Joint Venture Energieversorger beanspruchen 450-MHz-Funkfrequenzen

Energieversorger haben sich auf ein 450-MHz-Joint Venture verständigt.

Bild: WEMAG AG
29.05.2020

Zum Erwerb der 450-MHz-Funkfrequenzen, haben sich die Energie- und Wasserbranche nun zusammengeschlossen. Das Vergabeverfahren steht jedoch noch unter dem Vorbehalt der Entscheidung der Bundesregierung.

Nach intensiven Gesprächen vollzieht die Energie- und Wasserbranche jetzt den Schulterschluss, um die 450-MHz-Funkfrequenzen mit der größtmöglichen Geschlossenheit und einem möglichst breit getragenen Betreibermodell zu erwerben. Bisher hatten sich mit dem heutigen Frequenzinhaber und Funknetzbetreiber 450connect und dessen Ankerkunden sowie der Versorger-Allianz 450 zwei Zusammenschlüsse aus den Reihen der Energie- und Wasserwirtschaft auf das Vergabeverfahren zur Zuteilung der 450-MHz-Frequenzen vorbereitet. Nunmehr haben sich die beiden Konsortien und Unternehmen der Branche in einer Absichtserklärung auf einen Zusammenschluss und eine gemeinsame Vorgehensweise verständigt.

Die vier gleichberechtigten Gesellschafter des Joint Venture 450connect werden, mit jeweils 25 Prozent:

  • der bisherige Eigentümer der 450connect, Alliander

  • ein Konsortium kommunaler Regionalversorger

  • die Regionalversorger von E.on/Innogy

  • die Versorger-Allianz 450, ein Zusammenschluss von Stadtwerken, Energie- und Wasserversorgern unter Beteiligung der EnBW

„Wir haben uns auf ein echtes Branchenmodell geeinigt und sind vorbereitet, den nationalen Funknetzausbau sofort zu beginnen. Das Modell vereint Versorger aller Größen von Stadtwerken, über namhafte Regionalversorger und den E.on-Konzern und ist wegweisend für die Zukunftsfähigkeit der Energieversorgung in Deutschland. Es vereinigt die Interessen der Versorger mit den Kompetenzen der Alliander als 450-MHz-Netzbetreiber in Deutschland und den Niederlanden“, betont Dr. Alexander Montebaur, Vorsitzender des Vorstands der E.DIS AG für die E.on SE.

450connect wird sich um die Frequenzen in dem von der Bundesnetzagentur derzeit vorbereiteten Vergabeverfahren bewerben sowie das Funknetz aufbauen und betreiben. Gleichberechtigte Gesellschafter der 450connect werden neben dem bisherigen Eigentümer Alliander, ein Konsortium kommunaler Regionalversorger, die Versorger-Allianz 450 und E.on. Alle Partner halten dann jeweils 25 Prozent an 450connect.

„Dieses Frequenzspektrum ist für die Energieversorgung in Deutschland und die sie tragenden Unternehmen von überragender Bedeutung. Nur ein 450-MHz-Funknetz erfüllt die hohen und spezifischen Anforderungen der Energiewirtschaft an eine zuverlässige Versorgungssicherheit, ermöglicht die digitale Vernetzung von Stromerzeugern und -verbrauchern und ist dabei rechtzeitig realisierbar und wirtschaftlich tragfähig. Wir haben ein solches Netz bereits erfolgreich in den Niederlanden umgesetzt. Dort wird es seit mehreren Jahren für die Kommunikation dezentralisierter und digitalisierter Stromnetze eingesetzt. Inzwischen sind über zwei Millionen Geräte angeschlossen und wir sind froh, dieses Know-how zusammen mit unseren Partnern auch hier in Deutschland einbringen zu können“, sagt Frank Zeeb, Vorsitzender des Vorstands von Alliander.

Bedarf verbindet

Die vier künftigen Partner als Gesellschafter der 450connect und ihre Mitgliedsunternehmen sind auf 90 Prozent der Fläche Deutschlands für die zuverlässige Energie- und Wasserversorgung verantwortlich. Die Unternehmen verbindet der dringende Bedarf an schwarzfallfester, sicherer und breitbandiger Kommunikation, aber auch der Wunsch nach diskriminierungsfreien Nutzungsbedingungen für die 450-MHz-Mobilfunkdienste.

„Unser Zusammenschluss zeigt, dass die zahlreichen Energie- und Wasserversorger auf dem deutschen Markt zu breit getragenen Kooperationen fähig sind. Ein so wichtiges Werkzeug wie ein nationales 450-MHz-Funknetz erfordert eine möglichst breite Basis, denn es wird absehbar zu einem unverzichtbaren Baustein der Versorgungssicherheit werden. Über die Versorger-Allianz 450 besteht für Stadtwerke und Versorgungsunternehmen spartenübergreifend weiterhin die Möglichkeit, sich indirekt an der 450connect zu beteiligen. Denn eine breite Beteiligung stärkt unseren Anspruch eines echten Branchenmodells mit diskriminierungsfreien Nutzungsbedingungen“, sagt Theo Waerder, Vorstandsvorsitzender der Versorger-Allianz 450 und Geschäftsführer von Bonn-Netz.

