Transaktionsgeschehen in der Industrieautomatisierung Mergers & Acquisitions Quarterly

Die Nachfrage nach IIoT-Lösungen wird getrieben durch den Kostendruck und der Notwendigkeit flexibler Produktionsprozesse.

Bild: Gemini, publish-industry
28.08.2025

Das Industrial Internet of Things war lange ein separates Spielfeld. Doch inzwischen verwischen die Grenzen: Große Automatisierer integrieren IIoT-Technologien über Zukäufe nahtlos in ihre Plattformen. Der Markt konsolidiert sich – und das ehemals innovative Zusatzmodul wird zur Basistechnologie moderner Produktion.

Das IIoT beschreibt die digitale Vernetzung industrieller Maschinen, Sensoren und Systeme, um Daten in Echtzeit zu erfassen und zu analysieren. Ziel ist die Verbesserung von Produktionsprozessen durch Effizienz, Automatisierung und vorausschauende Steuerung – zum Beispiel durch Zustandsüberwachung, Fernwartung und intelligente Produktionsplanung.

Effizienzdruck, Nearshoring & Digitalisierung

Die Nachfrage nach IIoT-Lösungen wird getrieben durch den Kostendruck und der Notwendigkeit flexibler Produktionsprozesse. Die Strategie des Offshorings ist angesichts globaler Lieferkettenrisiken ins Wanken geraten; stattdessen gewinnt Nearshoring an Bedeutung. Höhere Lohnkosten werden dabei zunehmend durch datengetriebene Effizienz kompensiert.

Parallel treiben technologische Entwicklungen wie kostengünstige Sensorik, Edge-Computing und Cloudlösungen den IIoT-Einsatz voran – und machen ihn auch für den Mittelstand erforderlich. So entstehen smarte, vernetzte Produktionsumgebungen („Smart Factories“), in denen Entscheidungen direkt am Ort des Geschehens auf Basis von Echtzeitdaten getroffen werden können.

Ein zentraler Anwendungsfall ist die vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance): Maschinenzustände werden kontinuierlich überwacht, ungeplante Stillstände minimiert und Wartungskosten gesenkt – ein erheblicher Effizienzhebel.

IIoT als strategisches Investitionsfeld

Angesichts des hohen Potenzials drängen etablierte Technologiekonzerne verstärkt in den IIoT-Markt – nicht nur durch Eigenentwicklung, sondern vor allem über strategische Akquisitionen. Hier einige exemplarische Beispiele:

  • Siemens übernahm 2025 Altair Engineering für rund 10 Mrd. €, um seine Digital-Twin- und KI-Plattformen im „Xcelerator“-Portfolio zu stärken.

  • Die Forterro-Gruppe erweitert 2024 ihr Portfolio um fortgeschrittene KI-Fähigkeiten durch die Übernahme von Prodaso, einem innovativen Startup, welches sich auf die Schnittstelle zwischen IoT- und KI-Anwendungen für Fertigungsprozesse spezialisiert hat.

  • Der schwedische Technologiekonzern Sandvik übernahm 2024 die in Bayern ansässige pro-micron GmbH, ein Experte für innovative und drahtlose Sensorsysteme und Automatisierungslösungen.

  • IBM erwarb 2023 StreamSets und webMethods von der Software AG für 2,13 Mrd. €, um seine Fähigkeiten in der Datenintegration und IIoT-Infrastruktur weiterzuentwickeln.

  • Der US-Netzwerktechnikkonzern Belden kaufte 2023 Cloudrail als technologische Ergänzung zur schnelleren Anbindung von Anlagen an Cloud-Plattformen für industrielle Kunden.

Studien zeigen starkes Wachstum

Eine Auswertung von sieben aktuellen Marktanalysen zeigt ein erwartetes jährliches Wachstum (CAGR) von 9 % bis 30 %, im Durchschnitt aber 17% für die kommenden fünf bis sieben Jahre. Abhängig vom betrachteten Zeitraum, Subsegment sowie Region. Allerdings zeigt die Kapitalmarktentwicklung ein differenziertes Bild: Ein eigens von Aquin erstellter IIoT-Index mit börsennotierten Unternehmen, die sich ausschließlich in IIoT-Segmenten bewegen, konnte sich in den letzten fünf Jahren nicht überdurchschnittlich entwickeln – im Gegenteil: Die Performance lag größtenteils unter dem breiten Markt und dem ebenfalls von Aquin selbst zusammengestellten Industrial Automation Index (vgl. Abbildung 1).

IIoT-Unternehmen wurden über weite Strecken hinweg mit einem Bewertungsaufschlag gehandelt – sichtbar an erhöhten EV/EBITDA-Multiples (vgl. Abbildung 2). In den letzten Quartalen hat sich dieser Aufschlag jedoch deutlich abgeschwächt: Die Multiples liegen nun mit rund 16x auf Basis des zuletzt berichteten EBITDA in etwa auf dem Niveau des breiteren Automatisierungssegments. Diese Entwicklung deutet darauf hin, dass Investoren das zukünftige Wertpotenzial von IIoT nicht mehr ausschließlich spezialisierten Anbietern zuschreiben. Vielmehr scheint der Markt zunehmend davon auszugehen, dass auch etablierte Automatisierungsunternehmen – nicht zuletzt durch gezielte M&A-Aktivitäten – in der Lage sind, sich im IIoT-Segment erfolgreich zu positionieren.

KI als Gamechanger

Mit dem Übergang zur Industrie 5.0 gewinnt das Thema weiter an Relevanz: Im Zentrum steht die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine, ergänzt um Nachhaltigkeit, Flexibilität und Resilienz. IIoT-Technologien liefern dafür die notwendige Dateninfrastruktur. Noch stärker wird das Potenzial durch die Integration von Künstlicher Intelligenz: Sie ermöglicht nicht nur smarte Datenauswertung, sondern auch autonome Steuerungen und lernfähige Systeme – und beschleunigt damit die Transformation industrieller Abläufe zusätzlich.

Der Wettbewerb nimmt zu – wer skaliert, gewinnt

Während die frühere Bewertungsprämie für IIoT-Pure-Player schwindet, drängen etablierte Automatisierungsunternehmen durch gezielte Investitionen in den digitalen Bereich. Die Grenzen zwischen klassischen Automatisierern und digitalen Spezialisten verschwimmen zunehmend.

Zukunftsfähig sind vor allem Unternehmen, die skalierbare digitale Lösungen mit realer Industriewertschöpfung verknüpfen können, idealerweise mit zeitnahem Return of Investment. Für Investoren und Industrieakteure heißt das: Positionierung ist jetzt entscheidend, bevor der Markt sich weiter konsolidiert. Eigene F&E oder gezielte Zukäufe bieten strategische Chancen. Datenbasierte Wertschöpfung wird zum zentralen Differenzierungsfaktor.

IIoT wandelt strukturell die Industrieautomation

IIoT steht heute nicht mehr neben der industriellen Automation – es steckt mittendrin. Wer seine M&A-Strategie darauf ausrichtet, skaliert nicht nur digital, sondern definiert mit, was industrielle Exzellenz künftig bedeutet.

Bildergalerie

  • Abbildung 1: IIoT Index & Aquin Industrial Automation Index

    Abbildung 1: IIoT Index & Aquin Industrial Automation Index

  • Abbildung 2: Median EBITDA-Multiple Vergleich

    Abbildung 2: Median EBITDA-Multiple Vergleich

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel