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Interview mit Fraba-CEO Leeser Moderne Unternehmensführung und digitale Fertigungskonzepte

Christian Leeser ist CEO und Mehrheitsgesellschafter von Fraba.

Bild: Fraba
29.05.2018

Von einer traditionellen Drehgebermanufaktur hin zu einer komplett digitalisierten Fertigung nach dem Prinzip der Mass Customization. Das funktioniert nur, wenn die Organisation weg geht von klassischen Führungsprinzipien und jeder sich voll ersetzbar und transparent macht. Wie diese hochmoderne Managementkultur und die Cloud-basierte Fertigung funktionieren, erläutert Christian Leeser, Mehrheitsgesellschafter und CEO von Fraba, im Gespräch mit A&D.

Bevor Sie Fraba 1993 zusammen mit Ihrem Bruder Dr. Achim Leeser übernommen haben, waren Sie Unternehmensberater. Wollten Sie Ihr Wissen endlich selbst in der Praxis umsetzen?

Sowohl ich als auch mein Bruder Achim waren lange Zeit als Unternehmensberater tätig und wir beide mussten feststellen, dass speziell in großen Firmen sehr viel menschliche Tatkraft und Begeisterung verschwendet wird. Warum? Weil jungen Menschen, die in große Organisationen eintreten, sehr schnell klar gemacht wird, dass sie nicht viel ändern können außer sich selber und das machen die dann auch. Mitarbeiter schrauben folge dessen ihre Ambitionen herunter und das fanden wir sehr traurig. Denn im Endeffekt gibt es dann nur Verlierer auf beiden Seiten.

Was wollten Sie denn unbedingt anders machen?

Menschen, die bei uns anfangen zu arbeiten, sollten genau um 180 Grad gedreht agieren. Sie sollen nach einer kurzen Zeit merken, dass sie mehr schaffen können, als sie sich zugetraut haben. Unsere Organisation funktioniert nach anderen Prinzipien. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Spielfreude. Das heißt, alle haben nur ein Ziel, denn wir spielen nur ein Spiel und nicht jeder sein eigenes wie in vielen Unternehmen. Niemand muss bei uns Angst haben, einen Fehler zu machen, es gibt ein blindes Verständnis untereinander, wir sind ein Team. Jeder rennt auf mehr als 100 Prozent, aber keiner fühlt sich ausgepowert, das ist Spielfreude.

Das klingt immer noch wie moderne Unternehmensberatung mit viel schöner Theorie. Wie aber lebt Ihre Firma den diesen Spieltrieb in der Praxis aus?

Unsere Grundidee für die Organisation basiert auf biologischen Zellen, wo jeder Mitarbeiter die Aufgabe der anderen übernehmen kann, weil wir in unserer Firmen-DNA alles verankern, was es dafür braucht. Neben der Spielfreude, also dem Spaß an der Arbeit, ist eine Wertesäule die dynamische Entwicklung aller Team-Mitglieder. Wir haben kein Organigramm, jeder muss sich selber führen. Alle haben ausnahmslos die Rechte und Pflichten, neue Aufgaben und Verantwortungsbereiche zu übernehmen. Jetzt kommt das Allerwichtigste: Jeder hat die Pflicht, sich selber überflüssig zu machen. Niemand darf bei uns Wissen horten, seine Position ausnutzen oder seinen Egotrip umsetzen. Jeder kann in unserem System alles einsehen, das geht bis hin zu den Gehältern – inklusive meinem.

Sie setzen damit aber sehr viel Vertrauen in alle Mitarbeiter voraus!

Wir müssen und können unseren Mitarbeitern auch vertrauen. Der Mensch ist von Natur aus neugierig, will etwas bewegen, lebt autonom und muss nicht bevormundet werden. Unser Wertesystem stellt allen Mitarbeitern die Grundlage bereit, diese Neugierde und den Spieltrieb auszuleben. Dann bringen sie auch mehr Leistung als sie selbst für möglich gehalten haben. Das ist die Idee, die wir seit 25 Jahren bei Fraba umsetzen.

