Smart Traffic & Mobility Wege zu sauberen Nutzfahrzeugen


Euro VI ist nicht alles: Ansätze zu mehr Nachhaltigkeit haben viele Facetten, die auf einer Informationsveranstaltung des VDA im Vorfeld der IAA Nutzfahrzeuge zur Sprache kamen

23.08.2012

Unter dem Motto „Nutzfahrzeuge: Motor der Zukunft“ versammelt die IAA Nutzfahrzeuge dieses Jahr mehr Aussteller auf größerer Fläche als die Vorgänger-Veranstaltung im Jahr 2010. Mobility 2.0 wirft einen Blick darauf, was sie in Sachen nachhaltiger Mobilität bringen wird.

„Das wirkliche Ein-Liter-Auto ist der Truck“, spitzte Dr.-Ing. Bernard Krone, Beiratsvorsitzender der Bernard Krone Holding, bei einer Informationsveranstaltung zur IAA Nutzfahrzeuge im Juni zu. Während anderthalb Tonnen schwere Pkw heute in der Praxis vielleicht mit 5 Liter Diesel pro 100 km über die Straßen brausen, schafft das ein sparsamer 40-Tonnen-Zug mit 32,4 Liter - nicht nur auf dem Papier, sondern über eine fast 400.000 km lange Strecke gemessen, wie Heinz-Jürgen Löw, Senior Vice President der Renault Trucks ausführte. Er zeigte sich nicht nur erfreut über das Resultat seines Renault Premium 410.25, sondern mahnte verbessertes Verkehrsraum-Management sowie Erhaltung und Ausbau der erforderlichen Infrastruktur an. Damit meinte er explizit nicht die vom deutschen Sachverständigenrat für Umweltfragen vorgeschlagene Installation eines Oberleitungsnetzes auf deutschen Autobahnen (siehe auch S. 18), sondern eine optimale Nutzung vorhandener Strukturen etwa durch Echtzeit-Datenaustausch zur Vermeidung von Staus oder Vorrangschaltungen für Transporte an Ampelkreuzungen. Solche Ansätze verfolgen etwa das im Sommer abgeschlossene Freilot-Projekt (Urban Freight Energy Efficiency Pilot) oder Optimod (Optimiser la moblité durable en ville) in Großstädten.

Abgasnorm Euro VI

Die 64. IAA Nutzfahrzeuge selbst, die vom 20. bis 27. September 2012 in Hannover stattfindet, wird dieses Jahr aber auch geprägt werden vom Abgasstandard Euro VI, der 2014 obligatorisch wird und seine Schatten vorauswirft. Dann werden Busse zum Beispiel ihre NOX-Emissionen gegenüber dem Jahr 1990 um bis zu 97 % reduziert haben, wie Rudolf Kuchta betonte, der Senior Vice President Sales Management Bus von MAN Truck & Bus. Außer zur Euro-VI-Norm kompatiblen Aggregaten erwartet Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) auf der IAA Nutzfahrzeuge neue Vorschläge zur Optimierung der Aerodynamik und Fortschritte bei alternativen Nutzfahrzeugantrieben - „von Erdgas und Hybrid über Wasserstoff bis zur Elektromobilität“.

Weil Nutzfahrzeuge mit dem neuen Standard Euro VI nahezu schadstofffrei fahren, sei es umso wichtiger, dass die Politik eine günstigere Mautklasse für Euro-VI-Fahrzeuge einführe, damit die Emissionsspreizung der Lkw-Maut auch bei Euro VI ihre ökologisch positive Wirkung entfalten könne.

Zwar nähern sich die Emissions-Standards einander weltweit immer mehr an, wie Daimler-Vorstandsmitglied Andreas Renschler feststellte, aber die Verfügbarkeit des schwefelfreien Kraftstoffes behindere die Umsetzung. So habe in China, dem größten Truckmarkt der Welt, die Regierung die landesweite Euro IV-Einführung bereits dreimal verschoben, weil der passende Kraftstoff fehlt. Und in Brasilien trage der Mangel an adäquatem Kraftstoff gerade zum schwierigen Start der Euro-V-Norm bei. Von der Hybrid-Technologie verspricht sich Renschler beim Truck schätzungsweise 6,5 % mehr Kraftstoff-Effizienz, das erfordere allerdings vom Kunden höhere Investitionen. Zusätzlich brachte er die „Endkantenklappe“ („Boat Tail“) ins Gespräch: „Vier bis fünf Prozent Kraftstoff-Ersparnis lassen sich nach unseren Berechnungen herausholen, wenn wir am Ende des Aufliegers solche Klappen anbringen“, so der Daimler-Vorstand. „Allerdings bräuchte man eine neue Regelung - und zwar europaweit. Und da liegt der Knackpunkt“. Denn die Klappe würde die maximal zulässige Sattelzug-Länge von 16,5 Metern um etwa 40 Zentimeter überschreiten.

Vom Lang-Lkw auf die Bahn

Zu weiteren technischen Konzepten, die bald die CO 2-Belastung reduzieren könnten, gehört der Lang-Lkw, bei dem zwei längere Lkw das gleiche Volumen transportieren wie drei herkömmliche. VDA-Präsident Wissmann schätzt das Einsparpotenzial für Kraftstoff und CO 2auf bis zu 30 %. Die ersten Erfahrungen mit dem Feldversuch in Deutschland zeigen laut Wissmann, dass die Transporteffizienz erheblich steige. Der Lang-Lkw lasse sich auch gut im Zusammenspiel mit der Bahn einsetzen: „Er ist Partner der Bahn im kombinierten Verkehr.“

Auch die Vorteile, die der Fernbus als „CO 2-Champion“ realisiere, sollten durch ein Öffnen der Fernbuslinien stärker genutzt werden, sagte Wissmann: „Der Fernbus könnte Deutschlands sozialstes Fernverkehrsmittel werden, wenn die Politik endlich den antiquierten Paragrafendschungel lichtet und den Busfernverkehr freigibt.“ Auch der Linienbus im Nahverkehr beeindrucke durch einen CO 2-Wert von lediglich 75 Gramm pro Personenkilometer: „Er emittiert damit weniger CO 2als Straßenbahn, U-Bahn oder Eisenbahn“, betonte Wissmann und verwies darauf, dass die Berechnung vom Umweltbundesamt stamme. Der Bus sei auch in seiner Flexibilität unübertroffen: „Gerade in Schwellenländern, wo die Ballungszentren rasch wachsen, ist der Bus erfolgreich.“ Die Aufnahme des Linienverkehrs benötige deutlich weniger Zeit und Kosten als der Aufbau einer schienengebundenen Nahverkehrsinfrastruktur.

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