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Photoreaktor Photochemie im Rührkessel

Rührkessel als Photoreaktor mit einer typischen Anordnung der Strahlungsquellen.

Bild: Ekato, Peschl UV
07.08.2017

Viele chemische Reaktionen benötigen Aktivierungsenergie, um in Gang zu kommen. Das Mittel der Wahl hierfür sind Katalysatoren, doch diese müssen wieder abgetrennt werden. Als Alternative immer beliebter wird Licht als Energiequelle und damit der gerührte Photoreaktor.

Der Rührkessel als Photoreaktor hat sich als eine Lösung bewährt, die die Forderungen nach robustem Betrieb, flexiblem Einsatz und hoher Sicherheit bei gefährlichen Medien gleichermaßen erfüllt. Die Auslegung, das Engineering und die Lieferung der gesamten Reaktoreinheit aus einer Hand vermeidet die übliche Schnittstellenproblematik und stellt das Optimum von Investitions- und Betriebskosten sicher. Dabei sind einige Auslegungs- und Konstruktionsprinzipien des gerührten Photoreaktors zu beachten.

Photochemische Reaktionen

Bei chemischen Reaktionen wird deren Aktivierungsenergie durch die thermische Energie der Moleküle bereitgestellt, das heißt, sie laufen erst bei einer bestimmten Temperatur mit ausreichender Geschwindigkeit ab. Katalysatoren setzen die Aktivierungsenergie herab, sie beschleunigen somit die Reaktion auch bei tieferen Temperaturen oder lenken sie in die gewünschte Richtung.

Im Gegensatz dazu werden photochemische Reaktionen durch Bestrahlung mit Licht initiiert, dessen Wellenlänge im Bereich von 200 bis 700 Nanometern liegt, also im ultravioletten und sichtbaren Bereich. Hierbei wird das Licht von den Molekülen absorbiert, was deren Energieinhalt erhöht und damit die Reaktion auslöst. Dies erlaubt die Reaktionsführung bei tieferen Temperaturen, was eine schonende Umsetzung auch empfindlicher Moleküle mit geringer Nebenproduktbildung zur Folge hat. Beispiele industriell durchgeführter Photoreaktionen sind:

  • Chlorierung, dies ist die photochemische Reaktion mit der größten industriellen Bedeutung zur Produktion chemischer Zwischenprodukte, von Lösungsmitteln, verschiedener Gummiqualitäten oder polychlorierter Polymere wie chloriertes Polyvinylchlorid

  • Sulfoxidation zur kontinuierlichen Herstellung von Sulfonsäuren für oberflächen- und waschaktive Substanzen

  • Sulfochlorierung von Polymeren, um durch anschließendes Vernetzen hohe Beständigkeiten gegen Licht, Sauerstoff oder Lösungsmittel zu erzielen

  • Nitrosylierung zur Herstellung von Oximen als Zwischenprodukte und Vorstufen spezieller Nylontypen und Schmierstoffadditive

Der Rührkessel als Photoreaktor

Im industriellen Maßstab erweist sich der Rührkessel insbesondere dann als vorteilhaft, wenn ein Reaktionspartner gasförmig eingespeist, dispergiert und in Lösung gebracht werden muss und gleichzeitig feste Ausgangsstoffe oder Produkte in Schwebe zu halten sind. Dies ist bei vielen industriellen Anwendungen der Fall, zum Beispiel bei Nitrosylierungen mit Fällung des Produkts oder der Chlorierung von Polymeren wie Polyethylen oder PVC.

Durch Stutzen im Behälterdeckel des Rührkessels werden senkrechte Quarzglasrohre eingeführt, deren Qualität auf die Durchlässigkeit bestimmter Wellenlängen abgestimmt sein muss. In diesen Schutzrohren befinden sich die Lampen, zum Beispiel Quecksilberdampflampen mit Anschlussleistungen im Bereich von 5 bis 60 Kilowatt, die ein bestimmtes, reaktionsspezifisches Wellenlängenspektrum emittieren. Bei diesen hohen Leistungen entstehen direkt an der Strahlungsquelle Temperaturen von mehreren hundert Grad, sodass die Lampe im Schutzrohr gekühlt werden muss. Zum Kühlen eignet sich Wasser oder ein Inertgas, das durch das Schutzrohr zu führen ist. Da dieses aus Glas besteht, kann ein Glasbruch nicht vollständig ausgeschlossen werden. In diesem Fall müssen die aus dem Reaktionsraum durch die Stutzenanbindung austretenden Gase im Kühlmittelrücklauf detektiert und geschlossen abgeführt werden. Entsprechende Maßnahmen sind in der Sicherheitsbetrachtung der Anlage festzulegen.

