Energiewende-Infrastruktur Wie beeinflussen Gleichstrom-Erdkabel die Landwirtschaft?

Auf vier Untersuchungsflächen in Baden-Württemberg und Bayern, deren unterschiedliche Bodentypen repräsentativ für Süddeutschland sind, untersuchen die Projektbeteiligten den Einfluss von Bau und Betrieb der Kabel auf die landwirtschaftliche Nutzung.

Bild: publish-industry, DALL·E
26.09.2025

Laut Gesetz müssen in Deutschland Hochspannungs-Gleichstromleitungen als Erdkabel verlegt werden. Dabei kommt jedoch die Frage auf: Beeinflussen die Kabel den Ernte-Ertrag von Feldern, die sie kreuzen – und wenn ja, wie? Auf vier Versuchsfeldern den Betrieb von Erdstromkabeln und analysieren Forscher den Einfluss von 525-KV-Gleichstrom-Erdkabeln auf die Temperatur und Feuchtigkeitsverläufe im Boden sowie die Auswirkungen auf Ertrag und Qualität der Feldfrüchte. Bisher sind die Ergebnisse positiv – entscheidend ist jedoch eine fachgerechte Bauweise.

Um erneuerbare Energien wie beispielsweise Strom aus Windkraftanlagen verlustarm über große Entfernungen zu transportieren, müssen laut Gesetz in Deutschland Hochspannungs-Gleichstromleitungen als Erdkabel verlegt werden. So unter anderem auch im Projekt SuedLink, einem der größten Netzausbauprojekte in Deutschland. Die 700 km lange Gleichstrom-Erdkabelverbindung transportiert Windstrom aus Norddeutschland nach Bayern und Baden-Württemberg und wird von TenneT (Nordabschnitt) und TransnetBW (Südabschnitt) realisiert.

Doch welche Auswirkungen haben Erdstromkabel auf landwirtschaftliche Böden und Ernteerträge? Die Frage ist umso wichtiger, weil die Flächen für die geplante SuedLink-Leitung von den Netzbetreibern nicht erworben werden, sondern im Eigentum der landwirtschaftlichen Betriebe bleiben. Deshalb ist es besonders wichtig, dass die Flächen nach dem Bau normal weiter bewirtschaftet werden können und auch die gewohnten Erträge bringen.

Das Forschungsprojekt CHARGE der Universität Hohenheim in Zusammenarbeit mit TransnetBW und gefördert durch das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg liefert nun erste Antworten: Bau und Betrieb von Gleichstromerdkabeln beeinträchtigen weder die Erträge noch die Qualität der angebauten Feldfrüchte – sofern beim Bau einige Vorgaben eingehalten werden.

Praxisnahe Feldversuche an vier repräsentativen Standorten

Auf vier Untersuchungsflächen in Baden-Württemberg und Bayern, deren unterschiedliche Bodentypen repräsentativ für Süddeutschland sind, untersuchen die Projektbeteiligten den Einfluss von Bau und Betrieb der Kabel auf die landwirtschaftliche Nutzung. Die Auswirkungen auf Bodenstruktur, Temperatur und Feuchtigkeit interessieren sie dabei genauso wie Entwicklung, Wachstum und Ertrag der angebauten Kulturpflanzen.

Zu den Untersuchungsstandorten gehören in Baden-Württemberg die Orte Bad Friedrichshall/Kochendorf (Landkreis Heilbronn), Boxberg und Großrinderfeld (Main-Tauber-Kreis) sowie in Bayern die Gemeinde Güntersleben (Landkreis Würzburg).

Innerhalb der etwa fußballfeldgroßen Versuchsflächen wurden je drei Kabelgräben angelegt: Zwei Gräben sind mit beheizbaren Stahlrohren ausgestattet, die den maximalen Energieeintrag von 32 W pro laufenden Meter der späteren SuedLink-Erdkabel simulieren. Der dritte Graben dient als Kontrolle, der lediglich ausgehoben und wiederverfüllt wurde. So können die Forschenden Effekte erfassen, die allein auf die Baumaßnahmen zurückzuführen sind.

Die Flächen wurden vier Jahre lang in der gewohnten Fruchtfolge bewirtschaftet, darunter Getreidearten wie Weizen, Gerste, Dinkel, aber auch Raps und Mais. Sensoren erfassten während dieser Zeit kontinuierlich Bodentemperatur und -feuchte bis in 1,25 m Tiefe.

