Verfahrenstechnik High Containment für hochaktive Wirkstoffe

Bild: Fette Compacting
07.09.2015

Hochaktive Wirkstoffe sind oftmals toxisch: Ihre Verarbeitung zu Tabletten erfordert besondere Maßnahmen. Der Gesetzgeber fordert höchste Reinheit und Sicherheit im Tablettierprozess. Ein Blick in High-Containment-Systeme zeigt Lösungen für eine optimale Produktion auf.

Hochaktive Wirkstoffe, die auch High Potency Active Pharmaceutical Ingredients (HPAPIs) genannt werden, sind das stärkste Wachstumssegment in der Pharmaentwicklung. Die Trendforscher von Transparency Market Research schätzen, dass der globale Markt für HPAPIs 2018 ein Volumen von 13 Mrd. Euro haben wird, rund 4 Mrd. Euro mehr als heute. Bereits jeder vierte in Entwicklung befindliche Wirkstoff ist hochaktiv. Dazu laufen in den nächsten Jahren Patente für Arzneimittel mit hochaktiven Stoffen aus: Auch Generikahersteller müssen damit ihr Investment in HPAPIs und deren Verarbeitung erhöhen. In dem wachsenden Markt haben Pharmaproduzenten neue Geschäftschancen – auch mit der hochprofessionellen Tablettierung. Viele der neu entwickelten hochaktiven Substanzen lassen sich mit Hilfsstoffen in Pulver oder Granulat binden und damit in Tablettenform pressen. Für die Behandlung der Patienten hat die Darreichungsform Vorteile: Tabletten geben die Wirkstoffe nicht unbedingt sofort frei, sondern nach und nach, sodass die Wirkung optimiert werden kann.

Hochaktive Wirkstoffe stellen besondere Anforderungen an den Tablettierprozess, denn oftmals sind sie toxisch. Beispielsweise wirken Zytostatika bei der Chemotherapie gezielt auf das Zellwachstum. Auch mit Hormonpräparaten dürfen die Bediener von Tablettenpressen nicht in Kontakt kommen. So muss eine Tablettenpresse Pulver und Granulate nicht nur effizient, sondern vor allem sicher verpressen. Dabei ist entscheidend, dass High-Containment-Lösungen in den gesamten Prozessablauf integriert und nicht nur auf isolierte Maschinen ausgerichtet sind. Für Wash in Place (WiP)- und Containment-Ausstattungen sollten folgende Ziele gelten:

  • keine Staubfreisetzung während Produktion und Reinigungsvorbereitung

  • kein Kontakt mit toxischen Produkten

  • Pressraum wasser- und staubdicht

  • automatisierte Vorreinigung

  • höchste Sicherheit am Arbeitsplatz

  • Schutz der Bediener während des gesamten Produktionsprozesses

Schutz durch optimale Abstimmung

Im Unterschied zu einfachen WiP-Tablettenpressen (OEB Level 3) und WiP/Containment-Pressen (OEB Level 4) müssen High-Containment-Pressen (OEB Level 5) über ein durchgehendes Kontaminationssystem mit integriertem Prozess Equipment verfügen. Das Level OEB 5 begrenzt die durchschnittliche Belastung für Bediener auf weniger als einen Mikrogramm pro Kubikmeter, gemessen über einen Zeitraum von acht Arbeitsstunden im Atembereich der Person. Das ist verschwindend gering – und notwendig, denn die Anforderungen der Regulierungsbehörden sind beim Arbeitsschutz nochmals gestiegen. Beispielsweise wird Kreuzkontamination durch die am 1. März 2015 in Kraft getretenen Ergänzungen im EU-GMP-Leitfaden zu einem wichtigen Thema.

Damit ist gemeint, dass es bei Produktwechseln zu einer Übertragung von Wirkstoffen auf andere Produkte kommen kann. Die toxikologische Bewertung derartiger Kontaminationsmöglichkeiten ist für viele Betriebe schwierig – oft muss erst noch die notwendige Expertise im Unternehmen aufgebaut werden. Der Maschinenhersteller unterstützt hier mit einer GMP-gerechten Technologie im Rahmen der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG und einer pharmakologischen Kompetenz, mit der er Richtlinien wie das Europäische Arzneibuch (Pharmacopoea Europaea) zielsicher in die Produktionsplanung einbringt.

