Sie waren bereits Mitbegründer von Universal Robots. Was hat Sie dazu bewogen, mit Kassow Robots ein neues Unternehmen zu gründen und sich auf 7-Achs-Roboter zu konzentrieren?
Meine Motivation, Kassow Robots zu gründen, entstand aus der Überzeugung, dass der Markt größere und vor allem flexiblere kollaborative Roboterarme benötigt. Schon 2015 spürte ich, dass ein „Freedom Arm“ fehlte, der die Position des Ellbogens frei steuern kann. Dies ermöglicht es Robotern, in komplexen und engen Umgebungen agiler zu sein und sich von starren Installationen zu lösen. Ich hatte zudem den starken Wunsch, wieder aktiv in der Robotikentwicklung tätig zu sein. Unsere ersten Produkte, wie der KR 1805, wurden 2019 eingeführt, gefolgt von größeren Modellen im Jahr 2020. Ziel war stets ein Portfolio, das USB-Flexibilität und geringeren Platzbedarf bietet, was uns klar differenziert.
Was sind die Kern-USPs, die Kassow Robots von anderen kollaborativen Robotern am Markt unterscheiden?
Das offensichtlichste und wichtigste Unterscheidungsmerkmal ist zweifellos die siebte Achse. Sie erlaubt es uns, die Position des Ellbogens präzise zu kontrollieren und zu steuern, was bei 6-Achs-Robotern nicht möglich ist. Das bietet enorme Vorteile: Wir können sehr komplexe Bewegungen in beengten Räumen ausführen, sogar zwischen Maschine und Roboter hindurchfahren, wo ein 6-Achser einfach umfahren müsste. Dies reduziert nicht nur das Risiko von Kollisionen, sondern ermöglicht auch eine wesentlich kompaktere Aufstellung und verringert den benötigten Sicherheitsbereich. Ein weiterer Kern-USP ist die Kombination aus Traglast und Reichweite in einem kompakten Design. Nehmen Sie unseren KR810: Er hat die gleiche Größe wie ein vergleichbarer Cobot, bietet aber die doppelte Traglast. Das ist das Ergebnis unseres Ingenieurwissens, wie man Gelenke extrem kompakt und kraftvoll gestaltet. Diese Power ermöglicht uns auch höhere Geschwindigkeiten. Der kompakte Footprint wird immer wichtiger, besonders bei der Nachrüstung bestehender Produktionslinien, wo der Platz oft Mangelware ist.
Welche Anwendungen sehen Sie als prädestiniert für Ihre Roboter?
Neben Polieren und Entgraten, die tatsächlich zu den weniger automatisierten Prozessen gehören und für die unsere präzisen und flexiblen Roboter ideal sind, eignen sich unsere 7-Achs-Roboter hervorragend für Anwendungen, die hohe Flexibilität auf engstem Raum erfordern. Dazu gehören Materialhandling in beengten Zellen, das Einlegen und Entnehmen von Teilen aus Maschinen, Prüfaufgaben mit Vision-Systemen und generell alle Aufgaben, bei denen der Roboter um Hindernisse herumgreifen muss oder seine Haltung ändern muss, um eine optimale Werkzeugorientierung zu erreichen. Die Leichtigkeit unserer Arme und die Möglichkeit, sie auf Batterien zu betreiben, eröffnen auch mobile Anwendungen, etwa in Kombination mit AMRs.
Wie sieht Ihr aktuelles und zukünftiges Produktportfolio aus?
Wir zeigten auf der Messe automatica 2025 erstmals unsere dritte Robotergeneration. Das sind Prototypen, die wir voraussichtlich Ende 2025 auf den Markt bringen werden. Dazu gehört ein großer Roboter mit 1,80 Meter Reichweite und 24 kg Traglast, sowie ein Modell mit 1,20 Meter Reichweite und einer beeindruckenden Traglast von bis zu 40 kg – auch im gestreckten Arm. Diese neuen Modelle verfügen über komplett neu entwickelte Gelenke mit stärkeren Motoren und sind dennoch mit 60-70 kg Eigengewicht extrem leicht im Vergleich zu einem Industrieroboter mit gleicher Traglast, der schnell 400 bis 600 kg wiegt. Unser Ziel ist es, für jede Applikation das optimal passende Modell zu bieten.
Bosch Rexroth wurde 2022 Mehrheitseigentümer von Kassow Robots. Welchen Einfluss hat dies auf Ihre Strategie, Produkte und Marktpräsenz?
Die Übernahme der Aktienmehrheit durch Bosch Rexroth vor drei Jahren war ein echter Wendepunkt und ein super Match. Für Bosch Rexroth fehlte ein solider kollaborativer Roboterarm in ihrem Portfolio für flexible Automatisierungslösungen, und sie suchten gezielt ein europäisches Produkt. Für uns war es ein Glücksfall, einen Technologiekonzern als Investor zu gewinnen. Wir erhalten von Bosch Rexroth nicht nur Kapital, sondern unheimlich viel Know-how in Qualitätssicherung und Fertigungsprozessen. Darüber hinaus profitieren wir von ihrem globalen Netzwerk mit eigenen Niederlassungen in rund 60 Ländern. Der wichtigste strategische Vorteil ist jedoch das gewonnene Vertrauen am Markt. Früher wurden wir oft gefragt, ob es uns in zwei Jahren noch geben würde, was die Investitionsbereitschaft von Partnern bremste. Seit wir das Logo von Bosch Rexroth Logo tragen, ist diese Frage verschwunden. Das beruhigt unsere Partner und Kunden enorm und erleichtert den Aufbau unseres Netzwerks.
Wie sieht Ihre Vertriebs- und Servicestrategie aus, insbesondere im Hinblick auf den deutschen Markt?
Wir verkaufen unsere Roboter ausschließlich über Partner und Integratoren. So können wir uns auf die Entwicklung der Roboter konzentrieren und den Kunden die bestmöglichen, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Anwendungen bieten. Für den deutschen Markt haben wir ein eigenes Team. Der gesamte Vertrieb wird über die Bosch Rexroth Organisation abgewickelt, wodurch wir einen einfachen Zugang zu deren Strukturen und Netzwerken haben. Im Bereich Service bieten wir First- und Second-Level-Support. Diese Struktur gibt unseren Partnern Sicherheit, denn Industrieanlagen müssen laufen und können sich keine Ausfallzeiten leisten.
Abschließend: Welche Trends werden die industrielle Automatisierung in den nächsten Jahren prägen, und wie positioniert sich Kassow Robots dafür?
Kristian Kassow: Ich sehe weiterhin einen starken Trend zu noch mehr Flexibilität in der Fertigung. Die Zeiten, in denen man für 10 Jahre im Voraus planen konnte, sind vorbei. Unternehmen müssen in der Lage sein, schnell auf Veränderungen zu reagieren, und unsere Roboter sind genau dafür konzipiert. Die Integration von KI und Vision-Systemen wird die Roboternutzung weiter revolutionieren. Wir werden natürlich stark von der KI-Entwicklung profitieren, um die Benutzerfreundlichkeit unserer Roboter noch weiter zu steigern und sie intuitiver zu machen. Die Nachfrage nach einfachen, Plug-and-Play-Lösungen wird zunehmen, und unser KR Puls Ökosystem, das Partnern eine einfache Integration von Zubehör ermöglicht, ist hierfür ein wichtiger Baustein. Wir positionieren uns als der Spezialist für kollaborative Roboter, die maximale Freiheit und Präzision in kompakter Bauweise bieten – eine entscheidende Kombination für die Herausforderungen der modernen industriellen Automatisierung.