Lapp Mobility gehört zur Lapp Gruppe und ist noch ein relativ junges Unternehmen. Was waren 2019 die Gründe, ein solches Corporate Startup ins Leben zu rufen?
Dr. Simon Alig:
Das Geschäft in diesem Marktsegment der Elektromobilität ist ein Wachstumsmarkt, der zunächst Investitionen und maximale Flexibilität erfordert. Daher ist es wichtig zu verstehen, dass es deutliche Unterschiede zwischen Anwendungen, Prozessen und Kundenkreisen, wie etwa OEMs oder Ladeinfrastrukturkunden, im Vergleich zu unserem Hauptgeschäft gibt. Diese Unterschiede könnten wir nur mit einem spezialisierten Unternehmen wie Lapp Mobility, das über dedizierte Ressourcen für die Entwicklung verfügt, ideal abdecken.
Unsere Hauptkunden sind Automobilhersteller, die spezifische Anforderungen haben. So weichen die Logistikanforderungen, beispielsweise in Bezug auf Zeitfenster, Produktfreigabeprozesse und Projektmanagement, vom Industriegeschäft ab. Das beinhaltet ganz andere Ansprechpartner und Prozesse als das reguläre Lapp-Geschäft. Wenn wir kontinuierlich an diese Kunden liefern möchten, müssen wir spezielle Teams dafür einsetzen, um sicherzustellen, dass ihre Anforderungen priorisiert werden. Dadurch vermeiden wir Konkurrenz um Ressourcen auf der Arbeitsebene, wie es bei bei Integration in das normale Geschäft der Fall wäre.
Wir möchten auch die Freiheit haben, in einigen Bereichen anders zu arbeiten. Zum Beispiel ist es uns gelungen, unsere Produkte über Amazon auch an Endkunden zu verkaufen. Zudem sind wir nach wie vor begeistert darüber, bei Media Markt präsent zu sein. Solche Experimente und Erfahrungen können in einer eigenständigen Einheit besser durchgeführt beziehungsweise gesammelt werden als im Kontext unseres Hauptunternehmens.
Welche Ladelösungen bieten Sie zurzeit an? Und wozu dienen sie?
Miroslav Ivankovic:
Unser Portfolio umfasst derzeit AC-Ladelösungen, also Lösungen mit Wechselstrom bis zu 22 kW. Zu den Bestsellern gehört derzeit unser Mode-3-Kabel, und hier zeichnet uns insbesondere das patentierte Helix-Kabel aus. Es ermöglicht das einfache, schneckenförmige Aufrollen und verhindert lästiges Kabelgewirr. Zudem bieten wir Ladelösungen für die Schuko-Steckdose an, wie den Mobility Dock mit 2,4 kW. Wenn man beides kombiniert, hat man im Kofferraum keinen Kabelsalat mehr, und alles ist ordentlich aufgeräumt.
Außerdem haben wir mobile Mode-2-Wallboxen im Angebot, die Ladeleistungen von 2,4 bis 22 kW unterstützen. Zwischendurch haben wir auch herkömmliche Wallboxen angeboten, jedoch war der Markt nach dem Auslaufen der KfW-Förderung schwierig. Daher haben wir uns aktuell auf die flexiblen AC-Ladelösungen spezialisiert. Diese richten sich an Automobilisten, Infrastrukturanbieter und Endkunden, die unsere Produkte entweder über den Handel oder direkt in unserem Webshop erwerben können.
Für Infrastrukturanbieter bieten wir auch Lösungen zur Integration in deren Ökosystem an. Das bedeutet, wir können auch Komponenten mit unterschiedlichen Standards für Ladesäulen oder Wallboxen liefern. Hierbei handelt es sich um weniger spezifische Produkte wie etwa Kabel, die auch in Verpackungsanlagen verwendet werden können. Unser Mehrwert liegt hier in unserer Fachkompetenz und unserem Kundensupport, in dem wir maßgeschneiderte Lösungen entwickeln.
Neben dem Standard-Ladekabel haben Sie auch Helix-Ladekabel im Portfolio. Was ist der Unterschied zwischen diesen beiden Typen?
Miroslav Ivankovic:
Ein herkömmliches Kabel ist einfach nur ein normales Kabel, bei dem der Benutzer selbst darauf achten muss, wie es aufgerollt wird. Unser Helix-Kabel hingegen verfügt über einen Memory-Effekt, der dafür sorgt, dass das Kabel selbstständig in eine einzigartige, liegende Schneckenform sich zurücklegt. Dies hat den Vorteil, dass der Benutzer es nicht mühsam aufrollen muss und damit Kabelsalat oder Verdrehungen des Kabels vermeidet.
