Netzwerküberwachung & Diagnose (Promotion) „Betreiber müssen sensibilisiert werden”

HMS Industrial Networks GmbH

Thilo Döring, Geschäftsführer von HMS Networks, betont: „Die Integration von KI in die Netzwerk­überwachung wird dazu beitragen, die Sicherheit und Stabilität von Netzwerken weiter zu verbessern und unerwünschte Vorfälle zu minimieren.“

Bild: HMS Industrial Networks
02.11.2023

Zuverlässige industrielle Netzwerke sind ein entscheidender Faktor für Betrieb und Effizienz von Automatisierungssystemen. Viele Anlagenbetreiber sind sich der Bedeutung von Netzwerküberwachung allerdings nicht bewusst. Thilo Döring, Geschäftsführer von HMS Networks, erläutert im P&A-Interview hierzu die Hintergründe und führt aus, wie ein Produktionsausfall vermieden werden kann.

Ein Horrorszenario für den Analgenbetreiber ist der Produktionsstillstand. Wie kann es dazu kommen und wie kann sich der Betreiber davor schützen?

Das Thema Produktionsstillstand hat viele Facetten, insbesondere im Hinblick auf die zunehmende Vernetzung von Anlagen. Die reibungslose Kommunikation zwischen den Geräten, Steuerungen und IT-Outsourcing ist entscheidend, da ein Netzwerkausfall in industriellen Netzwerken zu Produktionsstillständen führen kann. Das Hauptziel besteht darin, solche Ausfälle zu minimieren und Sicherheitsaspekte zu berücksichtigen, um externe Angriffe und Fehler durch unzureichend ausgebildetes Personal zu verhindern. Dies wird in Zukunft weiterhin eine Herausforderung sein.

Die aus Anlagenausfällen resultierenden Kosten werden weltweit jährlich auf 50 Milliarden Dollar geschätzt. Wie kann der Anwender seine Produktion schützen – wie lässt sich ein Ausfall vermeiden?

Unternehmen sollten für mögliche Netzwerkausfälle sensibilisiert sein. Leider widmen sich viele diesem Thema bisher aber nicht ausreichend. Oft eskalieren Probleme im Unternehmen erst, wenn sie auftreten, und wir werden dann zur Fehleranalyse im Feld aufgerufen. Es ist entscheidend, sich bewusst zu machen, dass Fehler immer auftreten können, und präventive Maßnahmen zu ergreifen. Elektronik unterliegt Verschleiß, Netzwerkkabel sind mechanischer Belastung ausgesetzt und Komponenten wie Kondensatoren altern, was zu Defekten führen kann: Daher ist die Auswahl langlebiger, robuster Geräte von Anfang an wichtig, ebenso wie die Berücksichtigung von Sicherheitszertifizierungen im Produktdesign.

Eigentlich sollte jedem Anlagenbetreiber doch die Wichtigkeit von Netzwerkschutz bewusst sein. Warum ist dem nicht so?

Dies liegt daran, dass der Fokus in verschiedenen Bereichen unterschiedlich gesetzt wird. Auf der Produktionsseite steht die Sicherheit der Produktion und Prozesse im Vordergrund, während Informationssicherheit oft vernachlässigt wird. Im IT-Bereich hingegen ist das Sicherheitsthema priorisiert und fortgeschrittener. Dort wird verschlüsselte Netzwerkkommunikation intensiver behandelt. Viele industrielle Netzwerke auf dem Markt verwenden jedoch noch eine unverschlüsselte Datenkommunikation, was Sicherheitsrisiken birgt. Die Sensibilität für Sicherheit nimmt jedoch aufgrund von weltweiten Angriffen zu, die unter anderem kritische Infrastrukturen und Produktionsbetriebe wie die Automobilindustrie betreffen.

In einer hochautomatisierten Produktionsumgebung sind reibungslose Abläufe von entscheidender Bedeutung. Gerade für KMUs stellt dies doch bezüglich der Datenflut, die mit der zunehmenden Vernetzung der Anlagen einhergeht, ein Problem dar, oder?

Die Datenflut ist für kleine und mittelständische Unternehmen in der Tat ein bedeutsames Thema. Es ist nicht immer leicht zu erkennen, welche Daten wirklich dazu beitragen können, die Produktivität zu steigern und Produktionsprozesse zu optimieren. Oftmals wird eine umfassende Datensammlung initiiert, indem alle verfügbaren Daten in einen sogenannten „Data Lake“ gegossen werden. Später werden Analysten damit beauftragt, herauszufinden, welche Daten tatsächlich von Nutzen sind und welche nicht. Diese Herangehensweise ist außerordentlich komplex, und gerade für kleinere und mittlere Unternehmen kann es eine Herausforderung darstellen, die notwendigen Ressourcen dafür bereitzustellen. Dennoch ist es entscheidend, die richtigen Daten zu identifizieren, die zur Verbesserung der Produktionsprozesse beitragen können, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Dies erfordert eine sorgfältige Analyse und eine kluge Strategie.