Die Eindringtiefe des Lichts in das Reaktionsmedium liegt meist im Bereich von 10 bis 100 Millimeter. Demzufolge muss das Fluid vom Rührwerk möglichst oft in diesen Bereich transportiert werden. Aufgrund strömungsmechanischer Zusammenhänge, finden bei größeren Reaktoren weniger Kontakte aller Fluidelemente mit der Lichtquelle statt, die Reaktion würde langsamer ablaufen. Dies kann durch höhere Strahlungsintensität oder die Anzahl und Länge der Strahlungsquellen kompensiert werden. Numerische Strömungssimulationen (CFD) sind ein probates Mittel zum Visualisieren der Umströmung zwischen und hinter den Rohren. Gegebenenfalls sind Schwachstellen durch eine verbesserte Rühranordnung zu eliminieren. Besonderes Augenmerk ist dabei auf die hydraulischen Belastungen der Quarzrohre durch die intensive Rührwerksströmung zu legen.

Eine Halterung stellt sicher, dass die Eigenfrequenzen der Rohre ausreichend über den Anregefrequenzen liegen. Das umgebende Medium des gefüllten Behälters setzt die Eigenfrequenz um bis zur Hälfte herab, was ebenfalls in die Berechnungen einfließen muss. Schließlich müssen die Halterungen der Glasrohre konstruktiv so ausgeführt werden, dass einerseits keine Spalte zwischen Halter und Rohr bestehen, was zu Freiraum für Vibrationen führen würde. Andererseits dürfen im unbelasteten Einbauzustand keine Spannungen an den Haltern auftreten, auch wenn die Rohre im Lieferzustand nicht ideal gerade sind und auf Grund der Toleranzen im Apparatebau die Stutzen und die darunterliegenden Aufnahmen nicht ideal fluchten.

Grundaufgaben für das Rührwerk

Photochemische Reaktionen im Rührkessel können absatzweise oder kontinuierlich gefahren werden. Für Reaktionen wie die eingangs beispielhaft genannten sind dafür folgende Grundaufgaben durch das Rührwerk zu erfüllen:

Homogenisieren: Um überall gleiche Reaktionsbedingungen sicherzustellen, müssen Temperatur- und Konzentrationsgradienten ausgeglichen werden. Im turbulenten Strömungsbereich, wie er hier immer vorliegt, ist die Durchmischungskennzahl, also das Produkt aus der Rührerdrehzahl n und der Mischzeit θ, nθ = const. Um im Betriebsmaßstab gleiche Mischzeiten und damit gleiche Homogenitäten zu erzielen wie in einer Pilotanlage, müsste bei geometrisch ähnlicher Ausführung die Drehzahl konstant gehalten werden. Die dafür erforderlichen Leistungseinträge wären unwirtschaftlich hoch. Der Effekt der längeren Mischzeit kann durch eine sinnvolle Kombination mehrerer Rührstufen, abgestimmt auf die strömungshemmenden Wirkungen der Einbauten, zumindest teilweise kompensiert werden.