Darüber hinaus hat die Helix-Form den Vorteil, dass sie beim Aufrollen nur punktuell oder sogar überhaupt nicht den Boden berührt. Dadurch bleibt das Kabel wesentlich sauberer und wird weniger schmutzig.
Wie wichtig ist die Qualität und Sicherheitszertifizierung von Ladekabeln? Wie wird Lapp Mobility dem gerecht?
Dr. Simon Alig:
Beim Laden von elektrischen Systemen entstehen sehr hohe Ströme, daher sind die Anforderungen in Bezug auf die Einhaltung von Normen und Sicherheitsvorschriften auch sehr streng. Um diesen hohen Standards gerecht zu werden, verfügen wir über ein Labor, in dem wir bestimmte Tests selbst durchführen können. Darüber hinaus lassen wir unsere Produkte auch in akkreditierten Labors auf ihre Qualität überprüfen.
Die Sicherheit hat bei uns oberste Priorität. Aus diesem Grund sind in unseren Mode-2-Ladegeräten für das Laden an Haushaltssteckdosen immer Temperatursensoren im Stecker integriert, um eine mögliche Überhitzung des Systems frühzeitig zu erkennen und zu verhindern.
Unsere Kabel werden in über 100 Ländern weltweit eingesetzt. Um sicherzustellen, dass sie den jeweiligen lokalen Bestimmungen entsprechen - die aus den IEC-Normen abgeleitet sind - sorgen wir für die erforderlichen Zulassungen in jedem einzelnen Land. Diese länderspezifischen Anforderungen ändern sich oft und erfordern unsererseits ständige Anpassungen.
Sie bieten zusätzlich mobile Ladegeräte an. Warum? Ist nicht jedes E-Fahrzeug bereits serienmäßig mit einem mobilen Ladesystem ausgestattet?
Dr. Simon Alig:
Einerseits bieten wir unsere Produkte als Erstausstattung für Automobilhersteller an. Aber darüber hinaus liefern wir über den Endkundenkanal auch Ersatzprodukte. Denn in der Regel sind in vielen Fahrzeugen, aber nicht allen, Mode-2-Ladelösungen enthalten, die nur als Notladelösung bis zu 2,4 kW dienen und viel Stauraum benötigen. Unser Mobility Dock dagegen benötigt weitaus weniger Platz und ist komfortabler zu handhaben.
Zudem bieten wir mit unserer vielseitigen Ladelösung Mode 2 Universal eine kabelgebundene Notladevariante an, die von 2,4 bis 22 kW eingesetzt werden kann. Solche leistungsstarken und zudem robusten Systeme sind normalerweise in Fahrzeugen nicht zu finden und werden von unseren Kunden bevorzugt eingesetzt.
Ein wichtiger Aspekt, der bisher noch nicht erwähnt wurde, betrifft die Ladekabel, die in Elektroautos mitgeliefert werden. Viele dieser Kabel sind standardmäßig 5 Meter lang. Allerdings gibt es Kunden, die inzwischen auch 7 Meter lange Kabel verwenden. Zusätzlich werden auch 10 Meter und 3 Meter Varianten als Ersatz- oder Zweitkabel nachgefragt. Warum ist das so? Nun, die Wahl der Kabellänge hängt oft davon ab, wie die Wallbox zu Hause installiert ist.
Sie haben mit dem Mobility Dock ein besonders außergewöhnliches Ladegerät in Ihrem Portfolio. Was macht das System so einzigartig im Vergleich zu herkömmlichen Ladegeräten?
Miroslav Ivankovic:
Beim Mobility Dock haben wir von Anfang an Design-Thinking-Methoden angewendet. Wir waren frühzeitig im Kontakt mit E-Auto-Ladebetreibern und Endanwendern, um eine Innovation mit Mehrwert auf den Markt zu bringen.
