Interview über hocheffiziente Antriebstechnik für das Prozessumfeld „Wir vereinen Sicherheit und Effizienz im Ex-Bereich“

ABB AG

IE5-SynRM mit erhöhter Sicherheit sind in den Leistungen zwischen 5,5 und 315 Kilowatt und in den Baugrößen von IEC 132 bis 315 erhältlich.

Bild: ABB
02.11.2023

Explosionsschutz und Zuverlässigkeit besitzen im Prozessumfeld auch bei der Antriebstechnik absolute Priorität. Wenn der sichere Betrieb dann mit mehr Nachhaltigkeit kombiniert werden soll, kommt ABB mit ihren neuen IE5-Synchronreluktanzmotoren (SynRM) für explosionsgefährdete Bereiche ins Spiel. Ralf Peschel, Product Marketing Manager IEC LV Motors, und Martin Kunz, Senior Sales Specialist bei ABB, zeigen im Interview mit P&A auf, was für die Motoren spricht.

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ABB bietet den IE5-SynRM-Motor neu für den Ex-Bereich an. Erzählen Sie zum Start, was ihn von seinen „normalen“ Schwestermodellen unterscheidet...

Peschel:

Prädestiniert waren unsere SynRM schon immer für den Einsatz im Ex-Bereich, weil die Motoren einfach kühler laufen. Es geht also nicht um die mechanische Robustheit, wie es das Wort „Explosionsschutz“ suggeriert, sondern wirklich um den kühleren Betrieb. Gerade im erhöhten Sicherheitsbereich ist es wichtig, dass keine Funken erzeugenden Komponenten vorhanden sind und die Temperaturen aller Oberflächen im Rahmen bleiben. Jetzt haben wir unsere Familie der IE5-Synchronreluktanzmotoren um ein neues Mitglied mit erhöhter Sicherheit erweitert. Das heißt, dem Einsatzzweck entsprechend ist der Motor für den Ex-Bereich zertifiziert worden.

Gerade im Prozessumfeld sind Anlagen und Komponenten oft deutlich länger im Einsatz als in der diskreten Fertigung. Trifft das nach Erfahrung von ABB auch auf die Antriebstechnik zu?

Kunz:

Es hängt von vielen Faktoren ab, wie lange das Antriebssystem im Einsatz ist. Bei Umrichtern spielt zum Beispiel das Thema „Cybersecurity“ oder „Condition Monitoring“ eine große Rolle. Und allgemein gilt: Wenn der Antrieb bereits an der Leistungsgrenze arbeitet und die Produktion weiter gesteigert werden soll, ist ein leistungsstärkerer Antrieb ebenfalls oftmals fällig. Aber manchmal geht es auch um die Verfügbarkeit von Ersatzteilen. Viele Kunden sagen uns, sie möchten bisherige Motoren oder Umrichter austauschen, weil sie keine Ersatzteile mehr erhalten und somit das Ausfallrisiko unkalkulierbar hoch ist. Und schließlich ist die deutlich höhere Energieeffizienz ein entscheidender Faktor, damit Kunden ihre Nachhaltigkeitsziele erreichen können.

Energieeffizienz ist ein gutes Stichwort. ABB spricht von deutlich weniger Energieverlusten gegenüber gängigen IE3-Motoren. Können Sie das näher spezifizieren?

Kunz:

Wir haben eine über 40 Prozent geringere Verlustleistung im Vergleich zu IE3-Motoren beobachtet. Selbst im Volllastbetrieb liegt die Verlustleistung immer noch circa 30 Prozent niedriger im Vergleich zu asynchronen IE3 Motoren. Das ist ein erheblicher Wert. Grundsätzlich beeinflussen zwei Effekte die Effizienz: Erstens, wenn das Lastmoment steigt, zieht der Motor einen höheren Wirkstrom. Damit steigt die Erwärmung beziehungsweise die Stromwärmeverluste. Die Effizienz sinkt also mit steigendem Drehmoment. Zweitens, die Effizienz fällt ebenfalls ab, je langsamer der Motor dreht. Denn wenn der Lüfter des Motors langsamer dreht, steigen ebenfalls die Verluste durch Erwärmung. Bei Reluktanzmotoren wirken sich diese beiden Effekte viel geringer aus, weil im Rotor bauartbedingt kein Strom fließt. Das führt dazu, dass der Motor deutlich kühler bleibt. Oder in anderen Worten: Dies führt zu einer deutlich höheren Effizienz - insbesondere also im Teillastbetrieb bei kleinen Drehzahlen und hohem Drehmoment.

Ist für den Betrieb eines SynRM immer ein Frequenzumrichter notwendig – oder genügt auch ein Softstarter?