Suspendieren: Häufig sind die Ausgangstoffe oder die Produkte der Photoreaktoren Feststoffe, zum Beispiel C-PVC oder Oxime, die am Absetzen gehindert und möglichst homogen verteilt werden müssen. Auslegunsrelevant ist die Sinkleistung der Feststoffe, die sich aus ihrer Sinkgeschwindigkeit und der Masse der Feststoffe im Reaktor ergibt. Also müssen die Feststoffkonzentration, ihre Korngrößenverteilung, die Viskosität und die Dichtedifferenz fest-flüssig bekannt sein. Da die organischen Feststoffe meist eine relativ kleine Dichte besitzen, sollte das Suspendieren nicht die kritische Teilaufgabe sein. Bei schlecht benetzenden Feststoffen ist bei gleichzeitiger Begasung gelegentlich ein Flotieren zu beobachten. Die Feststoffe haften den Gasblasen an, schwimmen auf und bilden an der Flüssigkeitsoberfläche eine stabile Schaumschicht. Hier hilft ein oberflächennaher Rührer, um den Schaum wieder einzuziehen und die Schicht zu minimieren.

Begasung: Bei gasförmigen Reaktionspartnern wie Chlor, Schwefeldioxid oder Nitrosylchlorid muss das Gas möglichst fein dispergiert werden, um über die Phasengrenzfläche in Lösung zu gehen und an der Reaktion teilzunehmen. Bei hohen Reaktionsgeschwindigkeiten kann dieser Stoffübergang geschwindigkeitsbestimmend sein. Hier kommt die kombinierte Begasung zum Einsatz. Das Frischgas wird, geregelt über den Behälterdruck, unterhalb des Primärdispergierers eingespeist und verteilt. Der nicht sofort gelöste Teil steigt in den Gasraum des Reaktors und wird von dort über die obere, selbstansaugende Turbine ständig in die Flüssigkeit zurückgeführt. Dadurch lassen sich maximale Stoffübergangsraten erzielen. Bei langsameren Reaktionen, wie etwa der Chlorierung von PVC, genügt die selbstansaugende Turbine alleine. Das Gas wird oben in den Reaktor gespeist und durch die Turbine eingesaugt. Somit kann die Verrohrung aus den hochwertigen, korrosionsbeständigen Werkstoffen innerhalb des Reaktors entfallen.

Wärmeübergang: Die Reaktionswärme und der Leistungseintrag durch die Lampen und das Rührwerk müssen über die Behälterwand abgeführt werden. Hierbei erweist sich die niedrige Reaktionstemperatur als ungünstig, denn das treibende Temperaturgefälle zum Kühlmedium ist gering. Wärmeübertragende Einbauten sind nur bedingt möglich, da der Platzbedarf für die Lampen berücksichtigt werden muss. Gegebenenfalls muss dann mit Kaltwasser oder Kühlsole gearbeitet werden.

Die Medien der beschriebenen Reaktionen können sehr korrosiv sein, sodass die gängigen Edelstähle nicht mehr in Frage kommen. Die produktberührten Bauteile des Rührwerks, also Rührorgane, Welle, Montageflansch- und Dichtungsteile, Halterungen der Schutzrohre und so weiter werden dann in Nickelbasis-Legierungen wie Hastelloy oder in Titan ausgeführt. Dies erfordert besondere Maßnahmen bei der Herstellung der Teile. So muss das Schweißen von Titan in Reinräumen erfolgen, um Kontaminationen der Schweißnähte auszuschließen, da diese später Korrosion auslösen können. Die Behälter werden mit diesen Werkstoffen plattiert oder emailliert.

Rührwelle richtig abdichten

Die obigen Beispiele für photochemische Reaktionen verdeutlichen, dass toxische und korrosive Reaktionspartner oder Nebenprodukte wie Schwefeldioxid, Nitrosylchlorid oder Chlor und Chlorwasserstoff beteiligt sind. Daher stellt die Abdichtung der drehenden Rührwelle zur Atmosphäre ein elementares Sicherheitselement dar. Auch wenn Drücke und Temperaturen bei Photoreaktionen eher moderat sind, kommen deswegen nur doppelt wirkende Gleitringdichtungen oder hermetisch gekapselte Magnetkupplungen in Frage.

