Smart Traffic & Mobility Zylinder abschalten spart Sprit

Die Kühlmitteltemperatur liegt oberhalb einer Schwelle von 30°C. Gang drei oder höher ist eingelegt.
Drehzahl und Motorlast befinden sich innerhalb der oben beschriebenen Bereiche. Die Fahrerwunschprädiktion sagt eine ausreichend lange Halbmotor-Betriebsphase voraus.

11.09.2013

Das Abschalten einzelner Zylinder im Teillastbereich senkt den Kraftstoffverbrauch bei Ottomotoren. Die Herausforderung besteht darin, das Zylinderabschalt-System im ganzen thermodynamisch sinnvollen Bereich einzusetzen, ohne Komfortverluste in Kauf nehmen zu müssen.

Für die Automobilbranche stellt sich die Frage, wie sich Mobilität effizient und nachhaltig gestalten lässt. Dabei gilt die Aufmerksamkeit den alternativen Antrieben und vor allem auch den Benzin- und Dieselmotoren. Um deren CO 2-Emissionen zu reduzieren, greift Audi auf seinen modularen Effizienzbaukasten zurück. Ein wichtiger Baustein darin ist die Zylinderabschaltung, die nicht nur Kraftstoff einsparen, sondern auch ein spontanes Ansprechverhalten zeigen soll.

Die Herausforderung Zylinder abzuschalten

Als besonders herausfordernd stellte sich die Kombination der Zylinderabschaltung oder dem COD-System (Cylinder on Demand) mit niedrigen Motordrehzahlen dar, die aus dem Downspeeding moderner Automatikgetriebe resultieren. Beide Technologien erhöhen die Last, durch die sich der Ottomotor bei höheren Wirkungsgraden und damit niedrigerem Verbrauch betreiben lässt. Beim Entwickeln der Audi-Modelle S6, S6 Avant, S7 Sportback, A8 und S8 stand daher im Fokus, das COD-System in weiten Betriebsbereichen des Motors nutzen zu können. Zudem galt es, im Fall der Zylinderabschaltung Maßnahmen zur Schwingungskompensation einzuführen. Denn besonders bei höheren Lasten und niedrigeren Drehzahlen wären im Innenraum Schwingungen wahrnehmbar gewesen, die über Körperschallpfade wie Triebwerklager und Antriebsstrang sowie über Luftschallquellen wie Abgasanlage und Ansaugsystem entstehen.

Schwingungen vermeiden

Die Laufruhe vielzylindriger Motoren kommt dadurch zustande, dass sich die funktionsbedingt ungleichförmigen Anregungen, die bei den Verbrennungsvorgängen entstehen, und die mit ihnen verbundenen Drehschwingungs- und Luftschallanregungen weitgehend aufheben. Wenn bei aktivem COD-System die Hälfte der Verbrennungsvorgänge entfällt, gerät dieses Gleichgewicht zunächst aus der Balance. Deshalb kommen in den genannten Audi-Modellen neben einer sorgfältigen Auslegung der Grundakustik zwei aktive Komponenten zum Einsatz:

Aktive Motorlager (Active Engine Mounts, AEM) ersetzen die konventionellen schaltbaren Motorlager. Sie beinhalten einen elektrodynamischen Aktor aus Permanentmagnet und Tauchspule. Er sorgt über ein Steuergerät dafür, dass auch bei hohen Schwingamplituden keine unerwünschten dynamischen Kräfte in das Fahrzeug weitergeleitet werden.
Active Noise Cancellation (ANC) kompensiert als zweite Komponente die zusätzlichen Luftschallanteile im Fahrzeuginnenraum über einen gegenphasigen Schall. Dafür messen vier Mikrofone im Dachhimmel die Geräusche. Ein Prozessor berechnet Schallfelder und Signale, um über die Lautsprecher des Infotainmentsystems ein Gegenschallfeld zu generieren.

In Summe werden die störenden Geräuschanteile in der Wahrnehmung der Insassen weitgehend gelöscht (siehe Abbildungen oben) [1].

Funktionsweise des COD-Systems

Aufgrund der oben genannten fahrzeugseitigen Systeme ist Audi in der Lage, die Zylinderabschaltung im gesamten thermodynamisch sinnvollen Bereich zu betreiben. Sie erfolgt im Drehzahlbereich zwischen 960 und 35001/min bei Lasten zwischen Nulllast und bis zu 40 Prozent des maximalen Drehmoments. Das Umschalten zwischen dem Halb- und Vollmotor-Betrieb vollzieht sich so schnell, dass die Zylinderabschaltung auch im S-Modus des Automatikgetriebes beziehungsweise im über Audi Drive Select anwählbaren Dynamic-Modus aktiviert werden kann. Das COD-System ist permanent betriebsbereit. Umgeschaltet wird, sofern folgende Bedingungen erfüllt sind:

Die Kühlmitteltemperatur liegt oberhalb einer Schwelle von 30°C. Gang drei oder höher ist eingelegt. Drehzahl und Motorlast befinden sich innerhalb der oben beschriebenen Bereiche. Die Fahrerwunschprädiktion sagt eine ausreichend lange Halbmotor-Betriebsphase voraus.

