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Prozessautomation & Messtechnik Der Glaskünstler

Hamilton Bonaduz AG

Bild: P&A
06.10.2014

Hans Gees hat einen außergewöhnlichen Beruf: Er ist Glasbläser. Edle Weinkelche und Champagnergläser gehören aktuell aber nicht zu seinen Kunsterzeugnissen. Der Schweizer fertigt bei Hamilton Bonaduz pH- und Redoxsensoren.

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Nur vereinzelt reden Menschen leise miteinander. Ansonsten herrscht Stille. Hans Gees sitzt an seiner Werkbank, eine spezielle Schutzbrille auf der Nase, ein Schlauch liegt um seinen Nacken. Arbeitsplatte und Trennwände zu den Arbeitsbereichen seiner Kollegen sind dunkel gehalten. Hans Gees mag das so. Er hält ein etwa 15 cm langes Glasrohr in die Flamme eines Bunsenbrenners und dreht es vorsichtig. Der gebürtige Schweizer ist hochkonzentriert: Die Gasflamme ist zwischen 600 und 1000 °C heiß – da will Gees selbstverständlich Verbrennungen vermeiden. Außerdem dürfen an dem Glasrohr keine Unebenheiten entstehen. Immer wieder bläst Hans Gees in den dünnen Schlauch, der mit dem Glasrohr verbunden ist. Nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig Luft – das ist dabei entscheidend. Sonst verformt sich das Glasrohr zu schnell in seinen Händen.

Hans Gees ist Glasbläser. Unter seinen Händen entsteht aber kein Weinglas und auch kein anderes Kunstobjekt. Nein, er fertigt aus dem Bariumglasrohr einen Sensor. Seit 2004 ist er einer von drei Glasbläsern bei Hamilton Bonaduz, die in der Herstellung von Redox- und pH-Sensoren tätig sind.

Bis zu 200 Sensoren stellt Hans Gees täglich her – abhängig vom Schwierigkeitsgrad des Produkts bzw. der verwendeten Teile. Platin und Silber gehören beispielsweise zu den Materialien, die die Sensorenherstellung aufwändiger machen: Das Verschmelzen von Platindraht mit einer Silberspirale setzt gewisse Übung voraus, erklärt Gees, während er den Draht in der Gasflamme erhitzt. Die Schwierigkeit dabei: Der Draht hält Temperaturen um die 1.500 °C aus, Silber verträgt hingegen nur um die 600 °C. Fingerspitzengefühl ist bei dieser Tätigkeit gefragt: Der Platindraht ist nämlich nur 0,2 mm dünn. Da kann es schnell passieren, dass der Draht einfach schmilzt. Fingerspitzengefühl, das Hans Gees beweist: Nur wenige Sekunden später sind beide Materialien miteinander verschmolzen. Die Spirale setzt der 60-Jährige nun in das Innenrohr des Sensorglases, den Platindraht wickelt er um die Kuppe des Sensors.

Dies zeigt, wie vielfältig die Arbeit von Hans Gees ist. Denn auch wenn der Glasbläser nur Redox- und pH-Sensoren fertigt – nicht jeder Glassensor ist gleich. Es gibt verschiedene Ausführungen: mit Silber, Platin, O-Ringen, mit einem oder mehreren Diaphragmen, mit abgerundeter, länglicher oder sogar spitzer Kuppe. Abhängig ist dies jeweils von den Kundenwünschen und dem späteren Einsatz. Der Schweizer erzählt: „In der Fleischproduktion muss die Kuppe beispielsweise spitz sein, damit der Sensor in das Fleisch gestoßen werden kann.“

Seine Ausbildung zum Glasbläser hat Hans Gees in Chur (Hauptort des Kantons Graubünden) absolviert – mit diversen Ausbildungseinsätzen auf Murano. Die Inselgruppe nordöstlich von Venedigs Altstadt ist bekannt für ihre Glaskunst. Trinkgläser, Spiegel – auf der kleinen Inselgruppe wird alles mögliche aus Glas hergestellt. „Jeder Glasbläser unterscheidet sich in seinem Können von seinem Mitbewerber“, erinnert sich Gees an seine zahlreichen Reisen nach Italien. „Das ist wirklich faszinierend.“ Nach seiner Ausbildung hat sich Hans Gees als Glasbläser selbstständig gemacht – und war damit erfolgreich.

Erinnerungen aus dem 
15. Jahrhundert

Ein Geschäft hatte der Schweizer in Chur und erhielt dort einige spannende Aufträge. An einen erinnert sich der 60-Jährige noch heute gut: Er sollte die Beleuchtung für ein Kunsthaus herstellen. Im Klartext hieß das: Kronleuchter, dem 15. Jahrhundert entsprechend, fertigen. 180 Lampen in einem halben Jahr. Jedes Glasstück musste bestimmten Vorgaben entsprechen. Noch heute hat Hans Gees in einer Schublade an seinem Arbeitsplatz ein Fotoalbum mit Fotos aus der damaligen Zeit, die er gerne zeigt. Auf den Bildern sind nicht nur die 180 Kronleuchter zu sehen, sondern auch zahlreiche andere Kunstwerke aus Glas wie Kelche und Krüge.

Inspiration für seine Kunstwerke holte sich der Schweizer auf seinen Reisen. Hans Gees hat in seinen 60 Jahren schon viel von der Welt gesehen: Für drei Jahre unternahm er als Mittzwanziger – noch vor seiner Ausbildung zum Glasbläser – eine Weltreise. Italien, Jugoslawien, Türkei, Iran, Pakistan, Indien, Sri Lanka, Nepal/West Afrika und Afghanistan standen unter anderem auf dem Programm. Und auch jetzt reist der Glaskünstler sehr gern – am liebsten auf seinem Motorrad.

Doch wie kam es, dass er sich bei Hamilton beworben hat? „Ich wollte eine neue Facette der Glaskunst kennenlernen“, erklärt Hans Gees seine Beweggründe. Die Glasbläserei mit der Technik verbinden. Und trotz seiner jahrelangen Erfahrungen in der Glaskunst hat sich Gees durch seine Tätigkeit bei Hamilton Bonaduz weiterentwickelt. Er arbeitet konzentrierter und präziser: Denn schon die kleinste Abweichung von der Norm kann den Sensor für genaue Messergebnisse unbrauchbar machen.

Mit seinem Beruf gehört Hans Gees zu einer Berufsgruppe, die immer mehr in Vergessenheit gerät. Handarbeit wird zu Gees' Bedauern immer mehr von Maschinen ersetzt. Industrieglasbläser, zu denen der 60-Jährige mit seiner Tätigkeit bei Hamilton gehört, stellen nur eine kleine Gruppe der Glasbläser dar. „Das ist ein sehr alter Beruf und es wäre schade, wenn diese Tätigkeit verloren geht“, betont Gees. Um dieser Entwicklung persönlich entgegen zu wirken, hat er seine Erfahrungen mit dem Glas, „die Liebe zur Glaskunst“ – wie er selbst sagt – an seinen Sohn weitergegeben. „Mein Sohn zeigt Talent in der Glaskunst“, so Hans Gees stolz.

In vier Jahren geht er in Rente. Dann will er sich wieder den Weinkelchen und gläsernen Wohnaccessoires widmen. Dass seine Tätigkeit bei Hamilton in der Zukunft von der Technik übernommen werden könnte, bezweifelt er ganz stark. Dafür benötige man Geduld und Fingerspitzengefühl. „Und dies kann eine Maschine nicht leisten“, betont er, während er ein Diaphragma mit einer Pinzette in ein durch die Gasflamme erhitztes Glasrohr schiebt.

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