Jürgen Schmiezek, Tvarit Die nächste industrielle Revolution?

Jürgen Schmiezek ist seit Februar 2022 als Chief Growth Officier bei Tvarit tätig. Beim Softwareunternehmen, das sich auf den Einsatz von künstlicher Intelligenz zur Effizienzsteigerung in Fertigungsprozessen spezialisiert hat, verantwortet er den Bereich Sales & Marketing sowie die Wachstumsstrategie und -umsetzung.

Bild: Tvarit
27.10.2022

Produktivitätsverbesserungen waren in der Industrie jahrzehntelang nur durch hohen menschlichen Aufwand zu realisieren. Doch nun eröffnet der technologische Fortschritt völlig neue Möglichkeiten. Besonders im Fokus: künstliche Intelligenz (KI). Welchen Vorteil diese Technologie bietet und warum die KI die Zukunft einer ganzen Branche sichern kann.

Viele Jahre lang habe ich Produktionsunternehmen beraten und saniert. Dabei waren Produktivitätsverbesserungen schon immer Thema Nummer 1. Die steigenden Energie- und Rohstoffpreise sowie kaum noch planbare, globale Lieferketten zwingen die fertigende Industrie nun völlig neue – vor allem – schnellere Wege zu gehen. Denn die Situation ist existenzbedrohend. Es gilt, keine Zeit mehr zu verlieren.

Bisherige Methoden zur Produktivitätsverbesserung wie KAIZEN, Lean Production oder Business Process Reengineering reichen nicht mehr aus. Denn es braucht viele Monate und menschliches Know-how, um mithilfe dieser Verfahren Verbesserungen zu erlangen. Hinzu kommt: Selbst wenn man es schafft, die Produktivität zu erhöhen und Ausschuss zu reduzieren, heißt das nicht automatisch, dass alle ursächlichen Probleme nachhaltig gelöst sind. Schon in meiner Zeit als Berater hatte ich den Eindruck, dass ein wirksameres Werkzeug nötig ist. Leider gab es das damals noch nicht. Der technologische Fortschritt bietet jedoch den Unternehmen heute ein ganz anderes Instrumentarium. Hier ist vor allem die KI zu nennen. Mit industrieller KI lassen sich Produktivitätsverbesserungen neu denken. Innerhalb kürzester Zeit sind Ergebnisse sichtbar: weniger Ausschuss, geringere Energieverluste, reduzierte Ausfallzeiten und somit mehr Effizienz von Maschinen.

Dauert es normalerweise im Schnitt ein Jahr, bis Unternehmen ihren OEE um ein Prozent verbessert haben, erreicht eine KI-Lösung eine Verbesserung von 15 bis 20 Prozent in nur vier Monaten. Solche Lösungen sind vor allem deshalb so erfolgreich, weil sie den Menschen einbeziehen, und nicht, wie oft behauptet, ersetzen. Anders gesagt: KI ist eine digitale Unterstützung für alle Mitarbeiter, unabhängig von ihrer Qualifizierung. Dies ist ein wichtiger Faktor für die Zukunft. Denn fertigenden Unternehmen fehlt es massiv an Fachkräften und Nachwuchs. Damit einhergehend geht auch Wissen verloren. Wissen, das für die Zukunft von entscheidender Bedeutung ist. Die industrielle KI ist in der Lage, das Fachwissen von Experten zu konservieren, auszubauen und damit diesen Know-how-Verlust zu verhindern. Gussprozesse sind dafür ein gutes Beispiel: Sie sind sehr komplex und von vielen verschiedenen Einflussgrößen abhängig. KI-Technologien sind hier in der Lage, in Echtzeit eine Vielzahl von Daten und deren Beziehungen untereinander zu berechnen.

Der Mensch stößt dabei an seine natürlichen Grenzen, da er eher basierend auf Erfahrungswerten handelt. Eine KI-Lösung kann hingegen in ihre Berechnungen auch physikalische Parameter einbeziehen – wie die metallurgische Zusammensetzung oder das Fluss- und Erstarrungsverhalten sowie die Bauteilgeometrie. Sie kann dadurch die Realität der Gussprozesse nahezu hundertprozentig genau abbilden.

Industrielle KI ist die Zukunft! Sie hat das Potenzial, die gesamte Produktionsindustrie zu revolutionieren. Denn KI ist in der Lage, das einmal erlernte Wissen auf weitere Maschinen und Produkte zu übertragen. Je länger eine KI-Software im Einsatz ist, desto genauer wird sie. Somit können Qualitäts-, Prozess- und Energieabweichungen frühzeitig erkannt und passende Optimierungsmaßnahmen vorgeschlagen werden. Kurzum: Die KI hilft dabei, die fertigende Industrie zukunftssicher aufzustellen, die Herausforderungen der aktuellen Energiekrise zu meistern und den steinigen Weg in eine nachhaltige Zukunft mit Zero-Waste-Manufacturing mitzugestalten.

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