Blindleistung und Oberwellen bei Ladeinfrastrukturen beachten Zukunftsfähige Ladeinfrastruktur?

Erfahren Sie, wie die sich wandelnde Energielandschaft und die Anforderungen an die Netzstabilität die Bedeutung von intelligentem Blindleistungsmanagement und Netzfilterung bei Ladesäulen vorantreiben.

Bild: iStock, SimonSkafar
08.11.2023

Fuhrparkentscheider in Unternehmen und Behörden, die bereits eine Ladeinfrastruktur betreuen oder aktuell planen, kennen vermutlich alle wesentlichen Details, die es zu einer reibungslos funktionierenden Ladeinfrastruktur gibt. Vertriebspräsentation zu Ladeinfrastruktur enthalten aber selten Wörter wie „Blindleistung“ oder „Oberwellen“. Sollten sich Entscheider, die Ladeinfrastruktur planen, dennoch damit befassen? Unbedingt!

Denn, die Herausforderungen zur Netzstabilisierung von Energieversorgern und Netzbetreibern wächst rasant. Die Struktur der Energieversorgung wird zunehmend dezentraler und kleinteiliger. Zudem wird die Energieversorgung verstärkt von den Regelungen des EU-Energiebinnenmarktes geprägt und das Thema Netzstabilität über die Steuerung von Systemdienstleistungen rückt auch hier in den Fokus.

Intelligente Spannungshaltung und Blindleistungsmanagement

Netzbetreiber können die Netzkapazität durch intelligente Spannungshaltung und effizientes Blindleistungsmanagement in bestehender Infrastruktur optimieren und somit Netzausbaumaßnahmen reduzieren. Das ist betriebswirtschaftlich und ökologisch sinnvoll. Nach intensiven Diskussionen sind Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen (EE-Anlagen) bereits heute verpflichtet, Blindleistungen zu erbringen und ans Netz abzuführen. Ohne die Möglichkeit, Blindlast als sogenannte Systemdienstleistung zu liefern, erfolgt keine Anschlussgenehmigung. Geregelt wird dies in den VDE-Anschlussrichtlinien.

Bisher kaum medial transportiert wird die Tatsache, dass Netzbetreiber diesen Anspruch auch auf angeschlossene Ladeinfrastruktur anwenden können. Die Richtlinien bieten diesen Spielraum. An einer aktiven Blindleistungskompensation wird daher in naher Zukunft für die meisten Verbraucher- und Erzeugergruppen, wie der Ladeinfrastruktur, kein Weg vorbeiführen.

Tatsache ist, kaum ein Ladeinfrastrukturanbieter hält mit seinen Produkten diese technische Möglichkeit vor. Im Gegenteil, das Thema ist für viele (potenzielle) Ladeinfrastrukturkunden unsichtbar. Keine Vertriebspräsentation zu Ladeinfrastruktur enthält Wörter wie „Blindleistung“ oder „Oberwellen“. Für zuständige Flottenmanager sind das schwer fassbare Begriffe. Unternehmen, Kommunen und Organisationen, die Ladeinfrastruktur planen, sollten sich dennoch damit befassen.

Was Ladeinfrastruktur bald können muss

Aktuell gibt es fast 900 Elektrizitätsverteilernetzbetreiber in Deutschland. Jeder Netzbetreiber kann die Anschlussanforderungen individuell auslegen. Da DC-Ladesäulen meist ein Add-on an einem Standort darstellen, also in eine bereits aufgebaute Ladeinfrastruktur eingegliedert und nicht auf grüner Wiese installiert werden, hängt die Entscheidung für oder gegen eine Genehmigung oftmals vom Blindleistungsbedarf auf dem jeweiligen Netzabschnitt ab.

Die Ladeinfrastruktur ist gekauft und größtenteils installiert, die Baumaßnahmen abgeschlossen und der Zeitrahmen für das Projekt fast abgelaufen – eine Anschlussgenehmigung aber fehlt. Die Konsequenz: installierte Ladeinfrastruktur liegt brach. „Updates“ für die Umrüstung bestehender Ladesäulen sind am Markt bisher nicht bekannt. Viele Hersteller werden blindlastgeeignete Leistungsmodule innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre nachrüsten können.

