Absicherung Vertikalachsen sicher betreiben

Bei Vertikalachsen hängen die Gefahren davon ab, ob ein Werker komplett unter die Vertikalachse treten kann oder ob er sich nur teilweise darunter befindet.

Bild: Pilz
23.10.2014

Haltebremsen in Antriebsmotoren von Vertikalachsen schützen nur bei geringfügigen Gefährdungen vor unkontrolliertem Absinken hängender Lasten. Einen Standard zum Beurteilen einer Gefahr gibt es nicht. Dennoch muss das Risiko beurteilt und entsprechende Sicherheitsfunktionen implementiert werden.

In der automatisierten Fertigung werden schwere Teile nicht nur horizontal, sondern über Vertikalachsen auch hinauf und hinunter bewegt. Die in Antriebsmotoren integrierten Haltebremsen bieten nur bei geringfügigen Gefährdungen einen ausreichenden Schutz gegen das unkontrollierte Absinken hängender Lasten. Eine kritische Reduzierung des Bremsmomentes, aufgrund von Verölung, Staubbildung und mechanischem Bruch oder Verschleiß, kann nicht erkannt werden. Ist prozessbedingt der Schutz durch eine Haltebremse nicht gewährleistet, sind steuerungstechnische oder weitere mechanische Maßnahmen zur Reduzierung des Risikos notwendig.

Eine spezielle Norm zur Beurteilung der Gefahren an Vertikalachsen gibt es derzeit nicht, wohl aber die Verpflichtung des Betreibers, eine Risikobeurteilung laut Maschinenrichtlinie zu erstellen. Dazu gehören das Einschätzen der Gefahren mit Hilfe des Performance Levels (PL a), das Ausfallverhalten der eingesetzten Geräte sowie Maßnahmen zur Risikominderung und ihre Verifikation.

Allgemeine Hinweise zur Durchführung der Risikobeurteilung folgen aus der DIN EN ISO 12100:2010. Im Anhang B sind mögliche Gefahrensituationen und Schutzmaßnahmen aufgelistet, die in Betracht zu ziehen sind.

Das Einschätzen der Gefahren an Vertikalachsen hängt im Wesentlichen davon ab, ob sich der Bediener mit Händen und Armen oder seinem kompletten Körper unter der Vertikalachse befindet. Weitere Aspekte, die mit einfließen, sind Häufigkeit und Dauer der Risikoexposition und die Möglichkeiten, eine Gefährdung zu verhindern. Aus der Summe dieser Faktoren ergibt sich der für die Einschätzung erforderliche PL von einem niedrigen (PL a) bis zu einem hohen Risiko (PL e). Die Bewertung nach ENI SO 13849-1 beinhaltet nicht nur das Grundgerüst der Steuerungskategorie, sondern auch quantitative Größen. Dazu gehören unter anderem die mittlere Zeit bis zum gefahrbringenden Ausfall eines Kanals in Jahren (MTTFd -Wert) und der Diagnosedeckungsgrad in Prozent (DC).

Unterschiedliche Betriebsarten absichern

Zur Risikobeurteilung gehören auch die Festlegung von Maschinengrenzen wie Verfahrbereiche, Lebensdauer und Wartungsintervalle sowie Betriebsarten und Eingriffsmöglichkeiten durch den Bediener. In der Betriebsart Automatik sind alle Bewegungen der Vertikalachse nur bei geschlossener und verriegelter Schutzeinrichtung mit Zuhaltung erlaubt. Wird die Schutztür geöffnet, erfolgt zum Beispiel ein Sicherer Stopp 2 (SS2). Das heißt, der Antrieb wird an der Bremsrampe heruntergefahren und dann ein Sicherer Betriebshalt (SOS) eingeleitet. Im Stoppzustand bleiben alle Regelfunktionen erhalten und die Stopp-Position wird überwacht. Zu große Geschwindigkeiten in der Bewegung der Vertikalachse im Verhältnis zur mechanischen Auslegung können ebenfalls zu einer Gefährdung führen. In diesem Fall greift die Funktion Sicherer Geschwindigkeitsbereich (SSR) und löst notfalls Sicherer Stopp1 (SS1) aus, bei dem die Energiezufuhr unterbrochen wird.

Steht der Betriebsartenwahlschalter auf Einrichten, sind Bewegungen bei geöffneter Schutzeinrichtung und aktiver Zustimmfunktion unter einem verringerten Risiko möglich. Auch hier wird die Geschwindigkeit sicher überwacht und notfalls ein Sicherer Stopp 1 (SS1) eingeleitet. Im Einrichtbetrieb sind zusätzliche Maßnahmen nach EN ISO 10218-1, DIN EN 12417 vorgeschrieben. Außerdem muss bei geöffneter Schutztür das unerwartete Anlaufen der Vertikalachse sicher verhindert werden.

Welche Maßnahmen bei unterschiedlichen Betriebsarten nicht nur sicher sondern auch effizient arbeiten, zeigt Pilz mit der Safe Motion Lösung PMCprotego DS; eine Kombination aus Servoverstärker und steckbarer Sicherheitskarte. Sie beinhaltet insgesamt elf Sicherheitsfunktionen, die alle gebräuchlichen Anforderungen der Maschinenrichtlinie nach IEC 61800-5-2 erfüllen und bis PL e beziehungsweise SIL CL 3 ausgelegt sind. Optional kann über einen externen Geber eine Achsbruchüberwachung realisiert werden.