Kunz:

Man benötigt immer einen Umrichter, weil der Reluktanzmotor kontrolliert hochlaufen muss. Der Umrichter erzeugt hierzu ein Drehfeld, das in der richtigen Position zur Rotorposition „startet“ und den Rotor langsam anlaufen lässt. Es ist also ein geregelter Hochlauf erforderlich, der mit einem Softstarter nicht möglich ist.

Haben SynRM-Motoren spezielle Anforderungen an Frequenzumrichter?

Kunz:

Ja, es gibt spezielle Anforderungen an die Regelung. Vor allem ältere Frequenzumrichter beziehungsweise Low-Cost-Umrichter arbeiten mit der sogenannten U/f-Steuerung, einem einfachen Steuerverfahren. Der Umrichter hält hier die Motorspannung und die Frequenz in einem konstanten Verhältnis beim Hochlauf. Diese Betriebsart ist für Synchronreluktanzmotoren aber nicht geeignet. Die Hersteller von Frequenzumrichtern geben in ihrer Betriebsanleitung an, ob der Betrieb mit Synchronreluktanzmotoren möglich ist. Falls ja, muss der Umrichter in der Lage sein, Lastsprünge zu erkennen und das Drehfeld entsprechend schnell auszurichten, denn sonst geht der Rotor „verloren“ beziehungsweise der Winkel zwischen Rotorpolen und Statorpolen wird zu groß und der Motor kippt. Weil wir bei ABB beides aus einer Hand anbieten, also den Reluktanzmotor und den Frequenzumrichter, kann der Kunde sich auf eine optimale Abstimmung der Komponenten verlassen. So können wir gewährleisten, dass der Motor nicht nur sicher beherrscht wird, sondern auch höchst energieeffizient läuft.

Welche typischen Anwendungen eignen sich besonders gut für den SynRM-Ex-Motor?

Peschel:

Die neuen IE5-SynRM-Ex-Motoren eignen sich ideal zur Aufrüstung von Asynchronmotoren mit erhöhter Sicherheit für Pumpen, Lüfter und Kompressoren in Sektoren, in denen explosive Gase, Dämpfe oder Stäube auftreten können, beispielsweise in der Öl- und Gasindustrie, Chemieindustrie, Holzverarbeitung oder in Mehlmühlen. Industrielle Wärmepumpen sind ebenfalls ein hervorragendes Beispiel, wo hocheffiziente Antriebstechnik eine große Rolle spielt. Aber der SynRM-Ex-Motor ist nicht nur dafür geeignet. Es gibt keine Einschränkungen für den Betrieb des Motors. Kräne und Fördertechnik im Prozessumfeld profitieren ebenfalls von seinem energieeffizienten Betrieb.

Gibt es im Prozessumfeld Anwendungen, bei denen die Kombination mit einem rückspeisefähigen Umrichter sinnvoll ist?

Kunz:

Rückspeisefähige Frequenzumrichter sind immer dann sinnvoll, wenn generatorische Energie in größeren Mengen vorhanden ist. Pumpspeicherkraftwerke sind ein gutes Beispiel. Hier wird nach dem Hochpumpen des Wassers in einen Speicher (motorischer Betrieb) beim Zurückfließen wieder sehr viel Energie in das Netz zurück eingespeist (generatorischer Betrieb). Die Kombination Synchronreluktanzmotor und rückspeisefähiger Umrichter macht also immer dann Sinn, wenn generatorische Energie in größeren Mengen und/oder häufig zur Verfügung steht. Bidirektional laufende Rolltreppen sind ebenfalls ein sehr anschauliches Beispiel – auch wenn hier nicht die Ex-Variante des SynRM benötigt wird. Im Vergleich zu Asynchronmotoren ist der Rückspeiseeffekt bei Reluktanzmotoren auch größer, weil diese sich grundsätzlich weniger stark erwärmen. Das ist das Schöne an der Technologie, dass Anwender sowohl im motorischen als auch generatorischen Betrieb von den Vorteilen der Synchronreluktanzmotoren profitieren.

Durch ihre meist identische Baugröße zu den älteren Standard-Asynchronmotoren können SynRM-Motoren sehr einfach als Drop-in-Ersatz verwendet werden. Gilt das auch für den SynRM-Ex-Motor?

