Der Europäische Forschungsrat (ERC) hat das Projekt Disrupt, das unter der Leitung der TU Delft (Niederlande) in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF und dem University College Dublin (UCD, Irland) durchgeführt wird, mit einem renommierten Synergy Grant ausgezeichnet. Das Projekt erhält eine Förderung von rund 10 Millionen Euro, um eine vollständig digitale Hochfrequenzarchitektur für Leistungsverstärker zu entwickeln, die den Energieverbrauch von Mobilfunknetzen der nächsten Generation – wie 5G und 6G – um bis zu 50 Prozent senken soll.
Der ERC hat heute die Vergabe von Synergy-Grants in Höhe von insgesamt 684 Millionen Euro bekannt gegeben, mit denen 66 herausragende Forschungsteams in Europa und darüber hinaus unterstützt werden sollen. Diese wettbewerbsorientierten Fördermittel zielen darauf ab, eine intensive Zusammenarbeit zwischen Spitzenforschern zu fördern, damit diese ihr Fachwissen und ihre Ressourcen bündeln können, um die komplexesten wissenschaftlichen Herausforderungen anzugehen.
„Die Zusammenarbeit steht im Mittelpunkt der ERC Synergy Grants“, sagt Professor Maria Leptin, Präsidentin des Europäischen Forschungsrats. „In unserer jüngsten Runde werden Forscherteams ihre Kräfte bündeln, um gemeinsam die komplexesten wissenschaftlichen Herausforderungen anzugehen – diesmal sind sie internationaler denn je. Der Wettbewerb war hart, viele hervorragende Vorschläge konnten nicht gefördert werden. Mit mehr Mitteln könnte der ERC diesen Reichtum an erstklassiger Wissenschaft voll ausschöpfen. Solche wissenschaftlichen Vorstöße sind es, die Europa braucht, um wirklich an der Spitze zu stehen.“
Disrupt: ein vollständig neues Paradigma für digitale Hochfrequenzelektronik
Disrupt (Digital RF Power) ist ein ambitioniertes und transformatives Forschungsprojekt, das sich mit den zunehmenden ökologischen Auswirkungen der drahtlosen Kommunikation befasst. Der derzeitige CO2-Fußabdruck globaler drahtloser Kommunikationsnetze ist vergleichbar mit dem des Luftverkehrs und macht 2 bis 3 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen aus. Ohne größere Innovationen wird diese Zahl mit der zunehmenden Verbreitung von 5G- und 6G-Kommunikationssystemen stark ansteigen.
Das Projekt vereint vier führende Forscher:
Prof. Leo de Vreede (TU Delft) – Experte für digitale Transmitter-Architekturen
Prof. Rüdiger Quay (Fraunhofer IAF und Professor an der Universität Freiburg) – Spezialist für GaN-Halbleitertechnologie
Prof. Bogdan Staszewski (UCD) – Pionier im Bereich digitale PLLs und Transceiver
Prof. Anding Zhu (UCD) – Experte für digitale Vorverzerrung
Dieses Forschungsteam wird durch vier hochqualifizierte Nachwuchsforschende ergänzt: Dr. Morteza Alavi (TU Delft), Dr. Prof. Masoud Babaie (TU Delft), Dr. Chang Gao (TU Delft), TU Delft und Dr. Thomas Fritzsch (Fraunhofer IZM). Ihr gemeinsames Ziel ist die Entwicklung einer vollständig digitalen Sender-Architektur, die die energieintensivsten Komponenten der drahtlosen Infrastruktur ersetzt: die analog dominierten Basisstationen, die für über 70 Prozent des Energieverbrauchs des Netzwerks verantwortlich sind.
Ein Disruptiver Ansatz für energieeffiziente drahtlose Übertragung
Das Projekt verfolgt einen grundlegend neuen Ansatz: die Co-Integration von fortschrittlichem CMOS (Complementary Metal-Oxide-Semiconductor; komplementäre Metalloxid-Halbleiter) mit einer noch zu entwickelnden segmentierten III-Nitrid (III-N)-Halbleiterplattform. Diese Integration ermöglicht einen vollständig digitalen HF-Sender bestehend aus Tausenden von ultra-schnellen III-N-FET-Bauelementen mit niedrigem Spannungsschwellenwert, die in Switch-Bank-Arrays angeordnet sind. Diese Bauelemente werden mit einer Genauigkeit von Pikosekunden einzeln gesteuert von einer CMOS-Treiberschicht, die über ultra-dichte Flip-Chip-Verbindungen montiert ist.
Diese einzigartige digitale Struktur ermöglicht die gezielte Erzeugung von leistungsstarken, breitbandigen, kohärenten Hochfrequenz-Signalen mit präziser Kontrolle der Amplitude und Phase. Die Plattform wird auch wegweisende neue Techniken zur Steigerung der Energieeffizienz bieten und eine nahtlose Integration von digitaler Signalverarbeitung, Taktgenerierung, Fehlerkorrektur und KI-basierter Signaloptimierung ermöglichen.
Das Disrupt-Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, digitale Sender für 5G- und 6G-Anwendungen zu entwickeln. Dabei wird das Konsortium eng mit Partnern aus der Industrie zusammenarbeiten, um einen schnellen Technologietransfer und langfristigen gesellschaftlichen Nutzen zu gewährleisten. Die Vision des Teams ist es, einen neuen globalen Benchmark für energieeffiziente drahtlose Infrastruktur zu setzen, damit zukünftige Mobilfunknetze den steigenden Datenbedarf decken können und gleichzeitig die Umweltbelastung minimiert wird.
Prof. Dr. Rüdiger Quay betont: „Es ist eine große Ehre, dass mit der ERC-Synergie-Förderung das langjährige Engagement für hochskalierbare Hochfrequenz-Halbleitertechnologien in Europa gewürdigt wird. Ich bin dankbar, so kompetente Kollegen an meinem Forschungsinstitut und der Universität Freiburg sowie im Projekt Disrupt zu haben.“