Reaktionszeiten Ultraschnelle Automatisierung

Die Programmierung der FPGAs erfolgt im Funktionsblock-Editor der Automatisierungs-Software Automation Studio.

Bild: B&R
22.10.2014

Reaktionszeiten von einer Millisekunde sind in der Automatisierung für manche Anwendungen mittlerweile zu langsam. Durch ein neues Konzept konnten die Reaktionszeiten der Steuerungstechnik nun auf eine Mikrosekunde reduziert werden. Mit Standard-Hardware realisiert, gelingt damit eine Leistungssteigerung ohne Mehrkosten.

Schnelligkeit hat in bestimmten Anwendungen einen direkten Einfluss auf die Qualität des Produktes. „Der Druck beim Formen von PET-Flaschen muss präzise geregelt sein“, sagt Anton Meindl, Business Manager Controls bei B&R. „Je präziser die Druckregelung erfolgt, desto dünner kann die Wand der Flasche sein.“ Weitere Beispiele aus dem Spritzgießbereich sind eine exakte Drehzahl- oder Positionsregelung. Auch in der Druckindustrie sind schnelle Funktionen nötig. „Wenn Papier in eine Maschine läuft, muss die Kante bei einer sehr hohen Geschwindigkeit erkannt werden“, sagt Meindl. Die Anwendungsmöglichkeiten für ultraschnelle Reaktionszeiten sind zahlreich.

Herkömmliche I/O-Technik arbeitet mit einer minimalen Reaktionszeit von rund 1 ms. „Das ist jedoch für bestimmte Anwendungen mittlerweile zu langsam“, merkt Meindl an. „In Abfüllanlagen für Getränkeflaschen muss die Steuerungstechnik das Signal des Füllstandsensors schneller verarbeiten, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.“

Die Reaktionszeit hing bislang von mehreren Faktoren ab: der Netzwerk-Performance, also der Anzahl der Knoten im Netzwerk und der Netzwerklast sowie der Leistungsfähigkeit der Steuerung. Konkret verläuft die Signalverarbeitung so: Der Eingangstreiber eines I/O-Moduls tastet das Eingangssignal ab und wandelt es in ein Logiksignal um. Dieses Signal wird über das Netzwerk an die zentrale Steuerung geschickt. Die SPS verarbeitet das Signal und überträgt es wieder zum Modul. Die Ausgangstreiber wiederum setzen das Signal um und über­tragen es an den Bestimmungsort. Reaktionszeiten im Milli­sekundenbereich lassen sich auf diese Art nicht wesentlich ­unterschreiten.

Reaktionszeit von 1 µs

„Bei der Entwicklung von Reaction Technology haben wir uns das Ziel gesetzt, die Signalverarbeitungszeit weitestgehend in die I/O-Module selbst zu integrieren“, erläutert Meindl. „Gleichzeitig wollten wir die Vorteile einer zentralen Software-Haltung beibehalten.“ Das B&R-Konzept verkürzt die Reaktionszeit zwischen Erfassung des Eingangssignals und Ausgabe des Steuerungssignals auf 1 µs. Sie beruht auf einem I/O-Modul mit integriertem FPGA. „Für einen FPGA-Chip haben wir uns entschieden, weil er Signale parallel und schnell verarbeiten kann“, resümiert Meindl. Bei rund 10 verschalteten Funktionsblöcken beträgt die Abarbeitungszeit im FPGA rund 0,8 µs.

Einer Herausforderung mussten sich die B&R-Entwickler stellen: Bislang waren FPGAs schwer zu programmieren. „Dieses Problem haben wir gelöst“, sagt der Business Manager. ­Maschinenbauer können die FPGAs wie gewohnt in der Automatisierungs-Software Automation Studio handhaben und programmieren. Sie erstellen Programme samt Parameter in Form von Funktionsblöcken nach IEC 61131, auch die Kommunikation zwischen I/O- und CPU-Tasks erfolgt über den Austausch der Prozessvariablen. An logischen Operationen sind etwa AND, OR, XOR oder NOT möglich. Ebenso realisieren lassen sich arithmetische Operationen wie ADD, SUB, MUL, DIV sowie FlipFlop, PWM, Komparator und Zähler.

Die per Funktionsblock erstellten Verschaltungen lassen sich wie klassische Steuerungscodes testen. Die Simulation erfolgt durch Ausführung der Module auf der Steuerung. Funktioniert alles einwandfrei, wird die Software-Funktion auf die ausführende Hardware-Komponente zugewiesen durch Anpassen der Hardware-Konfiguration in Automation Studio. „Reaction Technology erlaubt es also, mit einfacher Software-Programmierung hinsichtlich der Geschwindigkeit eine neue Dimension zu erreichen“, sagt Meindl. Im Interesse einer universellen Verwendbarkeit lassen sich die Funktionsblöcke zur lokalen Ausführung dynamisch in die Module nachladen.

Unabhängige Reaktionszeiten

Da die Signalverarbeitung direkt im Modul erfolgt, sind Reaktionszeiten nicht mehr vom vorhandenen Systembus oder der zentralen Steuerung abhängig. Andere Lösungen am Markt erreichen entweder nicht dieselbe Geschwindigkeit oder sie schränken die Maschinenbauer hinsichtlich Flexibilität und Programmierung ein.

Die Signalverarbeitung mit Reaction Technology läuft wie folgt ab: Der Eingangstreiber tastet das Eingangssignal mit einer Auflösung von 20 ns ab und wandelt es in ein Logiksignal um. Anschließend verarbeitet das FPGA das Signal mit Zykluszeiten von bis zu 1 µs. Das resultierende Ergebnis wird wieder an den Ausgangstreiber des I/O-Moduls übermittelt. Das Modul setzt diese Information um und gibt ein physikalisches Signal aus. Das FPGA übernimmt also bestimmte Steuerungsfunktionen der Steuerung und entlastet sie dadurch.

„Da Reaction Technology die Zentralsteuerung entlastet, kann die SPS kleiner dimensioniert werden“, sagt Meindl. Das bedeutet, Maschinenbauer können mit einer Steuerung, die im Millisekundenbereich arbeitet, eine Reaktionszeit im Mikrosekundenbereich erreichen. Für welche Prozessorgröße der SPS sich der Anwender entscheidet, hängt also nicht mehr von Spitzengeschwindigkeiten in speziellen Funktionen ab, sondern allein von der durchschnittlichen Auslastung der Applikation.

Ultraschnelle Module, ultraschnelle Steuerung

Reaction Technology ist sowohl auf I/O-Modulen des X20- und X67-Systems als auch auf den neuen X20-Kompaktsteuerungen verfügbar. Drei Module mit unterschiedlicher I/O-Konfiguration stehen bereit: Die X20-Module in IP20- Ausführung verfügen über vier digitale Eingänge mit variablem Eingangsfilter und weitere vier konfigurierbare digitale
I/Os, deren physikalische Wandlungszeit unter 2 µs liegt. Das Modul X20RT8201 hat zusätzlich zwei Analog-Eingänge (±10 V) mit 12 Bit Auflösung und 5 µs Wandlungszeit. Das X67-Modul in IP67-Ausführung stellt zwei digitale Eingänge (24 V DC) und weitere drei Eingänge (5 V DC) sowie vier konfigurierbare I/Os bereit. Neben zwei Analog-Eingängen wurde ein Analogausgang (±10 V) mit 12 Bit Auflösung zusätzlich integriert.

An Kompaktsteuerungen mit Reaction Technology bietet B&R zwei Modelle: X20CP1381-RT und X20CP1382-RT. Die Kompaktsteuerungen gibt es mit 200 und 400 MHz Prozessor-Performance. Je nach Variante sind bis zu 256 MB Arbeitsspeicher und 16 kB nullspannungssicheres RAM verfügbar. Für Applikation und Datenablage steht ein fest eingebautes Flash Drive mit bis zu 4 GB zur Verfügung. Die Steuerungen verfügen über Ethernet-, USB- und RS232-Schnittstelle. In beiden Leistungsklassen sind zusätzlich Powerlink und Can als integrierte Schnittstelle verfügbar.

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  • Mit der Reaction Technology ist die Reaktionszeit unabhängig von der Netzwerk-Performance und der Leistungsfähigkeit der Zentralsteuerung.

    Mit der Reaction Technology ist die Reaktionszeit unabhängig von der Netzwerk-Performance und der Leistungsfähigkeit der Zentralsteuerung.

    Bild: B&R

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