Energiemanagement Energietransparenz bis in die Produktion

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06.04.2018

In den vergangenen Jahren lag beim Thema Energiemanagement der Fokus vorwiegend im Bereich der Energieinfrastruktur – also bei der Einspeisung und Verteilung der Energie bis zum Verbraucher. Angesichts neuer Normen und Vorgaben steht die Industrie jetzt vor der Herausforderung, das Energiemanagement auch auf die Produktion auszuweiten und die Verbesserung der Energieeffizienz durch entsprechende Kennzahlen nachzuweisen. Dabei müssen viele Einflussfaktoren berücksichtigt werden, sodass neue Konzepte für das Energiemanagement von Nöten sind.

Der Standard ISO 50001 machte 2011 den Anfang: Er legte einheitliche Vorgaben für ein systematisches Energiemanagement in Unternehmen fest. Insbesondere in Deutschland führten viele produzierende Unternehmen in den vergangenen Jahren ein Energiemanagementsystem nach ISO 50001 ein, um von gesetzlichen Anreizen zu profitieren – und in der Folge gab es geradezu einen Boom bei den erteilten Zertifikaten: So wurde die Hälfte der bis zum Jahr 2015 weltweit rund 12.000 gültigen Zertifikate nach dieser internationalen Norm ISO 50001 laut Umweltbundesamt in Deutschland erteilt.

Produktionsumfeld als Herausforderung

Unternehmen haben mit einem systematischen Energiemanagement die Möglichkeit, Energieströme und Verbrauchswerte innerhalb ihrer Prozesse detailliert zu erfassen, den jeweiligen Verbrauchern oder Kostenstellen zuzuordnen und Veränderungen nachzuvollziehen. Diese Energietransparenz ist eine wichtige Voraussetzung, um die Energieeffizienz zu steigern – reicht aber gerade in produzierenden Unternehmen bei weitem nicht aus. Hier spielen beim effizienten Einsatz von Energie viele Faktoren eine Rolle, die allein durch die Betrachtung des Energieverbrauchs nur unzureichend erfasst werden. Um ein extremes Beispiel zu nennen: Eine unternehmensweite Vorgabe, 30 Prozent Energie einzusparen, ließe sich in der Produktion möglicherweise dadurch verwirklichen, dass einfach 30 Prozent weniger produziert wird – allerdings wäre diese Maßnahme sicherlich nicht zielführend. Die Umsetzung von Effizienzmaßnahmen im Bereich der Produktion stellt aufgrund der Komplexität von Produktionsanlagen, der Vielzahl von Einflussfaktoren und des damit verbundenen hohen Aufwands für Unternehmen eine Herausforderung dar.

Hinzu kommt, dass nach ISO 50001 zertifizierte Unternehmen zukünftig auch die fortlaufende Verbesserung der energetischen Leistung nachweisen müssen, um die Rezertifizierung zu erhalten. Dies zwingt die Unternehmen, die Verbesserung der Energieeffizienz durch Energieleistungskennzahlen im Vergleich zur energetischen Ausgangsbasis nachzuweisen und im Rahmen der regelmäßigen Überwachungsaudits überprüfen zu lassen.

Energieeffizienz als KPI

Gerade in der Produktion ist ein wirksames, transparentes Energiemanagement dabei nicht nur ein Hebel, um Kosten einzusparen, sondern schafft auch die Möglichkeit, die Produktivität und Effizienz der Prozesse insgesamt zu verbessern. Die Verknüpfung von Energie- und Produktionsdaten sowie neue Konzepte zur Effizienzbewertung von Maschinen ermöglichen sowohl die Optimierung der Anlagen als auch die Verbesserung des Anlagenbetriebes. Unternehmen können so die Produktivität des Energieverbrauchs ermitteln und feststellen, wie viel Energie es kostet, ein bestimmtes Produkt herzustellen und welche Linie dafür am effizientesten eingesetzt werden kann. Gleichzeitig lassen sich auch Maschinen und Anlagen im Hinblick auf die produktionsbezogene Energieeffizienz bewerten und die Ursachen für Unterschiede identifizieren.