Bau und Betrieb beeinflussen Boden

Sowohl der Bau als auch der Betrieb von Erdstromkabeln beeinflussen die Umwelt. „Um die Kabeltrassen zu bauen, müssen die Bauunternehmen schweres Gerät einsetzen. Dadurch wird unter Umständen der Boden rund um die Kabelgräben verdichtet. Im eigentlichen Kabelgraben stören zumindest zeitweise das Ausheben und Wiederverfüllen die natürliche Struktur des Bodens“, erklärt Jonas Trenz, Doktorand im Fachgebiet Pflanzenbau der Universität Hohenheim.

Deshalb achteten die Forschenden beim Bau der Kabelgräben darauf, dass die natürliche Schichtung des Bodens beim Ausheben und Wiederverfüllen weitgehend erhalten bleibt. Fachleute sprechen hier von „fachgerechter Bauweise“. So wurden beispielsweise die natürlichen Bodenschichten getrennt gelagert und wiederverfüllt, Arbeiten auf stark durchnässten Böden wurden vermieden und verdichtete Bereiche anschließend gelockert. „Denn nasse Erde kann sich stark verdichten, so dass die Pflanzen später Schwierigkeiten haben, ihre Wurzeln auszubreiten“, beschreibt der Experte den Grund.

„Neben Veränderungen in der Bodenstruktur führen Erdstromkabel zu einer Wärmeabgabe an den umliegenden Boden. Uns interessiert, welche Folgen das für den Boden und die Pflanzen hat, die auf ihm wachsen“, ergänzt Fachgebietsleiterin Prof. Dr. Simone Graeff-Hönninger. „Wir untersuchten: Ist der Grad der Erwärmung beispielsweise im Oberboden für die Pflanzen relevant? Steht den Pflanzen eventuell weniger Wasser für ihr Wachstum zur Verfügung? Welche Auswirkungen hat das auf die Erträge und Qualitäten der angebauten Kulturarten sowie auf ihre Entwicklung und Reifung?“

Ergebnisse: Keine Einbußen – teilweise Vorteile

Nach vier Jahren Versuchslaufzeit zeigt sich, dass auf den Versuchsflächen sowohl durch den Bau als auch durch den Wärmeeintrag keine Ertragseinbußen festgestellt werden konnten. „Allerdings beeinflussen die unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten das Wachstum der Kulturpflanzen deutlich“, so Jonas Trenz. „Auf flachgründigen oder steinigen Standorten profitierten die Kulturarten sogar und wir konnten höhere Erträge beobachten.“

„Was das Pflanzenwachstum sowie Ertragshöhe und Kornqualität betrifft, können wir Effekte durch den Bau und die abgegebene Wärme beobachten, aber wir können noch nicht eindeutig zuordnen, welcher Effekt worauf zurückzuführen ist“, so Prof. Dr. Graeff-Hönninger. „Ganz allgemein finden wir eine hohe Abhängigkeit vom Standort und der Kulturart.“

„Die Temperaturmessungen ergaben, dass die Erwärmung unmittelbar am Kabel zwischen 14 und 16 °C beträgt, während im Oberboden in 15 cm Tiefe die Temperaturen nur um 1 bis 3 °C steigen“, sagt Dr. Joachim Ingwersen vom Fachgebiet für Biogeophysik an der Universität. „Mit zunehmendem Abstand vom Kabel nimmt die Bodenerwärmung rasch ab und ist in vier Metern Entfernung nicht mehr nachweisbar.“

Forschung für eine nachhaltige Zukunft

„Unsere Untersuchungen zeigen, dass landwirtschaftliche Flächen auch mit Erdstromkabeln produktiv bleiben und unter bestimmten Bedingungen sogar profitieren können“, fasst Prof. Dr. Graeff-Hönninger zusammen. „Unser Ziel ist, die gewonnenen Daten in Pflanzenwachstumsmodelle einzubetten, die es uns erlauben, unsere Ergebnisse auch auf andere Standorte zu übertragen.“

Die Erkenntnisse sollen dazu beitragen, bodenschonende Bauweisen weiterzuentwickeln, die Bodenerwärmung durch Erdkabel zu minimieren und die nachhaltige Nutzung landwirtschaftlicher Flächen zu sichern. Die Forschungsergebnisse könnten auch wichtige Hinweise darauf geben, wie steigende Bodentemperaturen – verursacht durch Klimawandel oder technische Anlagen – landwirtschaftliche Böden und Nutzpflanzen grundsätzlich beeinflussen.

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