Designer-Bakterien verwerten Abfälle So süß schmeckt Müll

Der Süßstoff Xylitol sorgt beispielsweise in Bonbons für den Geschmack - ohne Kariesgefahr.

12.05.2017

Kaugummis, Bonbons, Diätschokolade - diesen Naschereien verleiht der Süßstoff Xylitol den Geschmack. Mithilfe von Designer-Mikroorganismen lässt sich Xylitol nun in einem umweltfreundlichen Verfahren aus organischen Abfällen herstellen.

Manche Abfälle sind fürs Wegwerfen in Wahrheit viel zu schade. In der Papier- und Zellstoffindustrie fallen große Mengen an Hemizellulose an, die bisher kaum Beachtung fanden. Mit neuartigen Verfahren kann man daraus allerdings wertvolle Produkte herstellen – zum Beispiel Xylitol. Dabei handelt es sich um einen Süßstoff, der intensiv schmeckt, dabei aber Karies vorbeugt und nur eine geringe Insulinausschüttung bewirkt.

Designerbakterien für mehr süße Ausbeute

An der TU Wien gelang es, chemische, enzymatische und biologische Prozessschritte zu verknüpfen. Mit Hilfe spezieller Designer-Mikroorganismen kann man nun in einem einzigen Verfahrensschritt auf umweltfreundliche Weise aus Hemizellulose Xylitol herstellen.

Dabei setzten die Forscher erstmals die Bakterienspezies Sulfolobus erstmals technisch ein. Diese einfachen Mikroorganismen aus der Domäne der Archaebakterien lieben eine Umgebung, in der andere Lebewesen nicht überleben könnten: Ihre beste Arbeit leisten sie bei Temperaturen von 70 bis 80 °C und einem pH-Wert von knapp über 2.5 (fast so sauer wie Zitronensaft). Mit der CRISPR/Cas Methode wurden ganz gezielt neue Sulfolobus-Stämme erzeugt, um die Produktivität und Ausbeute des Prozesses zu erhöhen.

„Damit ist es uns gelungen, die Vorteile von lebenden Zellen, enzymatischen und chemischen Katalysatoren zu kombinieren“, erklärt Oliver Spadiut von der TU Wien. „Bei unserem neuen Hybrid-Prozess werden einerseits Mikroorganismen verwendet und andererseits auch bestimmte Enzyme und chemische Katalysatoren zugeführt. So können wir die gewünschten Produkte in unserem Bioreaktor in einem einzigen Schritt herstellen – und zwar auf eine energieeffiziente und genau kontrollierbare Weise, die sich gut auf industrielle Maßstäbe hochskalieren lässt.“

Zellulose effizienter aufspalten

Auch heute wird bereits Xylitol aus Hemizellulose hergestellt, allerdings auf deutlich kompliziertere Weise: „Normalerweise muss man die Hemizellulose bei hohen Temperaturen mit Säure aufschließen. Durch den Einsatz von Mikroorganismen können mildere und kürzere Vorbehandlungsschritte der Hemizellulose gewählt werden, was Kosten spart und die Bildung von Inhibitoren – das sind störenden Substanzen, die später wieder aufwändig abgetrennt werden müssen - stark reduziert.“, erklärt Oliver Spadiut. „ Außerdem führt man die Umwandlung zum wertgeschöpften Produkt normalerweise bei einem Überdruck von etwa 50 bar durch – das ist teuer und energieintensiv.“ Das Verfahren der TU Wien ist deutlich billiger und umweltfreundlicher.

Zukunftsvision Bioraffinerie

Die vorliegenden Forschungsergebnisse erlauben nicht nur die Herstellung des Süßstoffs Xylitol. Die Vision ist viel größer: „Ähnlich wie es heute Erdölraffinerien gibt, in denen eine Vielzahl verschiedener Stoffe hergestellt werden, wird es in Zukunft Bioraffinerien geben“, glauben Christoph Herwig und Oliver Spadiut. „Aus Materialien, die man heute für wertlos hält, wird man dort viele nachgefragte Substanzen gewinnen – bis hin zu teuren Medikamenten.“

Bildergalerie

  • Versuchsaufbau zur Xylitol-Herstellung an der TU Wien.

    Versuchsaufbau zur Xylitol-Herstellung an der TU Wien.

    Bild: TU Wien

  • Einen Bioreaktor könnte man auf die Maßstäbe einer Bioraffinerie hochskalieren - so die Vision der Wiener Forscher.

    Einen Bioreaktor könnte man auf die Maßstäbe einer Bioraffinerie hochskalieren - so die Vision der Wiener Forscher.

    Bild: TU Wien

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