Einstieg in KI-gestütztes Asset Management Virtuelles Abbild mit Cloud-Connection

Klassisches Condition Monitoring stößt an Grenzen, wenn es um frühzeitige und ursachenorientierte Fehlererkennung geht. Digitale Zwillinge gehen hier einen Schritt weiter.

Bild: iStock, akinbostanci
02.07.2025

Je genauer das Wissen über die Anlage, desto unwahrscheinlicher ist der ungeplante Stillstand. Mit detaillierten Informationen über den Zustand der kritischen Komponenten lässt sich die Instandhaltung bedarfsgerecht und präzise planen. Alle wesentlichen Datenströme laufen im digitalen Zwilling zusammen. Für den leichten Einstieg in diese IIoT-Technologie wurde ein Digital Twin Starter Kit entwickelt. Die Anwender können es mit minimalem Aufwand in Betrieb nehmen, als Testsetup in bestehende Anlagen integrieren und bei Bedarf individuell hochskalieren.

Viele Anlagen und Maschinen müssen praktisch pausenlos laufen. Ein unvorhergesehener Ausfall hätte bei ihnen entweder schwerwiegende Konsequenzen, wäre sehr teuer oder beides: Wenn zum Beispiel das Rührwerk im Substratbehälter der Biogasanlage streikt, stockt der gesamte Prozess; bei einem Großlager eines Windrads oder bei einer Geothermie-Pumpe erfordert der ungeplante Reparatureinsatz großen logistischen Aufwand und lange Ausfallzeiten.

Die herkömmliche Instandhaltung solcher Maschinen und Anlagen richtet sich meist nach festen Wartungsintervallen mit oft beträchtlichen Sicherheitspuffern. Den Lagertausch früher als eigentlich nötig durchzuführen ist allemal billiger, als eine Minute zu spät dran zu sein. Dennoch gibt es keine Garantie für die Angemessenheit der vorgesehenen Wartungszeiträume. Unvorhersehbare Störeinflüsse oder minimale Montagefehler können die geplanten Zyklen obsolet machen. Trotz „vorausschauender“ Wartung hat der Betreiber dann das Nachsehen.

Einblick in Echtzeit

Um wirklich vorausschauen zu können, benötigt man möglichst genaue Informationen über den tatsächlichen Zustand der kritischen Komponenten. Dabei handelt es sich meist um bewegliche Teile, die der Reibung ausgesetzt sind. Sie erzeugen charakteristische Vibrationsmuster, die sich mit dem unvermeidlichen Verschleiß, zunehmender Verschmutzung und anderen mechanischen Störeinflüssen verändern. Mit Schwingungssensoren lassen sich Werte erfassen, aus denen man detaillierte Rückschlüsse über den tatsächlichen Zustand und die voraussichtliche Restlaufzeit ziehen kann.

Um die verfügbaren Daten aus dem Feld auf intelligente Art zusammenzuführen, bietet der digitale Zwilling als Echtzeit-Abbild eine optimale Lösung. In neuen Anlagen gehört er heute oft schon zum Gesamtkonzept. Bei bestehenden Anlagen kann er naturgemäß nur nachträglich implementiert werden. Das Digital Twin Starter Kit von Bosch Digital Twin Industries und Pepperl+Fuchs macht diesen Schritt leicht und einfach. Es ist als pragmatische, sofort einsatzfähige Komplettlösung aus Hard- und Software konzipiert. Seine Einbindung in laufende Anlagen erfolgt nach dem Plug-and-Play-Prinzip. Zur initialen Datenerfassung im Feld kommt ein leistungsstarker 12-kHz-Schwingungssensor zum Einsatz. Die Hardware umfasst außerdem einen ICE2- oder ICE3-IO-Link-Master sowie den Embedded-PC BTC22 von Pepperl+Fuchs. Diese Geräte stellen die Verbindung zu einer Cloud-Instanz von Bosch her.

