Griff in die Toolbox So hilft der Digitale Zwilling bei der Elektronikfertigung

Siemens Digital Industries bietet einige Software-Tools an, die bei der Digitalisierung in der Elektronikindustrie unterstützen sollen.

Bild: iStock, carloscastilla
22.06.2022

Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf die Elektronikindustrie? Kann die Digitalisierung bei der Einführung neuer Produkte auf dem Markt wirklich einen entscheidenden Vorteil bringen? Ist es ein Wettbewerbsvorteil, in der Digitalisierung weiter fortgeschritten zu sein? Um diese Fragen zu beantworten, muss ein Projekt über seinen gesamten Entstehungsprozess hinweg verfolgt werden, vom Entwurf bis zum fertigen Produkt.

Wie beeinflusst Digitalisierung die Elektronikindustrie? Eine Übersicht zu einigen der wichtigsten auf dem Markt erhältlichen Softwaretools, mit Schwerpunkt auf den Produkten von Siemens Digital Industries, soll diese Frage beantworten. Siemens ist bisher als einziges Unternehmen in der Lage, alle Lösungen in einer einzigen, integrierten Umgebung bereitzustellen.

Die Theorie: Digitalisierung der Organisation

Zunächst muss das Problem abstrakt betrachtet werden. Viele Unternehmen sind heutzutage immer noch in geschlossenen Abteilungen organisiert. Der Informationsfluss ähnelt nicht einem sogenannten kontinuierlichen Prozess, sondern besteht aus einer Reihe von manuellen Schritten und einzelnen Benachrichtigungen, die zwischen verschiedenen Abteilungen ausgetauscht werden. Wenn es um die Einführung neuer Produkte geht, denkt man in der Regel an:

  • Produktentwicklung

  • Fertigungstechnik

  • Verwaltung der Produktionsabläufe

  • Nutzungsanalyse und Leistung

Und nicht nur das: Selbst innerhalb dieser organisatorischen „Silo“ sind nicht zusammenhängende Sachverhalte anzutreffen, die vor allem durch den Einsatz von Softwarelösungen verursacht werden, die nicht miteinander kommunizieren und zu einer Vervielfältigung von Informationen führen.

Die Hersteller von Softwareanwendungen müssen heute mehr denn je in der Lage sein, eine Infrastruktur zu schaffen, die in der Lage ist, Silos und Barrieren zu überwinden und einen „digitalen Faden“ zu spannen, der alle Phasen vom Entwurf über die Ausführung bis hin zur Fertigstellung des Produkts verbindet

Der digitale Zwilling

Der digitale Zwilling ist eine virtuelle Darstellung eines physischen Produkts oder Prozesses, die dazu dient, die Leistungsmerkmale seines physischen Gegenstücks zu verstehen und vorherzusagen. Der Digitale Zwilling wird während des gesamten Produktlebenszyklus zur Simulation und Optimierung des Produkts sowie zur Prognose des Produktionssystems herangezogen, bevor in Prototypen und physische Ressourcen investiert wird.

Nur so kann „Digital Manufacturing“ wirklich realisiert werden – als Verbindung von Fertigungstechnik und Produktion und als Grundlage für eine langfristige digitale Kontinuität zwischen innovativem Produktdesign und erstklassiger sowie qualitativ hochwertiger Leistung.

All dies wird in der Elektronikindustrie mit einer Reihe von Softwarelösungen in die Praxis umgesetzt, die sämtliche Anforderungen im Zusammenhang mit der Einführung neuer Produkte abdecken:

  • Valor NPI für DFM-Analysen (Design for Manufacturing)

  • PCBflow für eine unmittelbar mit den tatsächlichen Produktionsmöglichkeiten verbundene DFM-Analyse

  • Process Preparation für die Verwaltung der gesamten Phase der Fertigungstechnik

  • BOM Connector für die Erstellung von zuverlässigen Angeboten auf Basis der Stückliste

DFM-Verifizierung von Leiterplatten

Das Produkt, das auf den Markt gebracht werden soll, ist in erster Instanz ein Projekt. Projekte werden bereits seit vielen Jahren mit digitalen Werkzeugen (Electronic Design Automation – EDA) entwickelt. Ein häufig anzutreffendes Manko ist jedoch die fehlende Verbindung zwischen Design und Produktion. Denn oft sind Designer mit den verschiedenen Produktionsprozessen, die zur Herstellung einer Leiterplatte führen, nicht tiefgehend vertraut.