Peschel:

Grundsätzlich können Sie einen asynchronen Motor durch den SynRM-Ex-Motor gleicher Baugröße problemlos ersetzen. Der Vorteil des SynRM-Ex besteht darin, dass bei gleicher Leistung eine kleinere Baugröße möglich ist, da die Leistungsdichte höher ist und die Temperaturentwicklung geringer ist. Soll der Motor in Ex-Zone 1 arbeiten, dann ist die geringere Temperatur sehr wichtig, weniger eine kleinere Baugröße. Beispielsweise können diese kühleren Motoren in Zone-1-T3-Bereichen eingesetzt werden, in denen man traditionell sonst einen Motor mit druckfester Kapselung gewählt hätte. In Zone 2 ist die höhere Belastbarkeit von Synchronreluktanzmotoren von Bedeutung, da diese Motoren bei gleicher Baugröße, parallel zu dem verbesserten Wirkungsgrad, auch eine zirka 10 Prozent höhere Leistung liefern als Asynchronmotoren.

Gibt es bei ABB Tools, um zu berechnen, wann und wie sich ein SynRM-Ex amortisiert?

Peschel:

Bei ABB bieten wir dazu zwei Tools für unsere Kunden an. Der Optimizer zeigt beim direkten Vergleich von zwei Motoren die Amortisationszeit, Betriebskosten, Lebenszyklus und Reduzierung von Treibhausgasemissionen an. Das EcoDesign-Tool ermöglicht die Ermittlung des Wirkungsgrads an jedem Betriebspunkt für die Kombination Motor plus Frequenzumrichter. Mit unseren Tools erkennen Kunden sehr schnell, dass sich Synchronreluktanzmotoren schon nach ein bis zwei Jahren amortisieren.

Ein kühlerer Betrieb von Motoren verlängert auch die Zuverlässigkeit, reduziert den Wartungsbedarf und erhöht die Lebensdauer. Von welchen Größenordnungen sprechen wir hier?

Kunz:

Im Vergleich zu Asynchronmotoren im Umrichterbetrieb verdoppelt sich ungefähr die Lebensdauer der Synchronreluktanzmotoren. Durch einen Frequenzumrichter ist der Stress für die Wicklung des Motors ohnehin schon niedriger, da der Strom beim Anlauf begrenzt ist. Bei unseren Reluktanzmotoren fallen zusätzlich die Lagertemperatur um bis zu 15 °C und die Wicklungstemperatur um bis zu 30 °C niedriger aus. Das erhöht die Zuverlässigkeit, verlängert die Motorlebensdauer und reduziert den Wartungsbedarf.

Wie bewerten Kunden im Prozessumfeld neben der höheren Effizienz auch die nachhaltigere Produktion des Motors ohne Seltene Erden?

Peschel:

Kunden nehmen die nachhaltigere Produktion positiv wahr, da so die Umweltauswirkungen reduziert werden. Auch die Kosten, Sicherheit und Versorgungssicherheit sind entscheidende Faktoren. Viele dieser Materialien stammen aus Fernost, was Abhängigkeiten und Lieferengpässe mit sich bringt. Kunden schätzen es, dass unsere SynRM-Motoren keine Seltenen Erden benötigen.

Das ist ein sehr interessantes Argument mit der Versorgungssicherheit...

Kunz:

Genau. Und wenn man es weiterdenkt, bietet die Vermeidung von Seltenen Erden und Permanentmagneten auch Vorteile beim Recycling. Unsere Synchronreluktanzmotoren bestehen aus ideal recyclebaren Materialien und erzeugen keinen Sondermüll. Betreiber können sich daher auch nach der End-of-Life-Phase über niedrige Entsorgungskosten beziehungsweise ein vollständiges Recycling freuen.

In welchen Varianten wird der SynRM-Ex-Motor angeboten?

Peschel:

Wir bieten unseren IE5-Ultra-Premium-Motor für explosionsgefährdete Bereiche in identischen Leistungsklassen wie die Standardmodelle an. Der SynRM-Ex ist also in Leistungen von 5,5 bis 315 Kilowatt und in Baugrößen von IEC 132 bis 315 erhältlich.

Zusammenfassend: Warum sollten Kunden aus dem Prozessumfeld sich an ABB wenden, wenn es um Antriebstechnik geht?

Peschel:

Kunden sollten sich an ABB wenden, weil wir im Moment der einzige Hersteller sind, der wirklich einen IE5-Ex-Motor für Zone 1 und Zone 2 anbieten kann. Das ist einmalig am Markt.

Kunz:

Und der Kunde erhält bei ABB alles aus einer Hand. Wir denken und handeln als Systemlieferant. Unser Fokus liegt immer darauf, die Energieeffizienz und Nachhaltigkeit bei unseren Kunden zu steigern und gleichzeitig einen schnellen Return on Investment zu ermöglichen. Unser globaler Service und unser Branchen-Know-how sind weitere Vorteile für Anlagenbetreiber und Hersteller.

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