Unsere Idee war es, ein kleines, robustes Ladegerät mit Mode-2-Funktionalität für die Schuko-Steckdose zu entwickeln, das ohne angeschlagenes Kabel auskommt und sich mit dem im Auto mitgeführten Mode-3-Kabel verbinden lässt. Zudem sollte es platzsparend, leicht zu handhaben und besonders sicher sein. Dieses Produkt sollte mit 2,4 kW laden und über jede Schuko-Steckdose nutzbar sein, um den Ängsten vor fehlenden Wallboxen und dadurch bedingter zu geringer Reichweite für E-Fahrzeuge vorzubeugen – quasi als überall nutzbarer Reservekanister fungieren.
Der Mobility Dock ist praktisch, besonders für Pendler, die einen kurzen Weg zur Arbeit haben. Selbst bei durchschnittlichen Fahrten kann man über das 2,4-kW-System genügend Energie über Nacht aufladen. Es ist auch für den Heimgebrauch geeignet, insbesondere für Mehrfamilienhäuser und Tiefgaragen mit bereits vorhandenen Schuko-Steckdosen. Das Gerät überwacht die Gerätetemperatur sowie die Temperatur an der Steckdose. Wird eine erhöhte Temperatur am Netzstecker erkannt, reguliert das Ladegerät die Ladeleistung, um eine Überhitzung zu vermeiden. Als weitere Schutzfunktion ist eine Erdleiterüberwachung sowie das Erkennen von Gleichstrom- und Wechselstromfehlern im Ladegerät enthalten.
Wie unterscheiden Sie sich mit Ihren Ladelösungen und mit dem Mobility Dock von ihren Mitbewerbern?
Dr. Simon Alig:
Zunächst einmal sind wir Experten in Sachen Kabel. Das unterscheidet uns von anderen Unternehmen. Das erkennt man an unserem innovativen Ansatz, wie zum Beispiel der Helix-Technologie und dem Design unserer Stecker. Unser Hauptaugenmerk liegt auf dem Kabel selbst, denn es ist das wichtigste Element. Unsere Mission ist es, das Laden von Elektrofahrzeugen einfacher und bequemer zu gestalten. Wir entwickeln nicht nur aufgrund von Vorgaben, sondern denken ganzheitlich über das Thema nach, wie etwa bei unserer mobilen Ladelösung Mobility Dock.
Im Gegensatz zu anderen Unternehmen, die sich ausschließlich auf die Autohersteller konzentrieren, sind wir spezialisiert auf die Ladeinfrastruktur rund ums Automobil und bieten auch Lösungen an, um Elektrofahrzeuge zu Hause oder an öffentlichen Ladestationen aufzuladen. Zudem kennen wir die geforderten Prozesse und die Elektrotechnik sehr genau. Unser Know-how erstreckt sich über die gesamte Branche, von der Autoverkabelung bis zur Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum. Wir bieten für unsere Großkunden individualisierte Lösungen nach deren Corporate Identity an, wie das Logo auf Steckern, die Farbe des Steckers oder Kabels, individuelle Logistiklösungen und mehr. Wir sind auch Ansprechpartner für Aufgaben, die zum Beispiel bei Kabeldurchführungen beginnen und bis zu hitzebeständigen Kabeln reichen, und das unterscheidet uns besonders von anderen Unternehmen.
Wo beziehungsweise in welchen Fahrzeugen können wir bereits Lapp-Produkte finden?
Dr. Simon Alig:
Wir haben einige bedeutende Kunden in Deutschland und einigen anderen europäischen Ländern, wie Hyundai, Kia und Jaguar sowie Land Rover. Darüber hinaus haben wir seit diesem Jahr auch Toyota als Kunden in Europa gewonnen und Anfang des nächsten Kalenderjahres kommt Ford mit einigen ihrer Baureihen dazu. Für den Zubehör-Bereich liefern wir über einen Partner auch an VW und wir hoffen, diese Zusammenarbeit weiter auszubauen.
Sie produzieren nicht nur Ladelösungen, sondern entwickeln auch selbst. Können Sie darauf etwas detaillierter eingehen?
Dr. Simon Alig:
Wir decken einen großen Bereich von Aufgaben ab, angefangen bei der Entwicklung über die Produktion bis zum Vertrieb von Kabeln. Unser Unternehmen verfügt über ein eigenes Entwicklungsteam, das sich auf die Neu- und Weiterentwicklung von Kernprodukten im Bereich der Elektromobilität spezialisiert hat. Unser Fokus liegt dabei auf dem Mehrwert für den Kunden, wie zum Beispiel Design, Langlebigkeit oder optimiertes Handling. Dies ist wichtig, da die Marktanforderungen für Kabel in der Elektromobilität sich deutlich von unserem herkömmlichen Geschäft unterscheiden.