Modulare Hardware fürs Feld

Der Schwingungssensor misst die Vibration von Maschinen- und Anlagenteilen. Seine Werte liefern die Grundlage für weitreichende Rückschlüsse auf den Zustand einzelner kritischer Verschleißteile oder größerer Einheiten. Statt oder neben den Schwingungssensoren können auch andere Sensoren aus dem breiten Portfolio von Pepperl+Fuchs eingebunden werden, um unterschiedlichste Prozess- und Zustandswerte zu ermitteln. 

Vibrationssensoren können zum Beispiel an den Verdichterstationen von Gaspipelines zum Einsatz kommen. In solchen Anlagen wirken große Kräfte, durch Einflüsse wie Kavitation an der Pipeline und am Impeller können Strukturschäden entstehen. Zusätzlich zu den Vibrationsdaten der Verdichtereinheiten geben Druck und Durchfluss an ausgewählten Messstellen im Rohrsystem Aufschluss über das Betriebsverhalten der Anlage. Aus diesen Informationen können deutliche Frühwarnzeichen abgeleitet werden, wenn etwas suboptimal läuft.

Die IO-Link-fähigen Sensoren liefern ihre Daten an den IO-Link-Master, der sie zunächst auf den industriellen Box Thin Client BTC22 überträgt. Dieser lüfterlose Rechner fungiert zugleich als Edge-Gateway. Er ist entsprechend leistungsstark und für den durchgängigen Betrieb in rauen industriellen Umgebungen ausgelegt. Auf diesem Embedded-PC findet die Vorverarbeitung und Aggregation der Daten aus der Feldebene statt, die anschließend in die Digital-Twin-Plattform von Bosch, den „Inteligence Core“, übertragen werden.

Echtzeitsimulation und KI-Auswertung

Die Datenanalyse wird anhand eines Simulationsmodells in Echtzeit mit dem IAPM-Tool (Intelligent Asset Performance Management) auf der Digital-Twin-Plattform durchgeführt. Sie setzt auf etablierte Cloud-Plattformen wie AWS oder MS-Azure auf. Für die Analyse werden Machine-Learning-Algorithmen (ML) und Verfahren der künstlichen Intelligenz (KI) eingesetzt. Ihre Ergebnisse ermöglichen unter anderem die Bestimmung von Restlaufzeiten und die Vorhersage absehbarer Ausfälle. Sie helfen bei der Optimierung von Wartungsplänen und ermöglichen die Ableitung von Handlungsempfehlungen. In detaillierten 3D-Modellen lassen sich mechanische Probleme vorhersagen und visualisieren.

Push-Nachrichten mit Hinweisen auf kritische Situationen können optional per E-Mail, SMS und auf weiteren Kommunikationswegen an definierte Empfänger versandt werden. Die Plattform arbeitet mit offenen Kommunikationsstandards. Das modulare System lässt sich beliebig skalieren und an unterschiedlichste Anlagen anpassen. Für einen einfachen Start mit Aha-Effekt am Schreibtisch, muss man das Starter Kit nur gemäß dem mitgelieferten Schaltplan installieren und mit dem Netzwerk verbinden. Sobald die Spannung eingeschaltet wird konfiguriert sich das System selbständig. Die Prozess- und Gerätedaten werden nach einer kurzen Einlernphase in die Plattform von Bosch übertragen, verarbeitet und sind auf dem Dashboard im Browser verfügbar.

Bildergalerie

  • Ein 12-kHz-Schwingungssensor erfasst relevante Zustandsdaten.

    Ein 12-kHz-Schwingungssensor erfasst relevante Zustandsdaten.

    Bild: Pepperl+Fuchs

  • Kompakte Gesamtlösung: das Digital Twin Starter Kit.

    Kompakte Gesamtlösung: das Digital Twin Starter Kit.

    Bild: Pepperl+Fuchs

  • Komponenten des Digital Twin Starter Kit

    Komponenten des Digital Twin Starter Kit

    Bild: Pepperl+Fuchs

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