Verbesserte Leistung und Lebensdauer von Elektrofahrzeugen Batterielebensdauer vorhersagen

Die Elektromobilität profitiert von 5G-Konnektivität und Cloud-Integration, wodurch individuell anpassbare Elektrofahrzeuge und effizientes Flottenmanagement möglich werden. Der „Adaptive Battery Digital Twin“ von Electra Vehicles nutzt KI und maschinelles Lernen, um Batterien zu optimieren und Reichweitenprobleme zu lösen.

Bild: NXP; Electra Vehicles; iStock, mgstudyo
09.10.2023

Neue Technologien revolutionieren Elektrofahrzeuge (EVs) und beeinflussen die Lieferkette sowie die Fertigungsprozesse der Hersteller. Das Konzept des softwaredefinierten Fahrzeugs (SDV) mit vernetzter, leistungsstarker Software für neu gestaltete Systeme wie Displays, Antriebsstränge und Infotainment wird zur Realität.

Dank integrierter Software und 5G-Konnektivität, einschließlich der Verbindung zur Cloud, ist die Kommunikation mittels Vehicle-to-Everything (V2X)-Technologie möglich. Und im Familieneinsatz lassen sich softwarebasierte EVs umfassend an Komfort- und Sicherheitspräferenzen von Einzelpersonen inklusive deren Fahrvorlieben anpassen. Kommerzielle EV-Flotten können wiederum ihre Effizienz durch den Einsatz intelligenter Routing- und Ladealgorithmen optimieren.


Eine große Sorge von EV-Fahrern ist die Reichweite. Die Standardmethoden zur Schätzung des Ladezustands (State-of-Charge, SoC) der Batterie sind die Coulomb-Zählung und der Kalman-Filter. Ähnlich wie eine Tankanzeige liefern sie die dem Fahrer eine genauere Reichweitenschätzung. Allerdings berücksichtigt keine der beiden Methoden das Alter der Batterie, wodurch die SoC-Schätzungen im Laufe der Lebensdauer des Fahrzeugs immer ungenauer werden. Da die Genauigkeit der SoC-Schätzung die Grundlage für alle Funktionsentscheidungen des Batteriemanagementsystems bildet, ist eine effektivere Methode erforderlich.

Digitaler Zwilling für Batterien

Das Unternehmen Electra Vehicles gilt als Vorreiter bei der Technologie des digitalen Zwillings für Batterien und hat den Adaptive Battery Digital Twin entwickelt. Dieser Ansatz für Batterien basiert auf einer strategischen Zusammenarbeit mit NXP. Die Batterietechnologie spielt eine zentrale Rolle in Elektrofahrzeugen, weshalb hohe Investitionen in ihre Entwicklung getätigt werden. Der „Adaptive Battery Digital Twin“ ist ein digitales Modell, das künstliche Intelligenz (KI) im Fahrzeug und maschinelles Lernen (ML) in der Cloud kombiniert. Der digitale Zwilling erfasst über Sensoren kontinuierlich die Batterie- und Fahrzeugdaten über die gesamte Lebensdauer des Systems und kann so den aktuellen SoC der Batterie genau ermitteln und mithilfe seiner KI- und ML-Funktionen den zukünftigen SoC vorhersagen. Dabei wird der digitale Zwilling sowohl im Fahrzeug selbst als auch in der Cloud eingesetzt, um die Batterieleistung zu optimieren und das Fahrerlebnis zu verbessern.

Um zu veranschaulichen, wie der Adaptive Battery Digital Twin von Electra im Zeitverlauf die Batterielebensdauer einschätzt, wurde ein Vergleich mit der Standardmethode der Coulomb-Zählung und der Kalman-Filter-SoC-Schätzung vorgenommen.

Aggressives oder unberechenbares Fahrverhalten kann die Batterie eines Elektrofahrzeugs stark beanspruchen, was häufig zu einer Verschlechterung der Batterieleistung führt. Mit zunehmendem Alter des Fahrzeugs werden Standardmethoden zur Schätzung des Ladezustands (SoC) je nach Fahrstil weniger genau. Durch den Einsatz von KI/ML-Modellen lernt die Batterie kontinuierlich aus den individuellen Fahrmustern und berücksichtigt dabei verschiedene Faktoren wie die Batterietemperaturen bei unterschiedlichen Witterungsbedingungen, Fahrlasten und Ladezuständen. Dadurch kann das Batteriemanagementsystem (BMS) die Ladebedingungen und Fahrgrenzen optimieren, um die Reichweite der Batterie zu erhöhen.

Der digitale Zwilling kann aber nicht nur den SoC der Batterie genau einschätzen, sondern auch andere Metriken überwachen, die Einblicke in den Gesundheitszustand der Batterie geben, ohne dass eine physische Inspektion erforderlich ist. Anomalien und kritische Ausfälle der Batterie können dadurch früher erkannt und so Empfehlungen für wichtige Wartungsmaßnahmen gegeben werden. Darüber hinaus kann er Fahr- und Ladetipps bereitstellen, die ein für die Batterie negatives Fahrverhalten verhindern helfen. Das vermeidet Batterieschäden und verlängert die Lebensdauer der Batterie. Das führt zu einer Senkung der Wartungskosten für die Batterie und die Garantie. Darüber hinaus wird OEMs, die gesunde Batterien identifizieren können, so die Möglichkeit zur Garantieverlängerung für Batterien mit geringem Risiko geboten.