Für die meisten Ladesäulenhersteller bedeutet die aktuelle Situation eine teils aufwändige Umstellung der leistungselektronischen Komponenten. Mittelfristig werden die notwendigen Änderungen in der Topologie der Leistungsmodule von allen Ladeinfrastrukturanbietern erfolgen. Im Idealfall enthalten bereits jetzt installierte Ladesäulen die passende Komponentenreihenfolge. So muss die Hardware bestehender Ladeinfrastruktur mittelfristig nicht aufwendig ausgetauscht werden.

Gleichzeitig bieten diese Ladesäulen sofort Sicherheit. Denn spinnt man diese Thematik weiter, ist im Worst-Case-Szenario jederzeit eine Abschaltung angeschlossener Ladeinfrastruktur durch den Netzbetreiber möglich. Eine Fiktion, die angesichts heftiger Diskussionen um Sperrzeiten bald keine mehr sein wird. Die rechtlichen Grundlagen existieren. Die Richtlinien können jederzeit von Netzbetreibern eingefordert werden. Bekommt das lokale Netz Probleme mit der Stabilität, ist die zusätzliche Bereitstellung von Blindleistung auch über Ladeinfrastruktur ein Teil der Lösung. Eine effiziente Lösung für die Netzbetreiber, ein großes Problem für Ladeinfrastrukturbetreiber ohne entsprechende Ladesäulentechnologie.

Die Notwendigkeit für blindleistungsgenerierende Ladeinfrastruktur lässt sich nicht nur über das Horrorszenario einer Anschlussverweigerung begründen. Auch hier findet sich ein positiver Zukunftsaspekt. Nachdem große Erzeugungsanlagen wie Wind- und Solarparks nun bereits Blindleistung genieren müssen, werden die Forderungen lauter, diese Systemdienstleistung dem Netzbetreiber in Rechnung zu stellen. Um diese Bereitstellung zu gewährleisten, mussten Hersteller dieser Erzeugungsanlagen hohe technologische Investitionen tätigen. Ähnlich wie es in naher Zukunft vielen Ladesäulenherstellern bevorsteht.

Interessensverbände kämpfen aktuell dafür, dass diese Blindlastbereitstellung in den Vertragsbedingungen auch kostenseitig Berücksichtigung finden. Eine Forderung, die sich langfristig auf Ladesäulenbetreiber ausdehnen kann. Damit würde Ladeinfrastruktur, die Blindleistung im geforderten Rahmen bereitstellt, neben Kosten auch Ertrag in Aussicht stellen.

Vom Nice-to-have zum Must-have

Genau die gegenteiligen Maßnahmen müssen Netzbetreiber und Energieversorger beim Thema Oberwellen ergreifen. Oberwellen verunreinigen das Netz. Da leistungselektronische Komponenten Oberwellen ins Netz speisen, stehen auch Ladesäulen auf der Liste. Ein Gebiet, mit dem sich bisher vor allem Industrieanlagenelektroniker und Elektroningenieure befassen mussten, ist nun auch im Engineering der Ladesäulenhersteller angekommen.

Denn vor allem leistungsstarke DC-Ladeinfrastrukturen können durch ihren teils enormen Energieverbrauch netzschädliche Stromoberwellen produzieren. Eine so genannte Netzfilterung dieser netzschädlichen Wellen ist bisher in Ladesäulen kaum vorgesehen. Aktuell erfüllen nur wenige Hersteller wie Elexon diese Anforderung.

Die DC Ladesäule mit 150 kW von Elexon erlaubt beispielsweise eine adaptive Oberwellenfilterung durch intelligente Steuerungsmaßnahme am Netzanschlusspunkt der Ladesäule, so dass die eingespeisten Oberwellen an verschiedenen Standorten möglichst klein gehalten werden können.

„Die Fähigkeit von Ladesäulenherstellern, Blindleistung für das Stromnetz bereitzustellen, zeigt ihre Verpflichtung nicht nur zur Ermöglichung schneller und effizienter Ladevorgänge, sondern auch zur Stärkung der Netzstabilität. Diese unsichtbare Unterstützung ebnet den Weg für eine nachhaltige E-Mobilität, bei der nicht nur Fahrzeuge aufgeladen werden, sondern auch die Grundlagen für eine zuverlässige Energiezukunft gelegt werden“, bestätigt Rebecca Heckmann, Head of Project Management bei Elexon.

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  • Aufladung im Parkhaus

    Aufladung im Parkhaus

    Bild: Elexon

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