In der Umschaltphase wird zunächst die Zylinderfüllung auf etwa das Doppelte erhöht. Damit das abgegebene Motormoment auf konstantem Niveau gehalten werden kann, wird währenddessen der Zündzeitpunkt nach „spät“ verschoben, was den Wirkungsgrad reduziert. Dieser daraus resultierende kurzzeitige Wirkungsgradverlust während der Umschaltphase ist unvermeidbar. Nach Abschluss des Füllungsabgleichs wird der Ventilsteller angesteuert (siehe Abbildung Seite 39) [2, 3], wodurch die Ventilbetätigung nach dem Ansaugtakt beendet wird. Die Einspritzung der Zylinder 2, 3, 5 und 8 wird abgeschaltet.Währenddessen verschiebt sich der Zündzeitpunkt auf den weiter aktiven Zylindern nach vorne; der Zündwinkelwirkungsgrad springt auf sein Optimum (Abbildung Seite 39). Im darauf folgenden Vierzylinder-Betrieb erfolgt ebenfalls ein kurzer Drehmomenteingriff über den Zündungspfad. Damit ist der Umschaltvorgang abgeschlossen. In den aktiven Zylindern erhöht sich der Wirkungsgrad aufgrund der geringeren Ladungswechselarbeit. Das Display des Kombiinstruments zeigt den Vierzylinder-Status an. Wenn der Fahrer kräftig Gas gibt, läuft die Wiederaufnahme des Vollmotor-Betriebs im Prinzip spiegelbildlich ab. Das für die Insassen nicht wahrnehmbare Umschalten zwischen Voll- und Halbmotor-Betrieb war die größte Herausforderung beim Entwickeln des Systems. Zudem musste das Umschalten so gestaltet werden, dass die unvermeidlichen kurzen Wirkungsgradverluste im Moment des Umschaltens auf das absolute Minimum verringert werden.

Häufige Schaltphasen vermeiden

Selbst ein optimierter Umschaltvorgang erhöht kurzzeitig den Kraftstoffverbrauch. Um diesen zu kompensieren, muss der Motor lastpunktabhängig bis zu vier Sekunden im verbrauchsgünstigeren Halbmotor-Betrieb verbleiben. Die Fahrerwunschprädiktion hat nun die Aufgabe, allzu kurze Halbmotor-Betriebsphasen zu vermeiden. Die Grundidee der Fahrerwunschprädiktion besteht darin, die kommenden Sekunden der Motorlastanforderung vorherzusagen. Hierfür werden alle vom Motor erfassten Messgrößen genutzt, die unmittelbar mit dem Fahrer und dem Fahrzeugzustand verbunden sind. Dazu zählen die Fahrgeschwindigkeit, die Fahrstufe, die Gaspedalstellung und der Bremsdruck, aber auch der Lenkwinkel, der Lastpunkt und die Straßensteigung. Diese Größen sowie ihre Differentiale und Integrale zu verschiedenen Zeitpunkten vor und bis zum Entscheidungszeitpunkt dienen als Eingangswerte für eine Korrelationsanalyse. Die auf diese Weise gewonnenen Bewertungsgrößen sind wiederum Grundlage für die Entwicklung eines entsprechenden Algorithmus. Die Effektivität dieses Algorithmus ist höher als bei einer pauschalen Verzögerungszeit vor dem Umschalten in den Vierzylinder-Modus. Zumal eine pauschale Verzögerungszeit alle - also auch die ausreichend langen - Halbmotor-Betriebsphasen verkürzen und das Kraftstoffeinsparpotenzial verringern würde [4]. In einer weiteren Ausbaustufe der Fahrerwunschprädiktion bezieht diese auch Navigationsdaten ein.

Verringerter Kraftstoffverbrauch

Mit der Summe der Hightech-Lösungen - der Active Noise Cancellation, der aktiven Motorlager und der Fahrerwunschprädiktion - reduziert die Audi-Technologie Cylinder on Demand im NEFZ (neuer europäischer Fahrzyklus) den Verbrauch um mehr als fünf Prozent. Besonders deutlich wird das Einsparpotenzial des Motors bei häufig gefahrenen Geschwindigkeiten. Bei 80km/h beträgt der Effizienzgewinn für alle S-Modelle und den A8 V8T zwölf Prozent, selbst bei 130km/h ergeben sich noch sieben Prozent Ersparnis.

Weitere Informationen

[1] Römling, S.; Vollmann, S.; Kolkhorst, T.: Das aktive Motorlagerungs-System im neuen Audi S8. MTZ 73 (2013), Nr. 1

[2] Königstedt, J.; Aßmann, M.; Brinkmann, C.; Eiser, A.; Grob, A.; Jablonski, J.; Müller, R.: Die neuen 4.0l-V8-TFSI-Motoren von Audi. 33. Internationales Wiener Motorensymposium, 2012

[3] Königstedt, J.; Jablonski, J.; Müller, R.; Schäfer, M.: Der neue Audi 4.0l-V8-TFSI, Teil 1: Konstruktion und Mechanik, MTZ 74 (2013), Nr. 2

[4] Grob, A.; Brinkmann, C.; Königstedt, J.: Der neue Audi 4.0l-V8-TFSI, Teil 2: Thermodynamik und Applikation, MTZ 75 (2013), Nr. 3

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