Verlustfreie Stromleitung Supraleiter: Ein Graphen-Sandwich liefert neue Erkenntnisse

Bienenwabenförmige Strukturen aus Kohlenstoffatomen, sogenanntes Graphen, kann gegeneinander verdreht elektrischen Strom widerstandsfrei leiten.

Bild: Universität Innsbruck
29.04.2022

Einem Physiker-Team der Universität Innsbruck ist es gelungen, wichtige Erkenntnisse für die Supraleitung aus drei gegeneinander verdrehten Graphen-Schichten zu ziehen. Das „Sandwich“ entpuppte sich als aufregendes Material für die Erforschung komplexer Vielteilchenphysik, bleibt aber in vielen Punkten noch rätselhaft.

Seit es vor rund 20 Jahren erstmals gelungen ist, eine zweidimensionale Struktur von Kohlenstoffatomen herzustellen, fasziniert Graphen die Wissenschaft. Vor einigen Jahren entdeckten Forscher, dass zwei gegeneinander leicht verdrehte Schichten aus Graphen elektrischen Strom verlustfrei leiten können. Diese Entdeckung hat in den vergangenen Jahren dazu veranlasst, solche geschichteten Materialien genauer zu erforschen.

Ein aktuelles Beispiel ist ein Material aus drei Graphenschichten, die spiegelsymmetrisch zueinander angeordnet sind. Es ist das erste Material, dessen Eigenschaften mit einem elektrischen Feld effizient eingestellt werden können und für das experimentell gezeigt wurde, dass es neben verschiedenen anderen Eigenschaften auch robuste Supraleitfähigkeit aufweist. „Dies macht dreischichtiges Graphen zu einem aufregenden Material für die Erforschung komplexer Vielteilchenphysik“, sagt Mathias Scheurer vom Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck. „Was die genaue mikroskopische Physik des Systems ist, bleibt zunächst aber rätselhaft.“

Übereinstimmung mit anderen Experimenten

Weil beim Überlagern regelmäßiger Muster eine Moiré-Struktur entsteht, werden solche Schichtmaterialien auch Moiré-Systeme genannt. Ein Team um Scheurer hat nun ein Dreischicht-Graphen analytisch und mithilfe numerischer Simulationen näher untersucht. „Wir haben die Eigenschaften für eine unterschiedliche Anzahl von Elektronen pro Moiré-Zelle in Abhängigkeit von einem elektrischen Feld ermittelt und ein Phasendiagramm erstellt“, erklärt der Physiker. „Das ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, weil das System Freiheitsgrade mit sehr unterschiedlichen energetischen Eigenschaften aufweist.“

Dennoch konnten die Wissenschaftler zeigen, dass der Grundzustand des Systems in Abwesenheit eines elektrischen Feldes aus einem Produkt des Grundzustands von Graphen und jenem von verdrehtem zweischichtigem Graphen besteht. Das ist auch mit weiteren in der Zwischenzeit erschienenen Experimenten konsistent. „Unsere Ergebnisse belegen außerdem in Gegenwart eines elektrischen Feldes die Dominanz von isolierenden und halbmetallischen Phasen, die nur im dreischichtigen System, das heißt nicht in verdrehten zweischichtigen Graphen vorkommen“, sagt Scheurer. Die beiden theoretisch ermittelten, supraleitenden Zustände decken sich auch mit den Ergebnissen eines anderen Experiments.

Relevanz für Moiré-Systeme

In einer an diese Arbeit anschließende Kooperation mit der Forschungsgruppe von Abhay Pasupathy an der Columbia University konnte die Relevanz der Ergebnisse für die Physik von Moiré-Systemen bestätigt werden. Die in der Fachzeitschrift Science präsentierten Ergebnisse einer Untersuchung des Dreischicht-Systems mithilfe eines Rastertunnelmikroskops zeigen, dass in den Spektren sichtbare Wechselwirkungseffekte auch in den numerischen Berechnungen von Scheurer und seinen Kollaborateuren erfasst sind.

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