Diese Prozesse gehören zu zwei sehr unterschiedlichen Bereichen: die Herstellung der bloßen Platine und die Montage der Bauelemente auf der Platine. Beide Bereiche sind komplex, zum einen wegen der unterschiedlichen Technologien, zum anderen, weil jeder Hersteller seine eigenen Besonderheiten in Bezug auf die verschiedenen Parameter hat, die er bei der Ausführung eines Projekts erfüllen kann.

Valor NPI ist das Siemens-Tool, das praktisches Wissen über Produktionsprozesse – Fertigung und Montage – direkt in den Leiterplattenentwurfsprozess einbringt. Das Tool ermöglicht die Durchführung aller erforderlichen Realisierbarkeitsprüfungen vor der Umsetzung des physischen Prototyps, einschließlich zahlreicher Kontrollen basierend auf konkreter Produktionstechnologien, für Herstellung als auch für Montage. Dies hat den Vorteil, dass eventuelle Probleme vorweggenommen werden und die Produktion in kürzester Zeit mit der korrekten Version beginnen kann.

Valor NPI ermöglicht es, jegliche Art von Fehlern oder Defekten frühzeitig zu erkennen und das Design für die Massenproduktion zu optimieren, indem festgestellt wird, wo geringe Erträge oder Fehlfunktionen auftreten können.

Der „digitale Faden“, der das Produkt begleitet, wird unmittelbar am Beginn des Entwurfs aufgenommen, denn Valor NPI ist direkt in der Siemens-Xpedition-Layout-Umgebung verfügbar und kann auch in andere PCB-Design-Tools integriert werden. Die DFM-Verifikation startet mit Beginn des Projekts und es sind keine komplexen Datenexportoperationen nötig.

DFM in der Cloud mit PCBflow

Auch im Bereich DFM verspricht ein kürzlich von Siemens eingeführtes Tool einen wesentlichen Mehrwert, insbesondere für kleinere Unternehmen. PCBflow ist eine Cloud-Plattform und ein Ort der Zusammenarbeit, der den Prozess vom Design bis zur Produktion beschleunigt, indem er Entwickler direkt mit Herstellern verbindet.

Unternehmen können ihre Leiterplattenentwürfe vor der Freigabe für die Produktion einfach und kostengünstig durch eine DFM-Analyse unter Verwendung der aktuellen Auflagen des jeweiligen Herstellers prüfen. In einer sicheren, kollaborativen Umgebung können Leiterplattenhersteller den Designern ihre Qualifikationen unter Verwendung einer standardisierten Methode zur Verfügung stellen.

Der Ansatz von PCBflow ist ideal für Unternehmen, die neue Produktionsmöglichkeiten im Zusammenhang mit der Innovation der eigenen Produkte bewerten möchten

Zuverlässige New Product Introduction

Nach einer sorgfältigen DFM-Analyse ist der Entwurf bereit, an den Hersteller übermittelt zu werden, der den physischen Prototypen herstellen soll. Diese Phase ist von besonderer Wichtigkeit, um Probleme in der Produktion zu vermeiden. Daher ist es unter den Auftragsfertigern (EMS) zur Norm geworden, ihren Kunden eine komplette, mit Valor NPI durchgeführte DFM-Analyse als Dienstleistung anzubieten.