Voraussetzung dafür ist, dass die richtige Messtechnik implementiert ist, damit verbrauchsbezogene Daten erfasst werden können. Diese Daten müssen dann in übergeordneten Energiemanagementsystemen ausgewertet und zu den entsprechenden Kennzahlen verdichtet werden. Seit einiger Zeit gibt es dazu integrierte Lösungen auf dem Markt, die von der Energiemessung auf Maschinen- oder Anlagenebene über die produktionsnahe Aufbereitung der Verbrauchsdaten (zum Beispiel mit Simatic Energy Suite) bis hin zum unternehmensweiten Effizienzmonitoring alle Aspekte des Energiemanagements abdecken. Wichtig ist dabei auch, dass vorhandene Anlagen, die nachträglich nicht mit einer integrierten, automatischen Datenerfassung nachrüstbar sind, in das Energiemanagement einbezogen werden können. Für diese Anwendungen stellt Siemens als Teil seines Energiemanagement-Portfolios zum Beispiel eine App zur mobilen Datenerfassung bereit, mit der vorhandene Zähler identifiziert, Werte erfasst und noch vor Ort plausibilisiert und anschließend in den Simatic Energy Manager Pro übertragen werden können. Dadurch wird eine lückenlose Überwachung der Verbrauchsdaten auch in Altanlagen unterstützt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Energieeffizienz der Maschinen und Anlagen selbst. Dazu hat der VDMA vor kurzem die Messvorschrift 34179 veröffentlicht, mit der sich die Energieeffizienz von Maschinen anhand sechs definierter Maschinenzustände dokumentieren lässt – ähnlich zu den Energieeffizienzlabeln für Haushaltsgeräte. Betreiber von Anlagen fordern von ihren Maschinenlieferanten bereits heute Verbrauchsdaten ein, die im Rahmen der Anlagenabnahme belegt werden müssen. Diese Anforderung lässt sich durch den Einsatz geeigneter Werkzeuge mittlerweile einfach für Produktionsmaschinen erfüllen. So können Maschinen- und Anlagenbauer mit dem S7 Energieeffizienz-Monitor im TIA Portal V15 von Siemens die statusbezogene Analyse von Energiedaten in ihre Maschine integrieren und so den Energie- und Medienbedarf automatisiert als Abnahmeformular im Simatic Bediengerät und in Excel ausweisen. Die Daten können zudem optional über die integrierte Schnittstelle zum Simatic Energy Manager Pro gesendet und für eine maschinenübergreifende Langzeitauswertung genutzt werden. Der Anlagenbetreiber hat dadurch den Energiebedarf nicht nur bei der Anschaffung, sondern auch während des Anlagenlebenszyklus im Blick.

Rückblickend und vorausschauend 
den Energieverbrauch bewerten

Mit dem Simatic Energy Manager kann der Anwender außerdem sowohl die Daten aus der Infrastruktur als auch Detaildaten aus der Maschine zu einer umfassenden energetischen Bewertung der Prozesse nutzen. Durch geeignete Kennzahlen, etwa dem Energieleistungsgrad oder dem Energienutzungsgrad, und integrierte Auswertefunktionen kann er damit maschinenübergreifende Analysen durchführen, Benchmarks und Zielvorgaben setzen, Handlungsempfehlungen ableiten und transparent und nachvollziehbar überprüfen, ob die Ziele erreicht wurden. Darüber hinaus können Unternehmen durch die Verknüpfung von Produktions- und Energiedaten im Simatic Energy Manager Pro sowohl rückblickend als auch vorausschauend den produkt- und chargenbezogenen Energieverbrauch bewerten. Mit dem sogenannten Baseline-Management (angelehnt an die ISO 50006) lässt sich für definierte Szenarien ein Referenzwert berechnen, der verschiedene Einflussfaktoren (Produktionsplan, Wetter, Wochentag und ähnliches) berücksichtigt. Anhand der Abweichung zu dieser Baseline kann der Anwender ableiten, ob sich die Anlage energetisch in einem bestmöglichen Zustand befindet, und erhält anhand der Daten Anhaltspunkte für Optimierungsmaßnahmen.