Einsatz Digitaler Zwillinge

Beim Einsatz in einem BMS empfängt der Adaptive Battery Digital Twin von Electra präzise Spannungs-, Temperatur-, Strom- und andere relevante Daten. Die Daten werden synchronisiert und verarbeitet, um den SoC mithilfe eines KI-Algorithmus zu berechnen. Die berechneten SoC-Messungen werden dann über das Controller Area Network (CAN) an die Batteriesystemkomponenten übertragen, die genaue und aktuelle SoC-Informationen benötigen. Die Messungen werden weiterverarbeitet, komprimiert und gespeichert, bis eine sichere Verbindung zur Cloud hergestellt werden kann – entweder über eine kostengünstige Internetverbindung oder durch eine Over-the-Air-Übertragung (OTA).

Nach Abschluss des umfassenden maschinellen Lernens in der Cloud wird eine kompakte Konfigurationsdatei in Form eines verschlüsselten OTA-Updates zurück an das Fahrzeug gesendet und dann im Batteriemanagementsystem (HVBMS) aktualisiert. Dadurch bleibt der fahrzeuginterne Adaptive Battery Digital Twin von Electra immer auf dem neuesten Stand und ist mit den aktuellen Fahrzeug- und Flottenkenntnissen trainiert. Das ermöglicht kontinuierlich verbesserte Schätzungen des Ladezustands (SoC) und des Batteriezustands (State of Health, SoH).

Das Hochspannungs-BMS (HVBMS) von NXP fungiert als zuverlässige und sichere Datenquelle für den Adaptive Battery Digital Twin von Electra, der für ein effizientes EV-Batteriemanagement sorgt. Die S32K3-MCU ist das Herzstück des HVBMS und die S32G-GoldBox übernimmt die Datenverarbeitung, den Onboard-Speicher und die sichere Cloud-Konnektivität. Gemeinsam erstellen sie SoC- und SoH-Messungen der Fahrzeugbatterie, basierend auf den Erkenntnissen des Cloud-basierten Adaptive Battery Digital Twin.

Auf der Embedded World 2023 wurde die Zusammenarbeit von Electra's Adaptive Battery Digital Twin und die NXP-Lösung live demonstriert. Anhand von simulierten Batterie- und Umgebungsdaten auf einer HVBMS-Referenzdesignplatine, die den Adaptive Battery Digital Twin und den S32K3-Chipsatz mit Strom versorgte, wurde eine Steigerung des SoH-Wertes um 12 Prozent im 11. Jahr der Fahrzeuglebensdauer im Vergleich zu einem Standardfahrzeug nachgewiesen.

Wie sieht die Zukunft aus?

In Zukunft könnten private E-Fahrzeugbesitzer, Flottenbetreiber und OEMs von diesen Entwicklungen profitieren. Vorstellbar sind E-Fahrzeuge, die Ladezeiten und -geschwindigkeiten zugunsten einer längeren Batterielebensdauer vorhersehen und gleichzeitig unvorhergesehene Fahren und saisonale Wetteränderungen berücksichtigen. Wir gehen davon aus, dass E-Fahrzeuge durch die Integration von Fahrerassistenzsystemen und Technologien für autonomes Fahren einen umweltfreundlicheren Fahrstil fördern, den Batterieverschleiß verringern und die Reichweite optimieren könnte. Neben dem Kilometerstand sollte das Armaturenbrett auch der SoH-Wert und die verbleibende Lebensdauer der Batterie anzeigen, um den Wiederverkaufswert eines E-Fahrzeugs zu erhöhen.

Flottenbesitzer könnten von einer vernetzten intelligenten Flotte profitieren, die bestimmte Fahrzeuge für tägliche Fahrten vorschlägt, um den Batterieverschleiß gleichmäßig über die gesamte Flotte zu verteilen. Sie würden täglich vorbeugende Wartungspläne erhalten, die auf den individuellen Anforderungen und der prognostizierten Restlebensdauer der einzelnen Fahrzeuge in der Flotte basieren.

Schließlich hätten OEMs in Zukunft die Möglichkeit, softwaredefinierte E-Fahrzeuge dynamisch an die individuellen Fahr- und Ladegewohnheiten jedes Besitzers anzupassen, wodurch auch ihre Garantiepläne automatisch angepasst werden könnten. Basierend auf intelligenter KI-Modellierung sind neue Dienstleistungen denkbar, die den Umsatz steigern, wie zum Beispiel verlängerte Garantien für Fahrer, bei denen das Risiko von Garantieansprüchen auf die Batterie als gering eingestuft wird.

Bildergalerie

  • Vergleich der SoC-Schätzmethoden: Genauigkeit von Coulomb-Zählung (CC) und 
Kalman-Filter (KF) im Vergleich zu Electras Adaptive Battery Digital Twin im Zeitverlauf.

    Vergleich der SoC-Schätzmethoden: Genauigkeit von Coulomb-Zählung (CC) und
    Kalman-Filter (KF) im Vergleich zu Electras Adaptive Battery Digital Twin im Zeitverlauf.

    Bild: NXP

  • Electra Vehicles und NXP: Software- und Hardware-Einsatz des adaptiven digitalen Zwillings der Batterie.

    Electra Vehicles und NXP: Software- und Hardware-Einsatz des adaptiven digitalen Zwillings der Batterie.

    Bild: NXP

  • Electra Vehicles und NXP beschleunigen die Elektrifizierung mit führender Edge/AI/ML-basierter Software für EV-Batteriesysteme.

    Electra Vehicles und NXP beschleunigen die Elektrifizierung mit führender Edge/AI/ML-basierter Software für EV-Batteriesysteme.

    Bild: NXP

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