Die Performance von industriellen Maschinen und Anlagen wird wesentlich durch ihre Netzwerke bestimmt. Umso wichtiger ist es, bereits in der Konzeptionsphase dieser Netzwerke die optimale Infrastruktur auszuwählen. Welche Fragen müssen hier während des Planungsprozesses unbedingt gestellt werden?

Hierzu gehören die Planung der Netzwerkausdehnung, die Bestimmung von Standorten für Repeater zur Gewährleistung der physikalischen Kommunikation, die Anzahl der Teilnehmer im Netzwerk sowie die Auswahl und Robustheit der eingesetzten Komponenten. Die Auswahl zertifizierter Komponenten, die Unterstützung von Netzwerkstandards und die Berücksichtigung von relevanten Zertifizierungen beim Produktdesign sind entscheidende Faktoren, um die langfristige Funktionsfähigkeit eines Netzwerks zu gewährleisten. Dies sind einige der wesentlichen Aspekte in diesem Planungsprozess.

Was sind die Herausforderungen für die Netzwerküberwachung und -diagnose in einer modernen Fabrik?

Die Herausforderung besteht darin, den Überblick über die zunehmende Anzahl von Netzwerkteilnehmern zu behalten, sowohl in den Maschinen als auch in der gesamten Infrastruktur. Dies beinhaltet das Asset Management, außerdem die Frage, wie man diese Teilnehmer überwacht und welche Geräte im Feld vorhanden sind. Insbesondere in großen Produktionsstätten sind oft Tausende von Automatisierungsgeräten im Einsatz, und es ist entscheidend zu wissen, welche Geräte im Fehlerfall betroffen sind, wie sie schnell ausgetauscht und gewartet werden können und wie sie immer auf dem aktuellen Softwarestand gehalten werden können. Dies sind einige der Herausforderungen, mit denen große, aber auch mittelständische und kleine Unternehmen konfrontiert sind.

Wie kann die Netzwerküberwachung dazu beitragen, potenzielle Sicherheitsbedrohungen in der Produktionsumgebung zu erkennen?

Unser Ziel ist die Implementierung einer permanenten Überwachung, was bei vielen Unternehmen heute noch nicht der Fall ist. Viele Firmen setzen noch auf periodische Überprüfungen, in der Regel im Abstand von einigen Monaten. Eine Echtzeitüberwachung überwacht jedoch den Netzwerkdatenverkehr kontinuierlich in der Anlage, um sicherzustellen, dass alles wie geplant funktioniert. Durch die fortlaufende Analyse können Anomalien erkannt werden, beispielsweise wenn Datenpakete übertragen werden, die normalerweise im Produktionsprozess nicht auftreten. Solche Anomalien können auf mögliche Manipulationen hinweisen. So können Angriffe oder Manipulationen frühzeitig erkannt werden und entsprechende Vorkehrungen vorgenommen werden.

Ist denn die Umstellung von periodischer auf kontinuierliche Überwachung für den Anlagenbetreiber komplex?

Die Umstellung auf permanente Echtzeit-Überwachung erfordert die Installation von Geräten vor Ort in den entsprechenden Netzwerksegmenten, um den Datenverkehr kontinuierlich zu überwachen. Darüber hinaus muss spezielle Software implementiert werden, um diese permanente Überwachung und Warnmeldungen bereitzustellen, falls Probleme auftreten. Die Voraussetzung dafür ist, dass die eingesetzten Überwachungsgeräte in der Lage sind, kontinuierlich in Echtzeit zu arbeiten. Seitens des produzierenden Unternehmens ist hiermit eine finanzielle Investition verbunden, die Anlagenbetreiber zunächst scheuen. Hierbei darf aber nicht vergessen werden: Die Kosten eines Produktionsausfalls können erheblich sein und verschiedene Auswirkungen haben, wie beispielsweise unzufriedene Kunden aufgrund von Lieferverzögerungen, notwendiger Materialvernichtung und anderen unvorhergesehenen Kosten.

Sind diesbezüglich kritische Infrastrukturen in ihrem Denken weiter als andere Branchen?