Schwarzfallfähigkeit

„Wir Ankerkunden der 450connect bauen auf die guten Erfahrungen bei 450connect und Alliander auf. Wir teilen in dieser Kooperation schon heute Aufgaben und Risiken, nutzen Standorte und sind somit über die gesamte Fläche Deutschlands schnell umsetzungsfähig. Bis zum Ende des Jahres 2022 sollen allein in den Netzgebieten der heutigen Ankerkunden über 300 Funkmaste entstehen. Eine der wichtigsten Eigenschaften der 450-MHz-Funknetze ist die sogenannte Schwarzfallfähigkeit. Herkömmliche Telekommunikationsnetze fallen ohne Strom nach wenigen Stunden aus. Unsere Lösung ist mehrfach abgesichert und schwarzfallfest. Sollte es je zu einem flächendeckenden Blackout kommen, können wir die Stromnetze schnell wieder hochfahren. Ohne funktionierende Kommunikationsmöglichkeit wäre das sehr schwer bis unmöglich“, sagt Thomas Murche, technischer Vorstand der Wemag als Vertreter des Konsortiums der kommunalen Regionalversorger.

Um die Einigkeit der Energiewirtschaft und eine breite Branchenbeteiligung zu erreichen, wird Alliander 75 Prozent der Anteile an 450connect abgeben. Diese werden zu gleichen Teilen, von 25 Prozent, vom E.on-Konzern, einer Vorschaltgesellschaft der heutigen Ankerkunden der 450connect sowie einer Beteiligungsgesellschaft von Unternehmen der Versorger-Allianz 450 übernommen. Der Infrastrukturdienstleister und Netzbetreiber Alliander hält somit künftig ebenfalls 25 Prozent. Die Transaktion steht unter dem Vorbehalt des Abschlusses der Kauf- und Konsortialverträge, der erforderlichen Gremienbeschlüsse sowie der Genehmigung durch die Kartell- und Aufsichtsbehörden. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart.

Die künftigen Partner heben gemeinsam hervor, dass in dieser Zeit die krisensichere Kommunikation für die Betreiber kritischer Infrastrukturen besonders notwendig ist. Die Strom-, Gas-, Wasser- und Wärmeversorger Deutschlands sind sich einig in ihrem Willen, gemeinsam zügig ein 450-MHz-Netz in Deutschland aufzubauen und damit bundesweit zu einer Härtung unverzichtbarer Leistungen wie der Energie- und Wasserversorgung beizutragen. Neben ihrer Finanzkraft und ihrem Know-how bringen sie dabei auch ihre Antennen- und Infrastrukturstandorte ein.

Finale Entscheidung steht noch aus

Die Bundesnetzagentur hat im Januar 2020 in Vorbereitung des geplanten Vergabeverfahrens der 450-MHz-Frequenzen für Nutzungen der Betreiber kritischer Infrastrukturen Eckpunkte veröffentlicht und Bedarfe abgefragt. Das Vergabeverfahren steht noch unter dem Vorbehalt der Entscheidung der Bundesregierung angesichts der Frequenzforderungen der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS).

„Wir wünschen uns, dass dieses Signal der Geschlossenheit und Entschlossenheit dazu beiträgt, dass die Bundesregierung die ausstehende Entscheidung nunmehr fällt, damit die Bundesnetzagentur das bereits eingeleitete Verfahren zügig abschließen kann. Mit der breiten Beteiligung der Branche ist 450connect als Betreiber des 450-MHz-Funknetzes für Unternehmen und Organisationen mit kritischen Kommunikationsanforderungen bestens aufgestellt“, führt Carsten Ullrich, Geschäftsführer von 450connect, abschließend aus.

Anwendungsgebiete der 450-MHz-Frequenzlösung

Die 450-MHz-Frequenzlösung wird in der Branche bereits angewandt. Als regionaler Netzbetreiber aus dem Nordwesten Deutschlands setzt EWE Netz bereits seit Langem auf die 450-MHz-Frequenz. „Inzwischen ist die 450-MHz-Frequenz Teil unseres neuen Energiedatennetzes, mit dem wir unsere intelligenten Netzkomponenten wie regelbare Ortsnetzstationen oder Einspeiseanlagen steuern und unsere schwarzfallsichere Kommunikation realisieren. An dieses Netz können wir künftig weitere Anwendungen für Smart Grid und Smart Meter anschließen,“ so Torsten Maus, Vorsitzender der Geschäftsführung von EWE Netz.

Die gemeinsame Betreibergesellschaft bietet alle Voraussetzungen, das Funknetz schnell zu errichten und zu betreiben. Dafür sprechen die vorhandene Standortinfrastruktur, die Finanzkraft der Energie- und Wasserwirtschaft sowie die Kompetenz des Betreibers 450connect.

Hintergrund

Die Energie- und Wasserversorger in der Bundesrepublik Deutschland fordern seit Langem mit Nachdruck, dass die Nutzungsrechte für die 450-Megahertz (MHz)-Frequenzen den Betreibern kritischer Infrastruktur zugewiesen werden. Dieses erzwingt die Digitalisierung von Millionen von Netzelementen, wie unter anderen Photovoltaikanlagen, Windkraftanlagen, Wärmepumpen und Ladesäulen für Elektromobilität. Dazu benötigt die Versorgungswirtschaft eine leistungsfähige, sichere und hochverfügbare Kommunikationsinfrastruktur, um die Herausforderungen der Energie- und Verkehrswende sowie des Klimawandels zu bewältigen und um eine schwarzfallfeste Versorgungssicherheit auch und gerade in kritischen Situationen dauerhaft zu gewährleisten. Die Umsetzung der vorgesehenen Transaktion steht unter anderen unter dem Vorbehalt der Zustimmung der zuständigen Kartellbehörden.

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