Konzept für Transparenz und Effizienz

Mit einem modernen Energiemanagementsystem können Unternehmen so nicht nur die regulatorischen Anforderungen umsetzen, sondern auch innerhalb der eigenen Organisation die Transparenz und Umsetzung von Maßnahmen für mehr Energieeffizienz fördern. Die Informationen werden nicht nur lückenlos erfasst, sondern auch für die jeweilige Zielgruppe aufbereitet und verdichtet. Dadurch können Unternehmen geeignete Anreizsysteme schaffen und sowohl den Verantwortlichen als auch den Mitarbeitern Rückmeldung darüber geben, ob und wie gut die einzelnen Maßnahmen gegriffen haben. Gleichzeitig schaffen die detaillierten und aktuellen Informationen die Voraussetzung für ein agileres, bedarfsbezogenes Energiemanagement – bis hin zur vorausschauenden Energiebeschaffung anhand von Produktionsplänen. Eine umfassende Lösung berücksichtigt dabei alle Aspekte des Unternehmens: Integrierte Messsysteme stellen die Informationen zu den Verbrauchsdaten bereit, intelligente Effizienzmonitorsysteme überwachen die energetisch bestmögliche Fahrweise von Maschinen und Anlagen, und Managementsysteme stellen Kennzahlen in Dashboards für die verschiedenen Zielgruppen (Einkauf, Controlling, Produktionsleiter, Anlagenbediener, Energiemanager) bereit.

Mit einer integrierten, offenen Lösung können Unternehmen nicht nur den Energieverbrauch und die Energiebeschaffung optimieren – im Zuge der Digitalisierung und der Flexibilisierung des Energiemarktes lassen sich die Daten aus Energiemanagementsystemen auch für weitere, innovative Ansätze nutzen. So können die Informationen zum aktuellen oder prognostizierten Energieverbrauch mit weiteren Informationen wie Wetterdaten oder regionenspezifischen Verbrauchsprognosen verknüpft werden, sodass sowohl Energieverbrauch als auch Energiekosten flexibel auf die aktuelle Marktsituation abgestimmt werden können – bis hin zu agilen Produktions- und Beschaffungsmodellen. Solche Konzepte sind im Moment zwar noch Zukunftsmusik, aber mit der richtigen technischen Basis können sich Unternehmen schon heute auf diese und weitere Herausforderungen vorbereiten und ihren Energieverbrauch noch effizienter gestalten.

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  • Mit einem integrierten Energiemanagementsystem können Unternehmen Energieverbräuche mit Produktionsdaten verknüpfen. So lassen sich von der Maschinen- bis hin zur Unternehmensebene Kennzahlen und Handlungsempfehlungen für einen Einsatz von Energie ableiten.

    Mit einem integrierten Energiemanagementsystem können Unternehmen Energieverbräuche mit Produktionsdaten verknüpfen. So lassen sich von der Maschinen- bis hin zur Unternehmensebene Kennzahlen und Handlungsempfehlungen für einen Einsatz von Energie ableiten.

    Bild: Siemens

  • Moderne Energiemanagementsysteme bieten dem Anwender die Möglichkeit, durch geeignete Kennzahlen, etwa dem Energieleistungsgrad oder dem Energienutzungsgrad, und integrierte Auswertefunktionen Analysen durchzuführen, Benchmarks und Zielvorgaben zu setzen oder Handlungsempfehlungen abzuleiten.

    Moderne Energiemanagementsysteme bieten dem Anwender die Möglichkeit, durch geeignete Kennzahlen, etwa dem Energieleistungsgrad oder dem Energienutzungsgrad, und integrierte Auswertefunktionen Analysen durchzuführen, Benchmarks und Zielvorgaben zu setzen oder Handlungsempfehlungen abzuleiten.

    Bild: Siemens

  • Vom Energie- zum Effizienzmanagement: Die Verknüpfung von Energie- und Produktionsdaten ermöglicht es, die Energieeffizienz anhand von produkt- oder chargenbezogenen Kennzahlen zu bewerten und produktiven von unproduktivem Energieverbrauch zu trennen.

    Vom Energie- zum Effizienzmanagement: Die Verknüpfung von Energie- und Produktionsdaten ermöglicht es, die Energieeffizienz anhand von produkt- oder chargenbezogenen Kennzahlen zu bewerten und produktiven von unproduktivem Energieverbrauch zu trennen.

    Bild: Siemens

  • Gerade in bestehenden Anlagen ist die einfache Integration manueller Messungen für ein umfassendes Energiemanagement wichtig. Moderne Lösungen bieten entsprechende Apps, die den Mitarbeiter beim Erfassen der Messwerte unterstützen.

    Gerade in bestehenden Anlagen ist die einfache Integration manueller Messungen für ein umfassendes Energiemanagement wichtig. Moderne Lösungen bieten entsprechende Apps, die den Mitarbeiter beim Erfassen der Messwerte unterstützen.

    Bild: Siemens

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