Wenn das Design einer guten DFM-Analyse unterzogen wurde, wird erwartet, dass bei der Bestückung der Platine schon beim ersten Versuch alles problemlos funktioniert. Ein erfolgreiches Ergebnis beim ersten Versuch ist viel wahrscheinlicher, wenn der digitale Faden, der von Anfang an bestand, konsequent weitergeführt wird. Das ideale Werkzeug dafür ist Process Preparation, die Siemens-Lösung für das Process Engineering in den SMT-Bestückungs- und Testlinien.

Sogenannte Process Preparation vereinfacht die Erstellung von Dokumentationen mithilfe integrierter und angepasster Vorlagen in einem einfachen und effizienten Prozess, der mit Stücklisten- und CAD-Daten verknüpft ist. Das Process Preparation Tool steigert auch die Effizienz des Engineerings, da es die Verwendung eines einzigen Tools für alle weiteren technischen Aktivitäten der Arbeitsvorbereitung ermöglicht.

Es eliminiert redundante Vorbereitungen mit lernbasierten Bibliotheken durch Automatisierung und die Verwendung von Vorlagen. Maximiert die Offline-Vorbereitung und eliminiert die Online-Prüfung und fehlerbedingte Verzögerungen. Ermöglicht die schnelle und einheitliche Erstellung und Pflege von Maschinendaten mit Ad-hoc-Konfigurationen zur Reduzierung von Abweichungen.

Durch die Nutzung des ODB++-Formats kann die Produktion nahtlos zwischen Linien und Werken verschoben werden, was die Entwicklungszeit verkürzt und die Qualität des Endprodukts erhöht. Es ermöglicht außerdem die direkte Entwicklung von Stencils (Schablonen).

Schnelle und genaue Angebote

Ein weiterer wichtiger Schritt in der Markteinführung eines Produkts ist die Preisgestaltung der Projekte. Ein präzises Angebot ist vor allem in einem High-Mix-Low-Volume Szenario und bei niedrigen Margen entscheidend. Zudem haben die jüngsten Ereignisse in der Logistik gezeigt, dass die tatsächliche Verfügbarkeit eines bestimmten Bauteils oft ungewiss ist – was die Zuverlässigkeit von Angeboten stark beeinträchtigt.

Hier kommt der BOM Connector ins Spiel, eine spezielle Softwarelösung von Siemens, die den benötigten Zeitaufwand für die Erstellung präziser Angebote für Leiterplattenbaugruppen deutlich reduziert.

BOM Connector importiert und standardisiert die von Kunden gesendeten Stücklisten und verbindet sie direkt mit dem ERP-System des Herstellers. Durch die Integration mit Process Preparation kann auch eine entsprechende CAD-Datei erstellt werden, um sicherzustellen, dass alle Bauteile für die Platine geeignet sind.

Die Covid-19-Pandemie brachte viele irreversible Veränderungen in der Branche mit sich und beschleunigte einige Trends, die bereits im Gange waren. Die Komponentenbeschaffung wurde schwieriger. OEMs mussten nach Alternativen suchen und Designs überarbeiten, um andere Komponenten einzusetzen. BOM Connector hat dazu beigetragen, diese globale Herausforderung zu bewältigen.

Die Kombination von Valor NPI, Process Preparation und BOM Connector bietet eine Komplettlösung für die Arbeitsvorbereitung, welche CAD und Stücklisten, die Positionierung von Bauteilen, Inspektions- und Testprogramme, das Stencil-Design, die Design-Validierung und die Auftragsplanung verschmelzen lässt.

Bildergalerie

  • Anwendung der DFM-Analyse auf das flexible PCB-Design

    Anwendung der DFM-Analyse auf das flexible PCB-Design

    Bild: Cadlog

  • Unterschiede zwischen Planung und Scheduling

    Unterschiede zwischen Planung und Scheduling

    Bild: Cadlog

  • DFM und der New Product Introduction Prozess

    DFM und der New Product Introduction Prozess

    Bild: Cadlog

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