Es ist erkennbar, dass die Nachfrage nach Echtzeitüberwachung im Bereich der kritischen Infrastruktur zunimmt. Tendenziell lässt sich festhalten, dass diejenigen, die in der kritischen Infrastruktur tätig sind, fortschrittlicher sind und mehr Aufmerksamkeit auf diese Art von Diagnosen legen. In einigen Fällen werden aber auch hier noch immer periodische Messungen durchgeführt und protokolliert.

Die kostengünstigste Methode, um einen Ausfall zu vermeiden, ist es, ihn schon im Voraus zu vermeiden. Hier kommt die neue Produktserie Anybus Diagnostics zum Einsatz. Wie arbeiten die neuen Produkte?

Unsere Anybus-Diagnostics-Produktserie bietet eine breite Palette von Lösungen zur Netzwerkdiagnostik und Verbesserung der Netzwerkstabilität. Dies umfasst Produkte zur Netzwerkdiagnose für klassische Feldbusse wie Profibus sowie industrielle Ethernet-Netzwerke. Die Produktpalette beinhaltet unter anderem die Netzwerkdiagnose-Software Osiris, die Atlas-Familie zur permanenten Netzwerküberwachung, das Handheld-Netzwerkdiagnosegerät Mercury, eine Kombination aus Laptop und Tablet, sowie die Überwachungsschnittstellen EtherTAP für Ethernet-Netzwerke und ComBricks für Profibus. Für größere Unternehmen bieten wir umfassendere Lösungen an, bei denen Hardware-Komponenten installiert werden und eine Software-Überwachung die Netzwerkdaten konsolidiert, um Probleme schnell zu identifizieren. Unser Ziel ist es, von Anfang bis Ende eine umfassende Produktpalette anzubieten.

Bisher war die Produktlinie Anybus für industrielle Kommunikationslösungen in Form von einbaufertigen Schnittstellen, Netzwerk-Gateways und Wireless-Lösungen bekannt. Was ist die Motivation für die Markteinführung der neuen Produktserie?

HMS ist seit langem für industrielle Netzwerkkommunikation auf der Ebene der Hardware-Komponenten und Wireless-Lösungen bekannt. Diese werden in vielen Geräten namhafter Hersteller verwendet. Die Motivation hinter der Einführung der Anybus-Diagnostics-Produktreihe besteht darin, den Endkunden eine umfassende Lösung anzubieten, um sicherzustellen, dass ihre Netzwerk-Infrastruktur reibungslos funktioniert. HMS möchte ein Anbieter sein, der das gesamte Spektrum der industriellen Netzwerkkommunikation abdeckt, einschließlich Schulung, Planungsunterstützung, Diagnose und Hardware-Komponenten. Dies ermöglicht HMS, sowohl die Automatisierungshersteller als auch die Endkunden, also die Produktionsbetriebe, umfassend zu unterstützen.

Wie fiel die erste Resonanz auf die neuen Produkte aus?

Die neue Produktreihe wurde von unseren Kunden auf der Hannover Messe sehr positiv aufgenommen. Viele Unternehmen denken jetzt ernsthaft darüber nach, ihre Systeme dauerhaft zu überwachen, insbesondere in großen Anlagen, was eine herausfordernde Aufgabe sein kann. Wir sind in vielen Gesprächen mit Betrieben, um maßgeschneiderte Lösungen zu erarbeiten, die ihren spezifischen Anforderungen gerecht werden. Angesichts der aktuellen Bedrohungsszenarien von außen, insbesondere im Bereich der kritischen Infrastruktur, erwarten wir auch in Zukunft vermehrt Anfragen und Interesse an unseren Lösungen. Das Bewusstsein für die Sicherheit der Netzwerkinfrastruktur nimmt in Deutschland und weltweit zu.

Für ein gesundes Netzwerk sind zuverlässige Hard- und Software allein nicht ausreichend. Unternehmen benötigen hier qualifizierte Fachleute. Wie sind Ihre Beobachtungen: Gibt es hier Nachholbedarf?

Der Fachkräftemangel und die zunehmende Komplexität in industriellen Netzwerken sind in der Tat eine erhebliche Herausforderung. Die Produkte und Technologien werden immer komplexer, was die Fehlersuche und Diagnose erschweren. In der Vergangenheit waren Netzwerke einfacher zu warten, aber heute sind industrielle Netzwerke viel komplexer. Unternehmen müssen ihre Service-Teams entsprechend schulen, um mit den neuen Technologien Schritt zu halten. Es ist jedoch schwierig, eine einheitliche Schulung für heterogene Netzwerke zu bieten, da verschiedene Maschinen von verschiedenen Herstellern unterschiedliche Standards und Protokolle verwenden können.