Das bringt uns genau zurück zu 1993. Warum haben Sie Fraba gewählt, um Ihre Vision umzusetzen?

Wir sind auf Fraba gekommen, weil wir unserem Vater erzählt hatten, eine eigene Firma nach unseren Management-Prinzipien übernehmen zu wollen. Mein Vater war von 1950 bis 1986 Handelsvertreter der Fraba gewesen und kannte den Eigner sehr gut. Das Unternehmen war damals in finanziellen Schwierigkeiten und gemeinsam mit dem Leiter der Fraba Drehgeberabteilung Axel Wiemann entschieden wir uns dann für die Übernahme. Es finanziell heben zu können, war aber nur ein Grund. Wir wollten in eine Firma investieren, die in einem dynamischen Markt tätig ist, wo Änderungen möglich sind und wir ein internationales Potential sehen. Fraba bot schon damals mit seinen Drehgebern die Voraussetzungen, hatte einen Namen im Markt und wir sahen viel technologischen Spielraum für neue Lösungen.

Sie haben die Organisation dann erstmal gehörig nach Ihren Prinzipien umgekrempelt und verlegten die Produktion nach Slubice in Polen. Ging es hier primär um günstigere Produktionskosten?

Kosten bei der Erstellung eines eigenen Produktionswerkes waren natürlich ein Grund, aber nicht der entscheidende. Am alten Standort in Köln waren Entwicklung, Fertigung, Marketing und Vertrieb unter einem Dach vereint. Eigentlich gut könnte man sich denken, aber nicht nach unseren Management-Prinzipien. Denn in Köln gab es eine diffuse Betriebsintelligenz, das war Handwerkerei, vieles wurde über die Facharbeiter gemacht ohne Dokumentation und Wissensaustausch. Genau das wollten wir nicht. Jeder sollte in der Fertigung alles machen können, basierend auf komplett digitalisierten Workflows und transparenter Dokumentation. In Slubice erhalten unsere Mitarbeiter seit der Inbetriebnahme 2007 über die Cloud alle Instruktionen auf Computer, wo sie für welches Produkt die richtigen Teile aus dem Lager holen und wie sie an einem der vielen skalierbaren Handarbeitsplätze das Produkt zusammenbauen, testen und verpacken. Hier gibt es von niemanden ein Herrschaftswissen. Unsere Mitarbeiter in Slubice müssen keine hochqualifizierten Facharbeiter sein, sie bilden sich durch unsere Spielfreude selbst aus und können dann mehr machen als sie vorher selbst für möglich gehalten haben.

Eine vollständig digitalisierte Produktion war also von Anfang an Ihr Konzept?

Nur durch die vollständige Digitalisierung können wir gewährleisten, dass alles in Echtzeit erfolgt und jedem Mitarbeiter zu jeder Zeit alle Information und Entscheidungen transparent vorliegen. Ein Grundprinzip von uns ist ja: Jeder muss sich ersetzbar machen. Die Entscheidung der Digitalisierung haben wir 2004 gefällt und auch hier haben wir Pionierarbeit geleistet. Denn fertige Cloud-Lösungen für unser Vorhaben gab es damals nicht. Architekt unserer Cloud-Lösung war unser Jörg Paulus, der heute auch als geschäftsführender Partner und Anteilseigner von Fraba agiert. Wir haben ein Open Source ERP als Basis genommen und darauf aufbauend auch das CRM, den Online-Konfigurator sowie die Workflow Engine für die Fertigung entwickelt.

Das bringt uns zum Kern Ihres Erfolgsmodells: Sie fertigen komplett kundenspezifische Drehgeber nach dem Prinzip der „Mass Customization“.