Sicherheitsfunktionen für Vertikalachsen

In Abhängigkeit des notwendigen PL ist ein entsprechendes Bremsenkonzept zur Reduzierung der Gefährdung notwendig. Als wirtschaftliche Funktion kann in vielen Fällen der Sichere Bremsen Test (SBT) eingesetzt werden. Eine kritische Reduzierung des Bremsmomentes, aufgrund von Verschmutzung oder mechanischem Verschleiß, kann auf diese Weise sicher erkannt werden.

Durch den sicheren Bremsentest kann die Sicherheit sowohl von Einzelbremsen als auch doppelt ausgeführten Bremsen gesteigert werden. Mit diesem zyklischen Bremsentest nach Kategorie 2, EN ISO 13849-1, der mit einem zusätzlichen Lastmoment erfolgt, können ebenfalls Fehler in der Ansteuerung der Bremse aufgedeckt werden. Je nach Anwendung und Forderung aus der durchgeführten Gefahrenanalyse wird dieser entweder alle acht Stunden selbsttätig durchgeführt oder unmittelbar vor der Deaktivierung der Zuhaltung.

Sichere Bremsenansteuerung

Die Sichere Bremsenansteuerung (SBC) ist neben dem Sicheren Bremsentest eine weitere wichtige Funktion für Vertikalachsen. Damit wird eine sichere Aktivierung der Haltebremse gewährleistet. Unabhängig von der Art der Ansteuerung hat eine mechanische Bremse Verschleiß. Aus diesem Grund ist auch ein Sicherer Stopp durch den Antrieb dem Not-Halt vorzuziehen, denn so werden die mechanischen Bremsen möglichst wenig belastet – sofern es die Risikoeinschätzung ­erlaubt.

Eine weitere relevante Sicherheitsfunktion an Vertikalachsen ist die Sicher begrenzte Position (SLP). Sie überwacht vorab definierte Endlagen und schaltet den Antrieb bei einer Grenzwertverletzung sicher ab. Ergänzende Maßnahmen zur Risikominderung sind die Unterbrechung der Energieversorgung mit Sicher abgeschaltetes Moment (STO) und Funktionen, die primär das Einrichten betreffen wie Sicher begrenzte Geschwindigkeit (SLS), Sichere Bewegungsrichtung (SDI) sowie Sicher begrenztes Schrittmaß (SLI).

Redundante Absturzsicherung

Bei geringer Gefährdung und kurzer Aufenthaltsdauer unter der Vertikalachse genügt eine einzelne Bremse. Befindet sich der Bediener jedoch mit dem ganzen Körper unter der Last und die zeitliche Risikoexposition ist deutlich größer, wird sowohl im Automatikbetrieb als auch beim Einrichten eine redundante Absturzsicherung nach Kategorie 3, EN ISO 13849-1 gefordert. An der Achse beziehungsweise im Motor ist in der Regel aber nur eine Bremse vorhanden; eine zweite muss also integriert und angesteuert werden. Zur Gewährleistung der Sicherheit müssen die redundanten Bremsen einzeln angesteuert und beim sicheren Bremsentest auch einzeln geprüft werden. Eine Bremse muss dabei die Haltekraft für die gesamte Gewichtskraft aufbringen. Die redundante Ansteuerung der Bremsen ist im Servoverstärker mit integrierter Sicherheitskarte PMC Protego DS enthalten.

Bei der Ansteuerung von Halte- oder Sicherheitsbremsen ist in einigen Fällen eine externe sichere Bremsenansteuerung ratsam oder sogar zwingend notwendig. Wenn der aufgenommene Strom zu groß, die Verlustleistung der Bremse reduziert werden soll oder zwei Bremsen an einem Ausgang zu betreiben sind, bieten Standard Systeme oft keine Lösung. Für diese Anforderung bietet Pilz mit dem Sicherheitsrelais PNOZ s50 eine Lösung für die Sichere Bremsenansteuerung (SBC). Da es für die zeitgleiche Ansteuerung von zwei leistungsstarken Bremsen unterschiedlicher Hersteller eingesetzt werden kann, entfällt nicht nur eine weitere Steuerung mit meist aufwändiger Verdrahtung. Das neue Sicherheitsrelais kann auch zum Nachrüsten bereits bestehender Halte- und Sicherheitsbremsen eingesetzt werden.

Sichere Vertikalachsen

Vertikalachsen verdienen bei einer sicherheitstechnischen Betrachtung besondere Beachtung. Je nach Anwendungsfall und Betriebsart stehen verschiedene Lösungsansätze zur Verfügung, die Sicherheit und Wirtschaftlichkeit vereinen. Das Angebot reicht von einem reinen Bremsentest über die Ansteuerung von zwei leistungsstarken Halte- und Sicherheitsbremsen bis hin zur redundanten Absturzsicherung nach ­Kategorie 3, EN ISO 13849-1.

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