Fachkräftemangel und zunehmende Komplexität der Technologien stellen eine Herausforderung für Unternehmen dar. Wie gelangt beziehungsweise bleibt das Expertenwissen im Unternehmen?

Wir sehen oft, dass Schulungen als einmalige Angelegenheit betrachtet werden, aber dies ist aus Sicht der Mitarbeiter problematisch. Die Technologien entwickeln sich schnell, und es ist wichtig sicherzustellen, dass der Schulungsbedarf kontinuierlich gedeckt wird. Dies kann dazu beitragen, Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden, da sie stets auf dem neuesten Stand der Technologie bleiben.

Wie unterstützt HMS hier den Anwender?

Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, versuchen wir, unsere Diagnose-Tools benutzerfreundlich zu gestalten und dem Anwender Hinweise zur Fehlerlokalisierung zu geben. Wir möchten den Anwendern helfen, Fehler schnell zu erkennen, selbst wenn sie möglicherweise nicht über die tiefgehende technische Kompetenz verfügen. Darüber hinaus bieten wir zertifizierte Schulungen an, um Unternehmen bei der Entwicklung von Kompetenzen für die Netzwerkdiagnose und -wartung zu unterstützen. Dies ist ein wichtiger Teil unserer Strategie, um Unternehmen dabei zu helfen, die Herausforderungen des Fachkräftemangels und der steigenden Netzwerkkomplexität zu meistern.

Welches Themengebiet wäre künftig für Sie interessant bezüglich Akquisitionen?

HMS hat sich das Ziel gesetzt, ein führender Akteur im Bereich industrielle Informations- und Kommunikationstechnologie zu werden. Wir evaluieren kontinuierlich potenzielle Unternehmen in diesem Bereich, um unser Portfolio zu erweitern. Wir sind aber nicht nur im Bereich der industriellen Kommunikation tätig, sondern auch im Bereich der Gebäudeautomatisierung und -kommunikation. Diese zwei strategischen Themen sind uns vor allem in der Zukunft sehr wichtig. Hier halten wir nach potenziellen Kandidaten für Akquisitionen Ausschau, um unser Wachstum über die Jahre sicherzustellen.

Wie entwickelt sich das Feld der Netzwerküberwachung und -dia­gnose mit den Fortschritten in Technologie und künstlicher Intelligenz?

Die Entwicklung im Bereich der Netzwerküberwachung und -diagnose wird sich in Richtung größerer Dezentralisierung und stärkerer Integration von Diagnosefunktionen in die Geräte bewegen. Dies bedeutet, dass Informationen kontinuierlich direkt von den Geräten geliefert werden, um eine effizientere Fehlererkennung zu ermöglichen. Einige Protokolle unterstützen dies bereits, aber diese Entwicklung wird weiter vorangetrieben, um Fehler leichter zu erkennen. KI wird eine bedeutende Rolle spielen, um diese Analyseprozesse zu unterstützen. KI-Algorithmen können dazu beitragen, gemeinsame Abweichungen und ungewöhnliches Verhalten in Netzwerken zu erkennen, die auf mögliche Angriffe oder Manipulationen hinweisen könnten. In der Zukunft wird die permanente Überwachung von Netzwerken in Kombination mit KI-Algorithmen wahrscheinlich zur Norm werden. Dies ermöglicht die schnelle Erkennung ungewöhnlicher Ereignisse oder Aktivitäten im Netzwerk, sei es durch interne Mitarbeiter oder externe Bedrohungen. Die Integration von KI in die Netzwerk­überwachung wird dazu beitragen, die Sicherheit und Stabilität von Netzwerken weiter zu verbessern und unerwünschte Vorfälle zu minimieren.

Beobachten Sie in Ihren Kundengesprächen eine Skepsis bezüglich KI?

Die Nutzung künstlicher Intelligenz sollte gezielt und sorgfältig erfolgen, da nicht alle Bereiche davon gleichermaßen profitieren. Die Industrie steht an einem Scheideweg und muss abwägen, wo KI sinnvoll eingesetzt werden kann und wo nicht. In den Bereichen Diagnose und Überwachung, wie im Fall von Netzwerken, kann KI aufgrund ihrer schnellen Entscheidungsfindung und Lernfähigkeit sehr effektiv sein. Es gibt jedoch auch Bereiche, in denen der Einsatz von KI möglicherweise weniger sinnvoll ist. Die Debatte über KI ist in vollem Gange, und Skepsis gegenüber dieser Technologie ist weit verbreitet. Bei Produkten wie diesen, insbesondere in Bezug auf Diagnose und Monitoring, kann KI jedoch wertvolle Ergebnisse liefern.

Verwandte Artikel