Schaeffler ist als Hersteller von Lager- und Linearführungen bekannt. Es scheint jedoch, als ob sich das Unternehmen zunehmend als Lösungsanbieter für den Werkzeugmaschinenbau positioniert. Täuscht dieser Eindruck?
Dieser Eindruck ist absolut richtig. Wir haben uns bewusst in diese Richtung entwickelt, um uns von unseren Mitbewerbern abzuheben. Viele Unternehmen spezialisieren sich auf einzelne Produkte wie Lager oder Linearführungen, aber wir bieten komplette Lösungen an. Ein Beispiel: Eine Hauptachse einer Werkzeugmaschine erfordert nicht nur eine Linearführung, sondern auch einen Antrieb wie eine Kugelrollspindel und passende Stützlager. Wenn wir all diese Komponenten aus einer Hand liefern, wird der gesamte Prozess für den Kunden erheblich vereinfacht. Der Kunde muss nicht selbst die verschiedenen Teile zusammenfügen, was nicht nur aufwändig ist, sondern auch das Risiko für Fehler erhöht. Unsere umfassende Erfahrung und das ganzheitliche Verständnis für die einzelnen Komponenten ermöglichen es uns, dem Kunden eine vollständige Lösung zu bieten, die viel effizienter ist.
Ist die Kombination aus Lager-, Linear- und Direktantriebstechnik auch ein Vorteil in Richtung Lösungsanbieter?
Ja, das ist ein entscheidender Vorteil. Es geht nicht nur darum, Antrieb und Lager aus einer Hand zu bekommen, sondern darum, die ganze Konstruktionsweise der Maschine neu zu denken und innovative Lösungen anzubieten. Der Wettbewerbsdruck im Maschinenbau nimmt stetig zu, und in diesem Kontext sind neue Denkansätze erforderlich. Ein gutes Beispiel ist unser Rundachslager YRTAG, das eine integrierte Verzahnung aufweist. Diese Lösung entstand direkt aus dem Kundenfeedback und den Anforderungen des Marktes. Der Vorteil wird besonders in der Montage sichtbar, da wir den Ausrichtungsaufwand erheblich reduzieren. Obwohl das Produkt zunächst teurer sein mag als herkömmliche Lösungen, verfolgen wir stets einen Total-Cost-of-Ownership-Ansatz, der den gesamten Prozess betrachtet. Es geht nicht nur um den Preis der Komponenten, sondern auch um die Einsparungen bei der Montage und die Verringerung des Risikos.
Auf der Schaeffler-Webseite findet sich der Begriff „Ready to Fit“. Bedeutet das, dass Sie aktiv in das Engineering mit den Maschinenbauern einsteigen?
Ja, das bedeutet, dass wir sehr aktiv in das Engineering mit unseren Kunden einsteigen, aber es kommt immer auf die jeweilige Anwendung und den Kundenbedarf an. Für einfachere Anwendungen, bei denen die Funktion einer Komponente klar ist und keine umfassenden Berechnungen erforderlich sind, erfolgt der Vertrieb oft über den Handel. Doch bei anspruchsvolleren Anwendungen, bei denen es auf Präzision und Dynamik ankommt – etwa wenn das Anwendungsfeld für den Kunden Neuland ist – dann ist die enge Zusammenarbeit mit unseren Anwendungstechnik-Experten unerlässlich. In diesen Fällen legen wir gemeinsam mit den Kunden die Applikation aus und berechnen sie, um sicherzustellen, dass alles optimal aufeinander abgestimmt ist. Wir bieten also eine breite Palette an Lösungen, die von einfachen Komponenten bis hin zu maßgeschneiderten Komplettlösungen reicht.
Also ist Schaeffler auch für den Werkzeugmaschinenbau ein Dienstleister im Bereich Engineering?
