Genossenschaftlich orientierte Modelle für KMUs Cloud-Plattformen demokratisch und effizient gestalten – Geht das?

Im Projekt SmartGenoLab hat das ISF München die Reise eines mittelständischen IT-Netzwerks zu einem genossenschaftlich orientierten cloudbasierten Geschäftsmodell begleitet und das Ergebnis veröffentlicht.

Bild: iStock, Enis Aksoy
27.04.2022

Bei Cloud-Plattformen denkt man zuerst an große internationale Player wie Microsoft (MS Azure) oder Amazon (AWS), wo die starken Kernunternehmen die Bedingungen setzen. Aber Cloud-Plattformen bieten andere Möglichkeiten, die gerade für kleine und mittlere Unternehmen interessant sind: Zusammenarbeit auf Augenhöhe, Partizipation, gemeinsame Gestaltung.

In der digitalen Arbeitswelt ist es Zeit, Neues zu wagen und Räume zu schaffen, in denen Unternehmensführungen und Beschäftigte gemeinsam neue Arbeitskonzepte ausprobieren können. Das Projekt „SmartGenoLab – Mit digitalen Unternehmen in genossenschaftlichen Strukturen Wirtschaftsdemokratie gestalten“ hat sich zum Ziel gesetzt, angesichts des digitalen Wandels neue selbstorganisierte und beteiligungsorientierte Arbeitsformen zu schaffen.

In diesem Projekt entwickelte das Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung – ISF München gemeinsam mit den Partnern CAS Software und SmartWe World ein umfassendes Modell zu einem genossenschaftlich orientierten, plattformbasierten Ökosystem, das agile Prozesse und Strukturen mit digitalen Werkzeugen kombiniert und eine Beteiligungsplattform zur Handhabung des Zusammenwirkens aller Stakeholder generiert: das SGL-Modell. Hier werden Beschäftigte, Partner und Kunden zu Miteigentümern und Mitgestaltern in neuen Partizipationsformen.

Nun ist ein Framework für dieses Modell verfügbar: „Plattformbasierte Ökosysteme partizipativ gestalten“, herausgegeben von Dr. Stephanie Porschen-Hueck und Kurt Rachlitz.

Im betrieblichen Experimentierraum: Forschung am Puls der Praxis

Das Framework ist nicht am grünen Tisch entstanden, sondern in einem betrieblichen Experimentierraum. Es lädt die Leser ein, mit den Autoren die Reise eines mittelständischen IT-Netzwerks über drei Jahre bei den ersten konkreten Schritten zu einem plattformbasierten, partizipativ ausgerichteten Ökosystem zu begleiten.

Diese Reise führt immer wieder vom Experimentierraum zu übergreifenden Fragen und wieder zurück zur konkreten Gestaltungstätigkeit. So bietet das Framework vielen etwas, zuallererst aber Praktikern, die sich selbst für die Möglichkeiten plattformbasierter Ökosysteme in genossenschaftlicher Orientierung interessieren.

Zunächst gibt das Framework einen Überblick über das Reich der modernen Plattformökonomie, behandelt die vielgenutzten und oft missverstandenen Begriffe der Plattform, des Ökosystems und des Netzwerks und zeigt auf, was das für kleine und mittlere Unternehmen bedeuten kann.

Der Hauptteil dient der Entwicklung und Präsentation des SGL-Modells und der Beschreibung des Transformationsprozesses, also der Umstellung zum genossenschaftlich orientierten cloudbasierten Geschäftsmodell. Hier werden Werte und Grundlagen, zentrale Funktionen, konkrete Aufgaben und Kompetenzen der partizipativen Ökosystem-Orchestration vorgestellt.

Schließlich präsentiert das Framework konkrete, im Experimentierraum entwickelte Werkzeuge und Verfahren: zum Beispiel den „Geno-Check“ zur Prüfung, ob genossenschaftliche Modelle für das jeweilige Projekt geeignet sind; den „Parti-Pro“ als Verfahren zur partizipativen Gestaltung von Prozessen; Konzepte für IT-Werkzeuge zum Netzwerk- und Entscheidungsmanagement mit verknüpfter Kompetenzlandkarte.

Partizipation und Effizienz

Eine entscheidende Frage partizipativer plattformbasierter Ökosysteme ist es, wie es gelingen kann, eine Zusammenarbeit von Unternehmen und Beschäftigten auf Augenhöhe und im Sinne guter digitaler Arbeit zu erreichen und zugleich „die PS auf die Straße zu bringen“, also effiziente Entscheidungen zu ermöglichen, wie sie gerade in der wechselhaften modernen Geschäftswelt erforderlich sind.

Dazu bietet das Framework eine breite, ausdifferenzierte Palette von Instanzen, Verfahren und Entscheidungsstufen. Denn nicht jedem Unternehmen und nicht jedem Projekt passt derselbe Anzug. Doch Partizipation, Demokratie und Autonomie sind nicht nur Werte an sich, sie stellen auch wertvolle Potenziale für eine gemeinsame Praxis bereit.

Das heißt nicht, dass jeder Partner bei jeder Entscheidung beteiligt sein muss, aber es bedeutet, dass jedem Partner die Möglichkeiten offenstehen, das Ökosystem mitzubestimmen und mitzugestalten.

Das Projekt

Das Projekt SmartGenoLab wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert und im Rahmen der Förderrichtlinie „Zukunftsfähige Unternehmen und Verwaltungen im digitalen Wandel“ unter dem Dach der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) durchgeführt, mit einer Laufzeit von November 2018 bis November 2021. Projektpartner waren das ISF München, CAS Software und SmartWe World.

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