In seiner Ausbildung zum Mechatroniker hörte Maximilian Christians, heute Research Engineer Advanced Technology bei Lapp häufig: „Wenn Du den Motor anschließt, nimm einfach die dünnste Leitung – das ist billiger und reicht aus.“ So richtig schlüssig empfand er die Aussage nie. Zwar sparen dünnere Leitungen Materialien und sind in der Anschaffung günstiger, doch sie verursachen höhere Leistungsverluste. Ob das langfristig nicht teurer wird, wollte Christians nach seinem Maschinenbaustudium genau wissen.
Bei Lapp, Weltmarktführer für integrierte Lösungen und Markenprodukte im Bereich der Kabel- und Verbindungstechnologie, ging er dieser Frage nach. Und stellte fest: Die gängige Faustregel „dünnere Leitung gleich weniger Material und somit niedrigere Kosten“ greift zu kurz. Vielmehr fand er heraus, dass Leitungen mit größerem Querschnitt in der Herstellung zwar einen höheren Materialeinsatz bewirken und daher initial mehr kosten, aber durch geringere Leistungsverluste sparen sie über den Lebenszyklus hinweg Emissions- und Energiekosten. Ein Faktor, der „in einer Zukunft, die von einem nachhaltigen Wandel geprägt ist, zu einem entscheidenden Faktor für effiziente und nachhaltige Entscheidungen werden“ kann, unterstreicht Christians.
Passendes Verhältnis kalkulieren
Elektriker ist klar: Eine dünnere Leitung erzeugt durch ihren höheren elektrischen Widerstand mehr Wärme, was zu vermeidbarem Leistungsverlust führt. Ist die Leitung dicker, nimmt der Widerstand ab - der Strom kann ungehindert fließen, ohne dass ein großer Teil der Energie in Wärme umgewandelt wird. Ein Punkt, der besonders für industrielle Anwendungen, in denen hohe Ströme fließen und dadurch der Leistungsverlust mit steigender Belastung überproportional zunimmt, relevant ist. Positiver Nebeneffekt: Leitungen mit größerem Querschnitt reduzieren die Erwärmung der Verbindung und verbessern dadurch die Betriebssicherheit und Lebensdauer der gesamten Konfiguration.
Wohingegen sein Meister Recht hatte: Eine Leitung mit größerem Querschnitt erfordert mehr Ressourcen wie Kupfer, was die initialen Herstellungs- und Anschaffungskosten erhöht. Mit der Konsequenz, dass die CO2-Emissionen zunächst höher sind als bei einer dünneren Leitung. „Die Lösung kann vor diesem Hintergrund nicht sein: Wir nehmen die dünnste Leitung, um den Geldbeutel zu schonen, oder die dickste, um das Klima zu schützen“, betont Christians. „Vielmehr geht es darum, das passende Verhältnis zu kalkulieren. Als Teil des Vorentwicklungs-Teams von Lapp konnte ich endlich eine fundierte Methode dafür entwickeln.“
Total Cost of Ownership
Christians bezog in seine Berechnungen neben den Anschaffungskosten auch die Betriebskosten über die gesamte Nutzungsdauer der Leitung – die sogenannte Total Cost of Ownership (TCO) – ein. Und konnte so nachweisen, dass der rein normgerechte Mindestquerschnitt häufig nicht die wirtschaftlich und ökologisch passende Wahl ist. Um es anschaulich zu machen: Bei einer Leitungslänge von 50 Metern und einem dreiphasigen Netz bei 16 A Nennstrom liegt der normgerechte Mindestquerschnitt bei 2,5 mm2. Betrachtet man jedoch die langfristigen Energiekosten, wäre ein Durchschnitt von 6 mm2 die wirtschaftlichere Wahl. Wird zusätzlich die CO2-Bilanz über den gesamten Lebenszyklus berücksichtigt, ergibt sich mit einem noch größeren Querschnitt von 16 mm2 die nachhaltigste Lösung. Damit steht fest, dass der passende Leitungsdurchschnitt von mehreren Faktoren abhängt, wie dem Nennstrom, der Nutzungsdauer und dem Strommix. „Hierauf sollten Unternehmen bei der Auswahl ihrer Leitungen achten“, erklärt Christians. „Schon heute kann eine fundierte Entscheidung über den passenden Leiterquerschnitt erhebliche Einsparungen von CO2-Emissionen und Kosten bringen.”
Wichtiger Hebel für mehr Nachhaltigkeit
Einer von vielen Nachhaltigkeits-Hebeln bei Lapp ist damit die Wahl des passenden Leitungsquerschnitts. Auf der Hannover Messe 2025 zeigte Lapp, wie die Wahl des passenden Leitungsquerschnitts zur CO2-Reduktion und Kosteneffizienz beitragen kann. Denn die richtige Leitungsdimensionierung ist für viele Maschinenbauer bislang ein unterschätzter Hebel zur Reduktion von CO2-Emissionen. „Es ist ein perfektes Beispiel dafür, wie Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz Hand in Hand gehen können. Die langfristige Reduktion von Energiekosten bedeutet gleichzeitig eine nachhaltigere Nutzung von Ressourcen.”
Damit Kunden den passenden Leistungsquerschnitt für ihre Anforderungen bestimmen und damit ökonomisch und ökologisch fundierte beziehungsweise nachhaltige Investitionsentscheidungen treffen können, integriert Lapp seine Forschungsergebnisse in einen Emissions- und TCO-Lebenszyklus-Rechner. Für Christians steht fest: „Dieses Konzept ist ein Baustein der umfassenden Nachhaltigkeitsstrategie von Lapp mit dem wir unsere Vorreiterrolle in der Branche weiter ausbauen.“
Mit der Veröffentlichung des Product Carbon Footprint (PCF), der Transparenz über die CO2-Emissionen im gesamten Produktionszyklus schafft, geht Lapp einen weiteren Schritt in Richtung Nachhaltigkeit. Zudem entwickeln Ingenieure bei Lapp kontinuierlich innovative, nachhaltige Materialien, wie die biobasierte Datenleitung Etherline bioP Cat.5e sowie die biobasierten EPIC Steckverbinder, die den Einsatz von fossilen Rohstoffen deutlich reduzieren. „Nachhaltigkeit steckt in der DNA von Lapp – das merkt man in vielen Bereichen“, schildert Christians. „Von der Vorentwicklung am Standort Stuttgart über die Entwicklung und Fertigung bis hin zu unserer Logistik, wo Lapp mit optimierten Versandwegen und zum Teil recyceltem Verpackungsmaterial Emissionen senkt.“ Schmunzelnd fügt er hinzu: „Und mich persönlich freut es, dass ich meinen früheren Meistern heute mit Zahlen belegen kann, dass die dünnste Leitung nicht immer die beste Wahl ist.“