So arbeiten wir derzeit an neuen Anwendungsfeldern im DC-Umfeld. Hier geht es in erster Linie um die Robustheit und die Leistungsfähigkeit des Kabels für hohe Ströme, möglicherweise ohne kostenintensive Flüssigkühlung. Trotzdem soll das Kabel alle Anforderungen und Standards für das High Power Charging (HPC) erfüllen. Zusätzlich glauben wir, dass ein weniger "industrielastiges Design" die Marktchancen eines solchen Kabels erhöhen kann.
Darüber hinaus widmen wir uns intensiv dem Thema Ladegeräte, insbesondere innovativen Wallboxen und anderen Ladesystemen, die im Bereich Elektromobilität eine immer größere Rolle spielen. Hierbei nutzen wir unser Know-how im Bereich der Gesamtsysteme, arbeiten jedoch eng mit Partnern zusammen, um Software und Hardware zu entwickeln, die unseren Anforderungen entsprechen.
Das Thema Nachhaltigkeit wird zurzeit in allen Unternehmen intensiv diskutiert. Wie gehen Sie mit diesem Thema bei Lapp Mobility um?
Dr. Simon Alig:
Familienunternehmen denken in Generationen, deshalb ist das Thema Nachhaltigkeit schon immer für Lapp insgesamt sowie für Lapp Mobility von großer Bedeutung. So nutzen wir bereits seit langem Solaranlagen, und in unserem neuen Gebäude setzen wir auf Geothermie und nachhaltige Lösungen. Inzwischen haben wir hier eine Professionalisierung erreicht, zum Beispiel gibt es einen ESG-Beauftragten.
Dabei geht es nicht nur um das Produkt selbst oder um eine ISO 14001-Zertifizierung, sondern auch um die gesamte Wertschöpfungskette und darüber hinaus. Wir haben bereits konkrete Maßnahmen ergriffen, um den CO2-Fußabdruck zu reduzieren, wie die Umstellung auf Mehrwegverpackungen für unsere Lieferungen. Außerdem verkürzen wir die Transportstrecken, indem wir die Lieferungen intelligent zusammenlegen. Wir denken auch darüber nach, wie wir Biokunststoffe in der Produktion einsetzen können, wie wir am Ende der Produktion recyceln können oder welche weiteren Schritte wir unternehmen können, um unsere Produkte nachhaltiger zu gestalten.
Können Sie uns einen kleinen Ausblick geben, was Sie bei Lapp Mobility für die Zukunft planen?
Dr. Simon Alig:
Wir denken immer darüber nach, welche neuen Produkte wir entwickeln können, etwa im Bereich DC-Laden. Hier versuchen wir, die Usability der Kabel für den Nutzer weiter zu verbessern, indem wir beispielsweise die Kabel schmutzabweisender entwickeln oder Leuchtmittel nutzen.
Darüber hinaus wollen wir unsere Kooperationen im Handel erweitern. Daher haben wir eine exklusive Vereinbarung mit einem Partner getroffen, um unsere Präsenz im Handel zu stärken. Denn die Prozesse im Handel sind komplex und unterscheiden sich stark vom Großkundengeschäft. Diese Zusammenarbeit wird in Zukunft noch europaweit ausgeweitet, um unsere Produkte für Endkunden online und offline zugänglich zu machen.
Im Bereich der Ladeökosysteme gibt es noch viele ungenutzte Möglichkeiten, die wir in den kommenden eineinhalb Jahren erschließen möchten. Eine Idee ist, Installateuren zusätzliche Dienstleistungen anzubieten. So denken wir darüber nach, wie wir Elektrikern helfen können, die richtigen Installationsprodukte einfach zusammenzustellen, um etwa in Mehrfamilienhäusern Ladestationen erfolgreich zu installieren.
Der Markt rund um die Elektromobilität befindet sich derzeit im Umbruch und in einer Konsolidierungsphase. Viele Unternehmen suchen nach Möglichkeiten, ihre Kompetenzen zu bündeln. In dieser Phase gibt es auch für uns viele Möglichkeiten zur Zusammenarbeit und zur gemeinsamen Entwicklung neuer Angebote.
Mehr Informationen über Lösungen von Lapp Mobility erfahren Sie in unserem Fachbeitrag oder auf: https://lappmobility.lappgroup.com/.