Absolut. Das Anwendungstechnik-Know-how ist eines unserer wichtigsten Alleinstellungsmerkmale und wird von unseren Kunden sehr geschätzt. Komponenten kann jeder Lieferant liefern, aber das tiefgehende Verständnis für die spezifischen Anforderungen und die optimale Auslegung von Lösungen ist entscheidend. Unsere Kunden wissen, dass sie sich auf unsere Expertise verlassen können, besonders wenn es darum geht, maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln oder bestehende Lösungen zu optimieren. Wir helfen unseren Kunden, die besten Entscheidungen zu treffen, was besonders in Zeiten von Fachkräftemangel im Ingenieurbereich sehr wertvoll ist.
Wie oft kommt es vor, dass Kunden spezifische Anforderungen haben, die nicht mit dem Standardbaukasten bedient werden können?
Es kommt häufiger vor, als man denkt. In vielen Fällen lässt sich jedoch eine Lösung aus dem Standardbaukasten finden, indem wir die verschiedenen Komponenten richtig kombinieren. Das hat den Vorteil, dass es schneller geht und die Verfügbarkeit der Teile einfacher ist. Es gibt jedoch auch immer wieder Anwendungsfälle, bei denen wir spezielle Lösungen entwickeln müssen, besonders wenn es um hochpräzise oder komplexe Anforderungen geht. In diesen Fällen können wir auf unser umfangreiches Know-how zurückgreifen und eine maßgeschneiderte Lösung anbieten. Kunden schätzen es, dass wir schnell reagieren und kompetente Lösungen bieten, die auf ihre speziellen Bedürfnisse abgestimmt sind. Das Vertrauen in unsere Beratungskompetenz ist hier ein entscheidender Faktor.
Ein Trend, der auch vom chinesischen Markt kommt, ist die Vermeidung von Over-Engineering. Stimmen Sie dem zu?
Ja, das ist ein Trend, den wir zunehmend auch in anderen Märkten beobachten. Früher waren Maschinen häufig mit überflüssigen Features ausgestattet, die den Preis in die Höhe trieben, aber im realen Betrieb nicht immer erforderlich waren. Der Trend geht eindeutig in Richtung Vereinfachung und Kostenoptimierung. Auch Premium-OEMs, die früher sehr viele Features eingebaut haben, denken heute stärker an das Wesentliche und vermeiden Over-Engineering. Bei
Schaeffler bedeutet das, dass wir uns auf Standardlösungen konzentrieren, die gleichzeitig durch gezielte Anpassungen – wie spezielle Schmierstoffe oder angepasste Materialien – optimiert werden. Der Mix aus Standardlösungen und sinnvollen Ergänzungen ist entscheidend. So können wir unseren Kunden helfen, Kosten zu senken und gleichzeitig wettbewerbsfähig zu bleiben.
Wird Schaeffler am Markt bereits als Lösungsanbieter wahrgenommen?
Ja, immer mehr. Natürlich gibt es noch viele Fälle, in denen wir nur einzelne Komponenten liefern, da Kunden oft in Teilschritten arbeiten. Aber gerade bei neuen Projekten haben wir die Möglichkeit, den gesamten Prozess von Anfang an zu begleiten und eine komplette Lösung zu liefern. In solchen Fällen können wir als Systemlieferant agieren und die gesamte Planung übernehmen, was uns deutlich von reinen Komponentenlieferanten unterscheidet.
Welche wichtigen Trends sehen Sie im Werkzeugmaschinenbau?
Der wichtigste Trend ist zweifellos die Automatisierung. Sie verändert die Anforderungen im Werkzeugmaschinenbau erheblich, insbesondere in Bezug auf Präzision und Dynamik. Schaeffler hat auf diese Entwicklung reagiert und Produkte entwickelt, die speziell für die Automatisierung und die weniger präzisen Anforderungen außerhalb des Arbeitsraums geeignet sind. Ein Beispiel ist das bereits erwähnte YRTA-Rundachslager, das für weniger anspruchsvolle Anwendungen im Automatisierungsbereich entwickelt wurde. Ebenso haben wir die Kugelumlaufeinheit KLLT entwickelt, die besonders für die Peripherie der Werkzeugmaschine geeignet ist. Diese Lösungen bieten nicht nur Kostenvorteile, sondern stärken auch die Wettbewerbsfähigkeit unserer Kunden, indem sie es ihnen ermöglichen, die Produktionskosten zu senken.