Die Gleitringpaare der doppelt wirkenden Dichtung bilden mit der Sperrkammer einen abgeschlossenen Raum, welcher mit Sperrflüssigkeit gefüllt ist. Die Druckbeaufschlagung der Sperrflüssigkeit führt zur sicheren Abtrennung des Prozessraums von der Umgebung. Die Sperrflüssigkeit übernimmt die eigentliche Dichtfunktion zwischen den gegeneinander gepressten Flächen des drehenden und stationären Rings. Solange der Sperrkammerdruck höher als der Betriebsdruck ist, kann die unvermeidliche Leckage der Sperrflüssigkeit durch die Gleitflächen nur in den Behälter hinein, beziehungsweise über das atmosphärenseitige Gleitringpaar in die Umgebung gelangen. Umgekehrt kann Medium aus dem Behälter die Gleitringdichtung nicht passieren. Die doppelte Ringpaarung stellt ein wichtiges Sicherheitselement dar. Bei dem unwahrscheinlichen Totalversagen eines Ringpaares etwa durch Brechen wird der Abfall des Sperrdruckes detektiert und es kann ein geordnetes Abfahren der Anlage in die Wege geleitet werden. Bis dahin übernimmt die zweite Paarung die Dichtfunktion, wobei sie über die Notlaufeigenschaften verfügen muss.

Der Druck der Sperrkammer kann über Pumpen und gasüberlagerte Druckspeicher konstant gehalten werden. Einfacher und sicherer im Betrieb ist die Drucknachführung mit einem Druckübersetzer. In dessen Gehäuse bewegt sich ein Kolben, der auf der einen Seite mit dem Gasraum des Behälters verbunden und somit immer mit dem jeweiligen Betriebsdruck beaufschlagt ist. Auf der anderen Kolbenseite befindet sich die Sperrflüssigkeit. Hier ist die Kolbenfläche um den Querschnitt der Kolbenstange vermindert; im Gleichgewichtszustand herrscht dort ein im Flächenverhältnis geringfügig höherer Druck. Somit wird selbsttätig, das heißt ohne Fremdenergie und MSR-Einrichtungen immer ein über dem Betriebsdruck liegender Sperrdruck eingestellt. Diese Betriebsweise entlastet insbesondere bei Batch-Prozessen mit Druckschwankungen die behälterseitige Ringpaarung, wie zwischen Reaktion und Entleeren/Füllen. Die Kolbenstellung kann mittels Positionsschaltern dem Prozessleitsystem übermittelt werden, sodass das Nachfüllen von Sperrmedium infolge betriebsmäßiger Leckage automatisch ausgelöst wird. Die Nachfülleinheit kann mehrere Dichtungen versorgen, Kontroll- und Wartungsrundgänge werden überflüssig. Die Überwachung des zeitlichen Verlaufs der Intervalle zwischen dem Nachfüllen gibt Aufschluss über den Verschleißzustand der Dichtung, ein Austausch kann auf die Wartungsintervalle abgestimmt werden.

Neue Synthesewege im Rührkessel

Die industrielle Photochemie eröffnet neue Synthesewege bei moderaten Betriebsbedingungen und ohne den Einsatz von Katalysatoren. Der Rührkessel ist auf Grund seiner Flexibilität und seines robusten Verhaltens dafür hervorragend geeignet. Hierbei sind die rührtechnisch beeinflussbaren Vorgänge des Stoff- und Wärmetransports mit der chemischen Kinetik und der Ausführung der Strahlungsquelle abzustimmen. Daneben sind die mechanische Integrität der empfindlicheren Glasbauteile, ein ganzheitliches Sicherheitskonzept der Anlage und deren Wartungsfreundlichkeit sicherzustellen. Ekato bietet als Systemlieferant dafür die Lösung aus einer Hand.

Weitere Informationen zu Ekato finden Sie im Business-Profil auf Seite 28.

Bildergalerie

  • Das Bauteil zeigt den Anschluss einer UV-Lampe am Behälterstutzen.

    Das Bauteil zeigt den Anschluss einer UV-Lampe am Behälterstutzen.

    Bild: Peschl UV

  • Mit dem Primärdispergierer Ekato Phasejet unten und der selbstansaugenden Turbine Ekato Gasjet oben ist eine kombinierte Begasung möglich.

    Mit dem Primärdispergierer Ekato Phasejet unten und der selbstansaugenden Turbine Ekato Gasjet oben ist eine kombinierte Begasung möglich.

    Bild: Ekato

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