Exakt! Wir haben keine Produktkataloge mit vorgefertigten Modellen. Unser Kunde konfiguriert sich online über den Produkt Finder genau den Drehgeber, der auf seine Bedürfnisse exakt zugeschnitten ist. In unserem stetig wachsenden Angebot stehen ihm beim Start des Konfigurators rund 600.000 Varianten zur Verfügung. Die riesige Typenvielfalt erzielen wir durch ein modulares Baukastensystem. Nach allen geführten Auswahlkriterien sieht der Kunde sofort die echte Verfügbarkeit, Preis und Lieferdatum. Bei Bestellung geht der Fertigungsauftrag direkt auf ein Tablet eines Werkers in Slubice. Wir machen also Industrie 4.0 schon lange bevor es diese Bezeichnung überhaupt gab! Findet ein Kunde oder OEM dennoch nicht seinen Wunsch-Drehgeber, dann erweitern wir durch unsere Kundenorientierung das Angebot und designen neue Module, damit es passt. Der Vorteil ist: Diese Varianten stehen dann künftig wieder allen Kunden zur Verfügung, unser Angebot wächst.

Wenn es um Losgröße 1 geht, dann schlägt in diese Kerbe auch Ihr neues Projekt EndcoderMatch. Was verbirgt sich dahinter?

Wir haben durch viele Gespräche mit unseren Kunden gemerkt, dass es einen wachsenden Markt für das Ersatzteilgeschäft bei Anbaudrehgebern gibt. Mit unserem Projekt EncoderMatch unterstützen wir Instandhalter mit der schnellen Beschaffung von Ersatzteilen. Kunden müssen nur einen Typenschlüssel eines alten Drehgebers etablierter anderer Hersteller bei uns eingeben und wir zeigen ihm passende moderne Austauschkomponenten. Durch die komplette Digitalisierung unseres modularen Produktbaukastens und intelligenten Matching-Algorithmen zeigen wir dann passende Lösungen an. Wir arbeiten derzeit mit Hochdruck an der Finalisierung von EncoderMatch und werden damit in Bezug auf Verfügbarkeit und Preisniveau den Maßstab im Ersatzteilgeschäft darstellen.

Technologisch ist Fraba Posital ebenfalls neue Wege gegangen und Sie setzen auf magnetische statt optische Drehgeber. Geht das zu Lasten der Messgenauigkeit?

Fraba zählte Ende der 1960er Jahre zu den Pionieren der optischen Drehgeber und 1973 gab es den ersten Absolutdrehgeber überhaupt. Inzwischen verkaufen wir aber mehr magnetische als optische Drehgeber und setzen in der Entwicklung konsequent auf die magnetischen Varianten. Wir sind mit einer Auflösung von 16 Bit und 0,09 Grad Genauigkeit inzwischen voll auf dem Niveau optischer Drehgeber. Für den Durchbruch der Magnettechnik sorgten 2013 unsere Ixarc-Drehgeber. Erst da gab es die notwendige Leistungsfähigkeit bei Mikroprozessoren, um über unsere ausgeklügelten und selbst entwickelten Algorithmen und Filtertechnologien aus verrauschten Signalen von Hall-Sensoren diese hochpräzisen Drehgeber zu machen. Zusätzlich sind unsere magnetischen Drehgeber kleiner, leichter, kostengünstiger und viel widerstandsfähiger gegen Temperaturschwankungen, Feuchtigkeit, Staub oder Öl.

Wie differenziert sich Fraba Posital vom Wettbewerb?

Unsere hochpräzisen magnetischen Encoder werden in immer mehr Anwendungen eine kostengünstige Alternative zu klassischen optischen Drehgebern – bei gleichzeitig deutlich höhere Robustheit. Neue Lösungen wie unsere magnetischen Kit-Encoder zum einfachen Anflanschen auf Motoren oder unser Projekt EncoderMatch machen uns einmalig. Denn durch unsere digitale Fertigung können wir dem Kunden immer genau die personalisierte Lösung anbieten, die er exakt benötigt. Wo sonst bekommen Sie innerhalb von drei Tagen nach dem Klick auf Bestellung einen genau auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnittenen Drehgeber!

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