann, CEO der FAUN Gruppe. „Wir haben bereits umfangreiche Erfahrungen bei der Ausrüstung von Abfallsammelfahrzeugen mit Brennstoffzellensystemen gemacht. Eine Übertragung auf weitere Nutzfahrzeuge im Waren- und Gütertransport ist daher unser erklärtes Ziel – für einen klimaneutralen Lastverkehr. Hier ist es die Aufgabe, ausreichend Produktionskapazitäten zu schaffen.“ Innerhalb des Projekts Clean Hydrogen Coastline will FAUN daher die Fertigung erweitern, um bis zum Jahr 2026 bis zu 12.000 Fahrzeuge in den Betrieb bringen zu können. FAUN und EWE planen diese Bestrebungen mit einem dezentralen Tankstellennetz zu unterstützen. Durch dieses wird es den Anwendern ermöglicht, flexibel zu agieren und es wird eine bedarfsgerechte Versorgung der Fahrzeuge sichergestellt. „Die Kombination aus Fahrzeugen und dezentraler H2-Versorgung bietet den Kunden ein rundum-sorglos-Paket und das muss das Ziel sein“, ergänzt Patrick Hermanspann.

Einbindung von Wasserstoff in bestehende Energieinfrastrukturen

Um Wasserstoff als Energieträger in das Energiesystem einbinden zu können, gilt es, die vorhandene Strom-und Gasinfrastruktur intelligent zu nutzen. „In Nordwest-Deutschland ist es aufgrund hoher Erzeugungskapazitäten von erneuerbaren Energien möglich, Elektrolyseanlagen auch im großen Maßstab systemdienlich einzubinden. Grüner Wasserstoff sollte möglichst dort produziert werden, wo auch der notwendige Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Das vermeidet unnötig große Stromflüsse und hilft, den zusätzlichen Ausbau der Stromnetze zu begrenzen“, sagt Tim Meyerjürgens, Geschäftsführer des Übertragungsnetzbetreibers TenneT. „Passende Standorte lassen sich in Nordwest-Deutschland bereits heute identifizieren. Mit dem Anschluss zusätzlicher erneuerbarer Energien, insbesondere im Offshore-Bereich, steigt das Potenzial für weitere Wasserstoffanlagen weiter an“, ergänzt Meyerjürgens. In Kombination mit der Gasinfrastruktur könne eine sinnvolle Integration von Wasserstoff als Energieträger gelingen.

„Im Nordwesten liegt die erste Ausbaustufe unseres HyPerLink-Vorhabens. Bis zum Jahr 2025 wollen wir über unsere Ferngasleitungen eine Verbindung wichtiger Produktions- und Speicherstandorte mit relevanten Absatzmärkten schaffen, und zwar in Niedersachsen, in Bremen und Hamburg“, sagt Jens Schumann, CEO Geschäftsführer des Fernleitungsnetzbetreibers Gasunie Deutschland Transport Services. „Das HyPerLink-Vorhaben ist eng mit dem Projekt Clean Hydrogen Coastline verbunden und wird als ein wichtiger Bestandteil des europäischen Backbone eine Verbindung zwischen den Niederlanden, Deutschland und Dänemark schaffen.“

Produktion und Speicherung von Wasserstoff

Mit den Absatzmärkten und der geplanten Einbindung in die Energieinfrastrukturen entstehen alle notwendigen Voraussetzungen für eine marktnahe Herstellung von grünem Wasserstoff. „Wir können bis zum Jahr 2026 unter diesen Voraussetzungen Produktionskapazitäten bis zu 400 Megawatt schaffen“, sagt Stefan Dohler. Dabei liegt das Potenzial deutlich höher. Alleine durch das Projekt Clean Hydrogen Coastline ergeben sich am Stahlstandort Bremen und für die Versorgung der 12.000 Fahrzeuge ein theoretisches Absatzpotenzial von mehr als 2,2 GW Elektrolysekapazität. Für die ersten Ausbaustufen im Bereich 200 MW werden für die Erzeugung und Nutzung der Standort Bremen und für die Erzeugung und Speicherung das 20 km entfernte Huntorf in der Wesermarsch ins Auge gefasst. „Mit der Errichtung eines Großelektrolyseurs am swb-Kraftwerksstandort Mittelsbüren leisten wir einen großen Beitrag zu einer CO2-freien Industrie. Dadurch wird Bremen zu einem First Mover in der europäischen Wasserstoffwirtschaft“, sagt Dr. Torsten Köhne, swb-Vorstandsvorsitzender. Das Unternehmen swb plant zusammen mit EWE am Standort Bremen eine Elektrolyseanlage.

In Huntorf betreibt EWE Erdgasspeicher. Im Rahmen des Projekts soll hier ein Kavernenspeicher auf Wasserstoff umgerüstet werden. Damit soll ausreichend Flexibilität für einen netzdienlichen Betrieb der Elektrolyse bei gleichzeitiger Versorgungssicherheit auf der Anwenderseite zur Verfügung stehen. Das Besondere des Speicherstandorts Huntorf ist seine Lage zwischen Oldenburg und Bremen. Durch bestehende Gasleitungen von EWE Netz kann der Standort Huntorf bereits kurzfristig an Oldenburg und Bremen und an das Fernleitungsnetz angebunden werden. Damit ist es möglich, bereits ab dem Jahr 2025 überregionale Speicherkapazitäten, beispielsweise für Hamburg, anzubieten.

Projekt Clean Hydrogen Coastline

Die Projektpartner sind sich einig, dass für eine erfolgreiche Umsetzung des Projektes auch passende regulatorische Rahmenbedingungen vorliegen müssen. Darüber hinaus erachten sie auch Fördergelder in dieser frühen Phase des Markthochlaufes der Wasserstofftechnologien als notwendig. Die Partner haben sich daher Ende Februar an der Interessensbekundung des BMWi für ein IPCEI (Important Project of Common European Interest) beteiligt. Durch bestehende Kooperationen zwischen deutschen und niederländischen Partnern könnte das Projekt im Sinne eines IPCEI zu einem wichtigen Baustein einer europäischen Wasserstoffwirtschaft werden. Bei den passenden Randbedingungen kann das Projekt bereits im zweiten Quartal des nächsten Jahres starten und eine Gesamtinvestition von 1,3 Milliarden Euro für die Wasserstofftechnologie auslösen.

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