Um zu gewährleisten, dass hochpotente Wirkstoffe sicher verpresst werden, müssen alle technischen Schnittstellen so gestaltet werden, dass die Verbindungen lückenlos dicht sind. Beim Einfüllen des Pulvers oder Granulats in die Maschine muss das Docking-System absolut staubdicht sein. Möglich wird dies zum Beispiel mithilfe von Doppelklappenventilen, die auch bei der Abfüllung der Tabletten doppelte Sicherheit gewährleisten. Auch der Pressraum selbst muss vollständig abgedichtet sein. Fette Compacting hat beispielsweise einen gekapselten Pressraum mit aufblasbaren Dichtungen entwickelt, der die Freisetzung von kleinsten Staubpartikeln verhindert.

Für die laufende Produktion gilt, dass die Tablettierung weitestgehend automatisiert erfolgen muss. Im Idealfall kommt es von der Befüllung der Maschine bis zum Abtransport der Tabletten zu keinen manuellen Zwischenschritten und damit zu einem unterbrechungsfreien Containment. Das Prozess-Equipment ist ebenfalls vollständig in den Prozessablauf integrierbar, vom Entstauber mit WiP-Funktion bis zum Metallsuchgerät und den Tablettenprüfgeräten im Isolator. Bediener können die Einzelschritte der Verpressung und Inprozesskontrolle per Maschinenterminal überwachen, ebenso wie die Luftreinigung. Für den Fall einer Produktionsstörung beinhaltet das Air Management von Fette Compacting ein Unterdruck-Notsystem und verhindert damit selbst bei einem kompletten Steuerungsausfall eine Kontamination des Produktionsraums.

Falls es zu einem Maschinenstillstand kommt, gilt bei einer Containment-Produktion: Manuelle Eingriffe durch den Bediener müssen an allen Stellen der Tablettenpressen möglich sein, ohne das Containment zu durchbrechen. Das wichtigste Instrument hierfür sind Gloveports in den Fensterklappen: Bei manuellen Eingriffen stoppt die Maschine automatisch und dank doppelter Abdichtungen lassen sich Handschuhe zudem kontaminationsfrei wechseln.

Nach Abschluss einer Charge müssen sich gekapselte Anlagen gut reinigen lassen, was clevere Lösungen erfordert. Bei den WiP- und Containment-Tablettenpressen von Fette Compacting sind Waschprogramme produktbezogen konfigurier- und speicherbar. Ein System von mehreren separaten Waschkreisläufen stellt sicher, dass die Produkt- und Staubreste während des WiP-Zyklus vollständig gebunden werden. Ein spezielles Rotations- und Sprühdüsendesign sorgt dafür, dass das Reinigungsmittel in alle Bereiche der Tablettenpresse gelangt. Besonders schwer zugängliche Nischen kann der Bediener mit einer Handsprühpistole, der sogenannten WiP-Gun, nachspülen. Der Rotor, das Presswerkzeug und die Anbauteile können nach dem Waschen schnell ausgebaut und je nach Bedarf in einer separaten Reinigungsanlage final gereinigt und konserviert werden.

Reinheit durch clevere Waschsysteme

Durch den automatisierten Waschprozess und das einfache Handling der Maschinenteile sparen Tablettenhersteller viel Zeit. Bei drei aktuellen Projekten mit Pharmaproduzenten in Europa (jeweils OEB Level 5) konnten diese mit Fette Compacting-Anlagen den Zeitaufwand bei der Reinigung und Umrüstung um mindestens die Hälfte senken, und das trotz teilweise ungünstiger Produkteigenschaften.

Tablettierung mit hochaktiven Wirkstoffen hat demnach großes Geschäftspotenzial und es gibt zahlreiche technische Möglichkeiten, hochaktive Substanzen durch High-Containment-Lösungen prozesssicher zu verarbeiten. Der entscheidende Faktor ist dabei ein durchgehendes, automatisiertes Containment, das für den gesamten Prozessablauf gilt.

Bildergalerie

  • Beispiel einer geschlossenen High-Containment-Tablettieranlage, geeignet für de Verpressung hochaktiver Substanzen bis OEB Level 5.

    Beispiel einer geschlossenen High-Containment-Tablettieranlage, geeignet für de Verpressung hochaktiver Substanzen bis OEB Level 5.

    Bild: Fette

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